Kind des Lichtes. Kerstin Wandtke

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Kind des Lichtes - Kerstin Wandtke


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das lange Haar aufsteckte, begann es ihr langsam doch zu gefallen.

      „Mein Gemahl tat gut daran, mich zu bitten eines der Kinderkleider zu nehmen.“ Sie zog Alina schließlich das kleine, helle Kleid über den Kopf, verschnürte es danach sorgfältig an deren Rücken und drehte sie dann langsam zu sich herum.

      „Du bist wunderschön,“ sagte die Ältere ergriffen, „wie eine kleine Elfenprinzessin. Möchtest du dich jetzt betrachten?“ Alina nickte schüchtern und Sonja führte sie zum hohen Spiegel des Ankleidezimmers. Verblüfft sah Alina in ihn hinein. Das Bild von ihr war so klar und deutlich, ganz anders als die Bilder von ihr im See, die sie sonst nur kannte. Ihr Haar war jetzt kunstvoll Aufgesteckt und nur eine dicke Strähne fiel ihr in sanftem Schwung auf den Rücken herab. Auf ihrer Stirn lag ein kleiner, blauglänzender Stein, der über eine dünne Kette mit ihrer Frisur verbunden war. Um den Hals und an jedem Handgelenk trug sie jeweils noch einen. Doch am meisten beeindruckte sie das Kleid, das sie nun trug. Es hatte die gleiche Farbe wie ihre Augen, irgendwie zwischen blau und grün, doch seine Farbe war blasser. Seine weißen Säume waren breit und aus kunstvoll gearbeiteter Spitze. Es war zudem überall mit diesen glitzernden Steinen besetzt, doch diese waren sehr viel kleiner als der auf ihrer Stirn. Alina betrachtete sich hingebungsvoll, und nur ganz leicht berührte sie ihr Spiegelbild, als würde es sich unter ihrer Berührung wie flüchtig auflösen. Sie konnte es kaum fassen, was die große Sonja aus ihr gemacht hatte.

      „Oh,“ meinte diese noch, „ich habe noch etwas vergessen.“ Sie verschwand kurz im Nebenzimmer, tauchte aber bald wieder auf und hielt noch etwas in den Händen.

      „Das sind Schuhe, sieh, man zieht sie über die Füße, Augenblick, ich helfe dir,“ sie zog Alina die kunstvoll gearbeiteten Schuhe an, „so, jetzt bist du fertig.“ Sie sah Alina liebevoll lächelnd an.

      „Nun geh zur großen Halle und verdrehe allen meinen Söhnen die Köpfe.“ Alina nickte nur scheu und verließ still das Zimmer. Sie fand den Weg zur Halle allein, hatte aber ihre liebe Not mit den Schuhen, diese drückten sie und taten ihr schnell weh. Als sie sich einen Moment im Flur alleine wähnte, zog sie diese schnell aus und stellte sie in eine kleine Nische in der Wand, um sie später wieder holen zu kommen. Barfuss und ihr schönes Kleid vorn hochhaltend, wie Sonja es ihr gezeigt hatte, setzte sie rasch ihren Weg fort.

      Als Raven die große Halle betrat, konnte er seine kleine Fee noch nirgends entdecken. Der große Raum war festlich mit Tüchern und Wandteppichen geschmückt und fast alle Familienmitglieder konnte er schon entdecken. Unter diesen auch Karak, wie er jetzt und erleichtert feststellte. Der Dragon winkte ihn zur langen Tafel, an der die meisten bereits saßen und ungeduldig auf den Beginn der Essen warteten.

      „Komm, mein Sohn,“ meinte der Dragon grinsend, „setz dich zu mir. Deine Kleine ist noch nicht hier. Wahrscheinlich putzt meine gute Sonja sie heraus wie einen dieser kleinen, bunten Vögel deines Reiches. Nun, wir wissen ja, wie die Frauen sind.“ Raven sah den Älteren nun ebenfalls grinsend an und konnte es nicht bestreiten.

      „Nach unserem gemeinsamen Mahl werden wir alle zum Jagdsaal gehen, um dort am Kamin deine Geschichten zu hören. Also, überlege schon mal gründlich, was du uns zum Besten geben wirst.“

      Da betrat Alina leise und, wie sie gehofft hatte, möglichst unauffällig die große, hellerleuchtete Halle. Doch alle Gesichter wandten sich zu ihr um und die Blicke der Anwesenden blieben auf ihr haften. Ein leises Raunen ging durch die Anwesenden. Ihre Schönheit war an diesem Abend so blendend, so rein und strahlend, das alle Geflügelten, die hier beisammensaßen, sich immer an sie und diesen Abend erinnern würden. Raven blieb von ihrem Anblick wie verzaubert sitzen, während der Dragon sich lächelnd erhob und ihr ruhig entgegenging.

      „Bei den alten Göttern, Sonja, du hast dich selbst übertroffen,“ raunte er. Als er sie erreichte, bot er ihr seinen Arm, den sie dankbar ergriff und führte sie durch die zurückweichende Menge.

      „Komm, mein Kind, du musst hungrig sein und mein Neffe ist schon ganz verrückt vor Sehnsucht nach dir.“ Mit seinen Worten zauberte er ihr ein süßes Lächeln ins Gesicht und er dachte bei sich,

      wenn die Götter mich über Nacht nur verjüngen könnten, Raven hätte eine ernsthafte Konkurrenz um ihre Gunst. Doch dann sah er den Blick, mit dem sie seinen Neffen ansah und begriff, dass sie wegen keinem Mann seines Volkes, egal ob jung oder alt, ihre Entscheidung überdenken würde.

      Sie gehörten zueinander, egal, was die alten Legenden sagten.

      Er brachte sie zur Tafel, übergab sie an Raven, nicht ohne dem leise zu bekunden, dass dieser mit offenem Mund einem gähnenden Schaf glich. Dann klatsche er laut in deine mächtigen Hände und rief dann, breit grinsend, dass jene, die jetzt noch nicht an der Tafel weilten wohl hungrig ins Bett müssten. Daraufhin begann das üppige Festmahl und die Speisen wurden der Reihe nach Aufgetragen. Alina war etwas verwirrt wegen der Vielfalt und dem ganzen Silberzeug, Essgeschirr, wie Raven ihr leise sagte. Das meiste kannte sie nicht und sie schaute während des ganzen Essens immer wieder zu Raven und tat es ihm gleich. Das Mahl dauerte lang und war sehr umfangreich. Angefangen von Fasan, über Schwein bis zum Rind, sowie viel Obst und Gemüse, eben alles, was der Stall und der frühe Garten jetzt schon hergaben. Männer wie Frauen unterhielten sich vergnügt und es wurde viel gelacht und gescherzt. Doch auch das längste Essen nimmt irgendwann ein Ende und so begab es sich, dass sich die Gesellschaft anschließend geschlossen und gesättigt ins Jagdzimmer begab.

      Das Jagdzimmer war ein ebenfalls großer Raum, aber durch die ganzen Felle, welche die Wände und den Boden schmückten, sehr gemütlich und von dem Feuer im Kamin sanft erhellt. Im Feuerschein glänzten Waffen an den Wänden, und viele Gemälde, meist Darstellungen von Löwen, Wölfen oder Bären zierten diese zusätzlich. Alina fühlte sich hier, nach dem ganzen Trubel der vergangenen Stunden, wirklich wohl. Auf den dicken Fellen am Boden sitzend, wollten sie jetzt alle Ravens Geschichten lauschen. Dieser setzte sich nah ans Feuer, und Alina auf seinem Schoß haltend begann er langsam und ruhig zu erzählen. Angefangen damit, warum er sein Reich einst verlassen hatte um zu suchen was er lange nicht fand. Er sprach sehr leise, so das hier jetzt Stille herrschte, aber auch sehr ausführlich von den Dingen im Norden. Von den Menschen, die er dort überall vorfand. Von Veränderung, von Einsamkeit und Verfolgung und von der Ausrottung ganzer Volksstämme. Er berichtete von Plünderungen ganzer Dörfer und den Feuern, in denen die Menschen die Bewohner verbrannten, derer sie habhaft wurden. Er sprach auch von Alina und wie er sie fand. Es herrschte eine tiefe Stille im diffusen Licht des Saales, und alle lauschten seiner ruhigen, traurigen Stimme. Doch als er zu der Stelle seiner Geschichte kam, an der er und Alina auf die alte Burgruine und deren Inhalt gestoßen waren, ging ein entsetztes Raunen durch den Saal. Er schilderte ihr Erleben danach in allen Einzelheiten und wenig später herrschte bedrückende Stille im Raum. Der Dragon sah Raven ernst an und fragte diesen ruhig,

      „Und du bist dir sicher, dass über dem Kamin zwei steinerne Figuren saßen die Männer unseres Volkes darstellten?“ Alina antwortete statt Raven mit einem nicken.

      „Warum fragst du?“ Wollte Raven von ihm wissen.

      „Nun,“ erwiderte der, „es gibt da eine alte Legende, nach der die Aufstände dort, in Ranguhl begonnen haben sollen. Es heißt in ihr, dass die Menschen sich erhoben, jedes Leben dort töteten und danach den schlimmsten aller Flüche über sie verhängten. Sie sollten tot, aber deren Seelen dennoch gefangene ihrer Körper bleiben. So sollten sie, ewig auf Erlösung hoffend, dort unberührt bis zum Ende der Welt ausharren.“ Der Dragon räusperte sich und schluckte die Trauer herunter.

      „Es wurden auch die beiden Statuen erwähnt. Laut der Legende stellen sie die Wächter der Toten dar. Und erst, wenn sie fallen, finden auch die Seelen der Gemeuchelten ihren Frieden,“ der Dragon seufzte tief. „Nun, es mag auch nicht immer alles stimmen, aber es ist gut zu wissen, dass ihre verlorenen Seelen jetzt, nach so langer Zeit, von euch befreit wurden.“

      Raven sah die Trauer in den Augen des Älteren und begann, den Rest seines Berichtes zu erzählen.

      Nachdem er geendet hatte, senkte sich wieder tiefes Schweigen über die Anwesenden, von denen sich nach und nach einige erhoben und langsam die Halle verließen. Alina verstand die plötzliche


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