Kind des Lichtes. Kerstin Wandtke
Читать онлайн книгу.nicht aufgegeben, aber es steht langsam immer schlechter um sie.“ Sonja wischte sich mit einer knappen Bewegung eine Träne von ihrer Wange und Alina legte mitfühlend einen Arm um deren Schulter.
„Sassa ist unser aller Sonnenschein,“ Samara begann leise zu schluchzen, „wir alle lieben sie von Herzen, was soll nur werden, wenn sie uns verlässt.......“
Alina taten diese großen, stolzen Frauen in ihrer Machtlosigkeit dem Tod gegenüber unendlich Leid. Und sie bedauerte auch das kleine Töchterchen, das grade am Leben, dieses schon wieder verlassen sollte. Doch, Moment, Alina hielt inne und überlegte. Hatte ihre Mutter ihr nicht gezeigt, was nötig wurde, wenn sie die ersten Anzeichen des Fiebers bei sich selbst spüren sollte. Ja, und auch die passenden Kräuter hatte Mutter ihr früher mal gezeigt.
Alina ging zum Waschzuber hinüber, nahm einige der dort liegenden Tücher und tauchte diese ins kalte Wasser um sie danach kräftig auszuwringen und zum Bett zu tragen. Die beiden großen Frauen schauten ihr dabei ungläubig zu, machten aber bereitwillig Platz. Dieses Kind schien zu wissen, was es hier tat. Alina schlug die schweren Decken über dem kleinen Körper zurück und spürte erst jetzt die große Hitze, die von ihm ausging. Es blieb nicht mehr sehr viel Zeit, das wusste sie jetzt. Samara wollte protestieren, aber ihre Mutter hielt sie zurück.
„Lass sie, mein Kind, vielleicht kann sie ihr jetzt noch helfen.“ Und beide Frauen schauten verwundert zu, als Alina die kleinen, pummeligen Beine des Mädchens, eines nach dem anderen in die feuchten, kalten Tücher einschlug. Die dicken Decken warf sie kurzerhand neben das Bett und Sonja verstand auch ohne Worte, was dies bedeuten sollte. Alina bemerkte neben dem Bett eine Schale mit einer trüben Flüssigkeit, hob diese hoch, schnupperte kurz daran um den Inhalt dann angeekelt wegzuschütten. Auch diese Botschaft war für Sonja mehr als nur deutlich. Als Alina sie dann fragend anblickte und ihr die jetzt leere Schüssel hinhielt, glaubte sie auch das zu verstehen.
„Alles was du brauchst, findest du hinter der Küche in der kleinen Kräuter-Kammer,“ sagte Sonja nicht ohne Hoffnung in ihrer Stimme, „wir werden hier auf die warten, bitte, beeile dich.“
Und Alina beeilte sich, lief schnell und ohne zögern zu Kammer, und begann dort die Inhalte der Säcke, Tiegel und Töpfe zu untersuchen, bis sie schließlich fand, wonach sie suchte. Sie ging wieder in die Küche und begann unter den scharfen Augen der dort anwesenden älteren Frauen, rasch einen Sud gegen das Fieber zu kochen.
Später betrat sie wieder das Zimmer des kranken Kindes und wurde von Sonja und Samara schon erwartet. Doch diese waren nicht mehr allein, der Dragon, Raven und einige andere waren bei ihnen und blickten Alina erstaunt entgegen. Alina hielt einen Krug in ihrer Hand und reichte diesen jetzt an Sonja weiter, nahm die kleine Schüssel und füllte eine bestimmte Menge des Sudes dorthinein. Sonja bemaß die Menge sehr genau mit ihren Augen und blickte Alina danach fest an.
„Wie oft?“ Fragte sie diese nur und Alina hob eine Faust und zeigte mit der anderen Hand drei zarte Finger.
„Einmal am Tag drei Schalen, richtig?“ Fragte Sonja nur um sicher zu gehen und Alina nickte ihr lächelnd zu.
„Und die Tücher? Wechseln, wenn sie wieder warm sind?“ Und wieder nickte Alina, und freute sich sehr darüber, dass Sonja sie verstand. Dass diese große Frau einen solch scharfen Verstand besaß und ihr hierbei gänzlich traute.
„Gut, ich vertraue dir,“ sagte Sonja freundlich, „du bist vom anderen Volk und warum sollte nicht ihr Wissen in dir schlummern. Ich danke dir sehr.“ Und noch einmal umarmte sie Alina und drückte ihr einen festen Kuss auf die Stirn. Wenig später ließen Raven und sie die Familie allein. Obwohl Alina sich vorher noch davon überzeugte, das es Sassa schon ein wenig besser ging, sie nicht mehr ganz so glühend heiß war. Als sie später ihre Gemächer erreichten, lag vor der Tür ein kleiner Berg aus Kleidung, und als sie diesen Aufhoben und rein trugen, kamen Alina erst die Tränen.
Die Tage flossen dahin und langsam wurde es merklich immer wärmer.
Das Meer beruhigte sich von den Frühjahrsstürmen und alles um Avalla herum blühte jetzt langsam wieder auf. Die Tage der Stürme waren für alle immer sehr hart. Es gab zu dieser Zeit immer viel Streit und Zwietracht unter den Bewohnern und Raven und Alina verbrachten daher viel Zeit allein. Sie zogen fast täglich aus und erkundeten gemeinsam die Gegend rund um das Schloss. Dank ihrer neuen Kleidung fühlte Alina sich deutlich wohler und auch Raven spürte das zunehmend, wurde sie doch manchmal recht ausgelassen und tobte und alberte mit ihm in den Dünen oder am Strand herum. Beide waren jetzt sehr glücklich miteinander und auch die Schlossbewohner spürten dies und lächelten ihnen zu, wann immer sie ihnen angesichtig wurden. Alina haderte jetzt auch nicht mehr mit ihrem Schicksal, sondern fand sich damit ab. Raven stand immer hinter ihr, gab ihr das Gefühl, das sie ihrer doch großen Aufgabe gewachsen war, bestärkte sie und machte ihr immer neuen Mut. So begann sie jetzt, jeden Abend vor dem Schlafengehen alleine zu meditieren, um die Einsamen, die Gejagten und Vertriebenen zu sich nach Avalla zu rufen. Und nur zu dieser Stunde ließ Raven sie auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin allein. Tagsüber flogen sie oft weite Strecken hinaus, sammelten Rinden oder Kräuter auf dem Festland, oder jagten nach Fischen im Meer. Das war immer besonders lustig und machte beiden besonders viel Spaß, da Raven nur flog und Alina, die dabei ja immer unter ihm hing, die Fische schnell aus den Wellen packen musste. Das ging ziemlich oft daneben und beide wurden so immer sehr schnell nass dabei, aber es bereitete ihnen auch sehr viel vergnügen. So zogen die Tage im träumenden Schloss dahin und alle vergaßen darüber Karak oder die Gefahr durch die Menschen.
Der Tag war sehr warm und ruhig. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, aber es war bereits weit nach Mittag als Alina und Raven von einem ihrer Ausflüge nach Avalla heimkehrten und er, wie immer mit wildem Flügelschlag in mitten des Schlosshofes landete, und dabei die arbeitenden Frauen jedes Mal zutiefst erschreckte. Alina und er mussten wie jedes Mal sehr über das Gemecker derer lachen. Als er sie abgurtete lief ein kleines Mädchen mit lustig hüpfenden, kurzen blonden Locken über den Hof und sauste, geschickt die Anderen umkurvend, mit ausgestreckenten Armen auf Alina zu.
„Lina, Lina,“ rief die Kleine dabei immer wieder, und Alina wunderte sich jedes mal von neuem über Sassa. Und wie die Kleine es verstand, mit ihr, auch ganz ohne Worte, sprechen zu können. Die Kleine lief, was die kurzen Beinchen hergaben und jeder der sie sah, freute sich das es ihr wieder gut ging, sie wieder völlig gesund war.
„Lina,“ keuchte sie jetzt und flog in Alinas Arme, die sie jetzt hochhob und sich einmal, zweimal und noch einmal mit ihr im Kreis drehte. Sassa quietschte dabei fröhlich und schloss danach ihre kleinen, dicken Ärmchen um Alinas Hals. Raven sah den beiden mit glücklichem Blick zu und verstand jeden, der Sassa augenblicklich ins Herz schloss nur zu gut. Hatte die Kleine doch die Fähigkeit, jedem ins Herz zu schauen und alles Schlechte darin verblassen zu lassen. Sie hatte seiner kleinen Fee sogar einen Namen gegeben, und Lina schien auch ihr zu gefallen, vor allem wenn die Kleine den ganzen Tag lang diesen Namen plapperte.
Alina hielt sie auch weiterhin auf dem Arm als Sonja rasch zu ihnen kam.
„Sassa,“ sagte diese, übertrieben erbost, aber auch lachend, „du sollst doch nicht immer weglaufen, du Trollkind. Ach, du bist eine Qual.“ Damit nahm sie Alina die Kleine ab, die über die Worte ihrer Mutter aber nicht sonderlich beunruhigt war und Alina auch weiterhin fröhlich anlächelte.
„Bitte verzeiht, Raven, der Dragon möchte dich gern sprechen, und ich bräuchte in einer äußerst schwierigen Angelegenheit dringend Linas rat.“ Ihr grinst und Augenzwinkern sagte Raven alles und er verabschiedete sich übertrieben höflich und verbeugte sich noch grinsend vor ihnen.
„Meine Damen.“ Dann ging er lachend, aber nicht ohne noch dem Apfel auszuweichen, dem Sonja ihm ebenso lachend hinterherwarf, über den Hof ins Schloss. Raven betrat die große Halle wohlgelaunt, wurde aber, als er den Dragon und seine Söhne dort zusammensitzen und reden sah, etwas beunruhigt.
„Raven, endlich, komm mein Sohn und setzte dich zu uns, wir haben vielleicht schlechte Nachrichten für dich und deine Lina,“ sagte der Dragon ganz frei heraus und Ravens Unbehagen wuchs zusehends. Er blickte stumm in die Runde, konnte in ihren Gesichtern aber nichts ablesen. Der Dragon räusperte sich jetzt und