Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich

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Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg - Gerstäcker Friedrich


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hatte, auf das Aeußerste.

      Von beiden Seiten traten sie um ihn herum und vor ihn, und während der Herr seinen Hut abnahm, diesen bis auf den Boden schwenkte und eine entsprechende ehrfurchtsvolle Verbeugung machte, bei der er mit seinem fettglänzenden Haar beinah das Gesicht des kleinen Deutschen berührte, knixte die Frau in einem fort auf und nieder, und hielt dabei die Hand ausgestreckt und rief:

      „Ein klein wenig weiß Geld, Sir - ein klein wenig weiß Geld."

      „Gott straf' mich," sagte Malchus, indem er sein Taschentuch auf den Schooß sinken ließ, und die Augenbrauen hoch hinaufzog, „wo kommt Ihr schwarzen Deuwels denn auf einmal her?"

      „Ein klein wenig weiß Geld, Sir - ein klein wenig weiß Geld," drängte aber die Frau und hielt ihm die ausgestreckte Hand mit den spitzen dürren Fingern immer näher auf den Leib. Allerdings verstand er kein Wort Englisch, aber nach der Bewegung der Hand doch so viel, daß das Volk etwas von ihm haben wollte. Wie er aber eben in die Tasche griff, hörte er ein Geräusch hinter sich, und den Kopf danach umdrehend, sah er sich plötzlich von dem ganzen Trupp der schwarzen Gesellschaft, die Mehrzahl in ihrem Urzustände, dicht eingeschlossen.

      „Alle Wetter," schrie er, jetzt wirklich erschreckt in die Höhe fahrend, „ist denn die Hölle los?" Dabei trat er der Frau mit seinen schweren Schuhen auf den bloßen Fuß; diese kreischte laut auf und fuhr zurück, die Hunde fingen an zu bellen, die beiden Känguruhunde kamen wieder knurrend /101/ angesprungen, und für einen Moment herrschte völlige Verwirrung auf dem Hof. - Die aber legte der Stockkeeper gründlich mit seiner langen Peitsche. Schon die Bewegung derselben scheuchte die Känguruhunde auf ihren alten Platz zurück und die räudigen Kläffer der Schwarzen zwischen deren Füße. Dann beorderte er den Schwarm der Eingeborenen, ohne selbst Rücksicht auf die in voller Toilette zu nehmen, in der einen Ecke des Hofes zu warten, bis sie ihre Geschenke bekommen würden, und befreite damit augenblicklich Malchus von der unangenehm werdenden Gesellschaft.

      Gertrud hatte indessen den Mädchen gebackenes Brod wie etwas Fleisch und Salz gegeben, um es unter die Uebrigen zu vertheilen, und die Eingeborenen zogen dann wieder - der im Frack mit tiefen Verbeugungen, die Frau im Kleid mit tiefen Knixen, zum Thor hinaus und mitten in die Wildniß hinein, um draußen das Erhaltene auch augenblicklich zu verzehren.

      Den Deutschen war ebenfalls eine Mahlzeit bereitet und sie eingeladen worden, in des Stockkeepers Wohnung einzutreten, wo sie sich setzen und in Ruhe essen konnten. Die Hütte oder das kleine Haus lag parterre, wie alle diese Gebäude selten mehr als ein Stockwerk haben, und Malchus hatte sich hier, nachdem das ihnen Gegebene ausgetheilt, dicht an das offene Fenster gesetzt, mit seinem Teller vor sich auf einem kleinen Tisch. Neben Jedem stand dabei ein blecherner Quarttopf mit heißem Thee, dem besten Labsal, was man nach einer heftigen Anstrengung genießen kann, und die Hammelrippen mit dem freilich harten Brod oder Damper dufteten verlockend genug nach dem langen Fasten.

      Trotzdem sollte Malchus aber selbst hier ein Hinderniß finden, seinem leiblichen Behagen zu folgen, denn in demselben Moment, wo er Messer und Gabel ansetzte, dem delicaten Rippenstück zuzusprechen, sah er plötzlich einen Kopf mit zwei großen glänzenden Augen an einem Schlangenleib, und anscheinend ohne weiteren Körper, vor sich, und ehe er nur einen andern Gedanken fassen konnte, hatte der Kopf mit einem riesigen Schnabel das Fleisch von seinem Teller aufgepackt und war damit wie in die Luft hinein verschwunden. /102/

      Mit einer Hast, wie er sie in seinem ganzen Leben noch nicht gezeigt, fuhr der kleine Mann jetzt zwar in die Höhe und über den Tisch hinüber mit dem Kopf aus dem Fenster - aber zu spät. Er sah nur noch, wie der eine Kasuar mit klafterlangen Schritten über den Hof lief und im Laufen, ohne sich weiter aufzuhalten, sein Mittagessen hinunter würgte.

      Der Stockkeeper war, in der Thür stehend, Zeuge der ganzen Scene gewesen, und schrie laut auf vor Lachen. Dem armen hungrigen Teufel kam die Sache aber gar nicht so komisch vor, und er beruhigte sich erst wieder, als ihm der Engländer, gutmüthig genug, eine frische Portion bestellte, mit der er sich jetzt vom Fenster weg und mitten in die Stube setzte. Er hatte Australien schon herzlich satt bekommen.

      Gertrud hatte Alles auf dem Hof besorgt, was zu besorgen war, und jetzt ihr eigenes kleines Zimmer ausgesucht, wo sie sich still auf einen der Rohrstühle in eine Ecke setzte und stier und schweigend, die Hände im Schooß gefaltet, vor sich nieder sah. Sie regte sich dabei nicht, kein Zucken ihres Antlitzes oder nur einer Wimper verrieth, was in ihr vorging und arbeitete, aber aus den weitgeöffneten Augen flossen die großen, hellen Thränen, und tropften langsam, unbeachtet an ihren Wangen nieder.

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