Freie Republik Lich - 2023. Stefan Koenig

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Freie Republik Lich - 2023 - Stefan Koenig


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habe ich das Gefühl, einen Beitrag hinzufügen zu sollen. Ist es nicht im Sinne unserer korrupten Selbstdarsteller, wenn man sie als Romanfiguren mit völlig neuen Identitäten ein anderes Leben, ein Leben in der Freien Republik Lich leben lässt? Ich habe mich dazu entschlossen, weil Personen der Zeitgeschichte es würdig sind, dass man sie über die Zeitgeschichte hinaus in immer neuen Märchen und in immer neuem Gewande weiterleben lässt.

      So lange die Lastwagenkolonnen an uns vorüberrauschen, wollen wir ihrer ewig gedenken. In meinem Bericht über damals – das Jahr 2023 –, spielen die Namen keine Rolle. Sie mögen austauschbar sein, so wie der Tod – man tauscht das Leben gegen ihn. Oder umgekehrt. Worum ich Sie bitten möchte: Räumen Sie gefälligst auf mit Vorurteilen gegen Zeitreisen. Wenn ich demnächst mein Zeitreisebüro in Lich eröffne, lade ich Sie zur großen Eröffnungsparty ein.

      Ischwör!

      Ihr Stefan Koenig

      Im Juli 2021

      Bitte vergessen Sie nicht,

      dass es sich bei dem vorliegenden Werk

      um eine frei erfundene Story handelt.

      Keine Angst also!

      Namen, die Ihnen vielleicht

      durchaus bekannt vorkommen mögen,

      gehören nicht zu real existierenden Personen.

      Jedenfalls gibt es sie so nicht, nicht so!

      Orte, Ereignisse und Romanfiguren

      sind allesamt Erfindungen.

      Nackte Illusionen.

      Faktische Fiktionen.

      Fiktive Fakten.

      Lich – gibt es diesen Ort wirklich?

      Ich bin mir in nichts mehr sicher.

      Stefan Koenig

       Freie Republik Lich

      Bericht über das Jahr 2023

      Dieses Buch widme ich all jenen Licher Bürgern,

      die sich nicht damit abfinden können,

      dass über ihre Interessen hinweg

      entschieden wurde

      Und natürlich widme ich es meinen treuen

      Leserinnen und Lesern, immer in der Hoffnung,

      dass sie noch gut schlafen können.

      Pegasus Bücher

      Wie alles war und wie alles begann

      Die Freie Republik Lich ist nicht mehr auffindbar. Es ist lange her, und insoweit ist der Hinweis auf das Jahr 2023 eventuell irreführend. Tatsächlich ist nun schon ein volles Jahrzehnt verstrichen, seit wir die Republik aufgelöst haben. Fast scheint es, als hätten gewisse Kreise ein Interesse daran gehabt, alle Erinnerung an sie zu eliminieren. So, als wäre unsere damalige demokratische Eigeninitiative, geleitet von ehrlichen und nichtkorrumpierten Bürgern, eine Art Krankheit, ein böser Virus gewesen, den man vollständig besiegen musste.

      Viele vermuten einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Logistikzentrum und seinen katastrophalen Nebenwirkungen. Es stimmt auch. Es stimmt absolut. Ich kann es bestätigen. Und doch war es komplizierter.

      Die Zeitumstände zwischen 2020 und 2023 waren sehr merkwürdig. Wenn man heute, aus dem Jahr 2033, mit einem Jahrzehnt Abstand, zurückblickt, erscheint vieles unglaublich und widersinnig. Aber es war so. Unglaublich widersinnig. Genau so war es. Die Corona-Pandemie hatte das Land zerrissen. Näheres möchte man fast nicht mehr ausführen, wenn man bedenkt, welch irrwitzige Ausmaße – und Anmaßungen – die Politik in jenen Tagen angenommen hatte. Jedenfalls hatten bürgerkriegsähnliche Zustände gedroht. Doch bevor es zum Äußersten kam, zerfiel die Bundesrepublik Deutschland im Herbst 2022 und es schälten sich drei neue staatliche Gebilde heraus. Wir in Lich befanden uns allerdings im Niemandsland, waren gewissermaßen die Vierte – aber unsichtbare – Republik jener Zeit.

      Bayern besetzte Baden-Württemberg sowie die südlichen Landesteile der Pfalz und Hessens. Sie nannten sich »Deutsche Südstaaten«. Söder war damals noch ein junger Mann von Mitte Fünfzig, wenn man bei dieser Art Politiker überhaupt jemals von »jung« sprechen konnte. Schon als zwanzigjähriger Jungpolitiker war er im Kopf so alt wie Helmut Kohl am Ende seiner politischen Weisheit im Jahr 1998, als ihn Angie stürzte. Aber egal. Jedenfalls war Söder der starke Mann der neu etablierten Südstaaten. Für die wirklich Jungen – die im Bunde mit mir der Freien Republik Lich auf die Beine halfen – war Söder natürlich ein uralter Mann. Ich selbst war bereits Ende Fünfzig.

      Der ehemalige bayrische Ministerpräsident ließ Hessen bis zu unserer Stadtgrenze und etwas darüber hinaus besetzen. Warum er gerade an unserer Grenze Halt machte, konnte man – jedenfalls offiziell – niemals restlos ermitteln. Wahrscheinlich hatte sein Generalstab gewürfelt, sagte man sich. Aber ich wusste es besser. Dazu später. Jedenfalls bildete die A45 auf der Linie Münzenberg – Berstadt die Südwestgrenze. Vom südwestlichen Besatzungsgebiet kommend, bildete die A5 – vom Gambacher Kreuz in nördlicher Richtung über Fernwald nach Reiskirchen verlaufend – den nordwestlichen Grenzverlauf. Berstadt und Hungen begrenzten unser Staatsgebiet im Süd-Osten.

      Im Nord-Osten hatte sich unter der Regie des alten Berlins der »Nordbund« gebildet. Sein Terrain berührte unsere hessische Heimat nur an der alten thüringischen Grenze im Osten des ehemaligen Hessen. Unsere Freie Republik Lich hingegen reichte im Osten von Villingen in nördlicher Richtung bis nach Laubach und Ettingshausen. Die beiden letztgenannten Ortschaften lagen zwar außerhalb unserer Staatsgrenze, aber es herrschte immerhin ein kontrollierter Grenzverkehr. Villingen hatte einen Sonderstatus, wovon Sie noch rechtzeitig erfahren werden. Von großer Bedeutung war unsere geheime Verbindung über Hattenrod zur Flugplatzsiedlung Ettinghausen, von der aus wir mit einem Flieger operieren konnten, was den rundum stationierten Besatzungsmächten glücklicher Weise eine Zeit lang entging.

      So also sah die Grenzziehung rund um unseren kleinen, aber freien Volksstaat aus. Einige mieden diesen Begriff und sagten dazu »Bürgerstaat« – aber fragen Sie sich bitte selbst: Worin liegt der Unterschied?

      Der große und mächtige »Westbund« war unter dem Düsseldorfer Kö-Regime unser unmittelbarer nordwestlicher Nachbar, ein »Nachbar der untergehenden Sonne«, wie unser neuer Bürgermeister, Arnold Aurora, zugleich Staatschef der Freien Republik Lich, die Westzone gelegentlich nannte. Dass wir so frei und unbehelligt agieren konnten, lag eindeutig daran, dass man uns bei der Aufteilung der Zonen einfach vergessen hatte. Wir bedeuteten für unsere angrenzenden Nachbarn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so etwas wie jenes bereits erwähnte Niemandsland. Ich kann auch erklären, wie das gekommen sein mag – aber nicht jetzt.

      Zwischen der Hauptstadt Lich und unseren Außengrenzen war unser Freistaat mit einer prächtigen Natur und lebenswichtiger Landwirtschaft gesegnet. Wir lebten im Herzen der Natur. Alles war bestens. Bis zu dem Tag, als jener blaugraue Monsterklotz aus dem Boden schoss, der mit Beginn des Jahres 2021 alles schrill zerstörte. Ihn anfangs zu verhindern, dann zu beseitigen, waren wir bereits zwei Jahre zuvor angetreten.

      Unser schönes Lich lag nicht nur im Herzen der Natur, es war vielmehr das Herz selbst, pulsierte für Tourismus und Kultur und produzierte vorwiegend Naturprodukte. Und es hatte eine engagierte Jugend hervorgebracht. Landrebellen.

      Apropos »im Herzen der Natur« – der Freund meines Bruders und mein Bruder selbst, beide zehn Jahre älter als ich, hatten für das Licher Bier den Werbespruch »Aus dem Herzen der Natur« geprägt, inklusive eines lieblichen Gezwitschers des blau-gelben Eisvogels. Rudi Schreiber und mein Bruder Günter waren dem idyllischen Lich mit Leib und Seele verbunden, auch wenn sie fernab in der Rhein-Main-Metropole der späteren Südstaaten wohnten. Und so vermarkteten


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