Dorin, der Erdwichtel. Stefan Wichmann

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Dorin, der Erdwichtel - Stefan Wichmann


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       „Zuviel davon macht aber müde“, doch er winkte nur ab.

       „Das hätte ich nicht erwartet. Ich dachte, er schimpft und verbietet mir weiterzusprechen, der alte Narr.“ Sunny’s Blick löste sich von dem alten Mann.

       „Oma, das ist unser Schamane“, rief sie etwas verstört.

       „Ich habe auch Lebenserfahrung“, sagte ihre Oma. Sunny war verwirrt. So kannte sie ihre Oma nicht. Aus irgendeinem Grund war diese nicht gut zu sprechen auf Lenguja.

       „Ach Sunny. Seit Jahren höre ich seine Worte. Sicherlich hat sein Hinweis mit dem Tee seinen Sinn. Schau ihn dir an. Er ist selten krank, obwohl er nur seine grünen Blätter isst und nichts trinkt, außer natürlich seinen Tee.“ Leise lachte sie und zeigte dabei ihre grauen Zahnstummel.

       „Aber seine Macht schwindet und er unternimmt nichts. Er benutzt die Anderen, um seine Ziele zu erreichen. Schon lange hat er keine große Tat mehr vollbracht!“ Sie verstummte und hing ihren Gedanken nach.

       „Er war mal ein staatlicher Wichtel“, sagte sie und ihre Stimme klang fast ein wenig traurig. Zögernd schüttelte sie den Kopf.

       „Ich wüsste zu gern, was er im Schilde führt.“

      Sunny fiel der Stein wieder ein, doch bevor sie etwas sagen konnte, nickte ihre Oma schon und sagte: „Ja, ja, der Stein.“

      Liebevoll schaute sie Sunny an.

       „Er führt zu dem Volk, das in dem hellen Licht lebt und dass noch immer Verrat und Tod und Krieg übt. Sie essen sogar Tiere!“

       Sunny wurde schlecht.

       „Igitt“, rief sie.

      Eine Frau, die eilig an Ihnen vorbeilief, schaute kurz herüber.

       „Wo liegt denn dieser Stein?“, würgte Sunny schnell hervor.

       „Erzähl ihr nicht zu viel“, rief Lenguja zu ihnen und trat heran.

       „Das könnte alles zunichtemachen!“

       Ärgerlich schüttelte die Oma den Kopf und stand mühsam auf.

       „Das meine ich. Von dir erfährt man nichts und weitergeben soll man auch nichts. So gehen die alten Geschichten verloren!“

       Sie blickte düster in Lenguja’s Augen und öffnete den Mund.

       „Pssst“, machte Lenguja leise und sie schloss den Mund wieder.

      Mit einem vernichtenden Blick zu Lenguja machte sie sich auf den Rückweg. Sunny blieb verwirrt stehen, dann aber beeilte sie sich, ihre Oma einzuholen, um noch ein wenig zu erfahren. Doch viel konnte sie nicht mehr in Erfahrung bringen.

      Unterdessen trugen viele auf dem Marktplatz ein großes Lagerfeuer zusammen. Die Wichtel tuschelten über eine Vorstellung, die am Abend stattfinden sollte. Sunny war gespannt. Sie wusste, dass jedes Stammesmitglied am Lagerfeuer die Gelegenheit hatte, andere an einem eigenen Erfolg teilhaben zu lassen. Manche dichteten ein neues Lied und stellten es den anderen vor, oder hatten gelernt ein Instrument zu spielen. Wer sich zutraute sein Können einzubringen, durfte dies tun und lief nicht Gefahr ausgelacht zu werden. Das Lagerfeuer bot jedem die Gelegenheit, den Stamm an der eigenen Freude teilhaben zu lassen. Jeder hörte einem geduldig zu und freute sich mit dem Stammesmitglied, doch wer wollte heute Abend von seiner neuen Kunst berichten?

      Als Sunny die Vorbereitungen zu dem Lagerfeuer sah, vergaß sie in der Aufregung ihre weiteren Fragen nach dem Stein. Ihre Mutter schaute auf, als beide in das Wichtelhaus eintraten.

       „Mama! Heute Abend berichtet jemand am Lagerfeuer! Darf ich aufbleiben und zuhören?“

      Ihre Augen flehten ihre Mutter Sorbi an und als diese nickte, warf sich Sunny in ihre Arme.

       „Danke.“

      Sie half beim Zusammenräumen der Felle und beim Aufhäufen der Strohballen, die als Bett dienten. Als endlich die Nacht hereinbrach, gingen sie los zum Marktplatz.

      Das Feuer brannte meterhoch und viele hatten sich gesammelt. Sie redeten durcheinander und Sunny’s Augen suchten nach Skalli und Dorin. Als sie entdeckte, dass Dorin gerade von einigen Alten verscheucht wurde, lächelte sie. Wahrscheinlich hatten sie ihn beim Lauschen erwischt.

       „Hallo Dorin, bringst du wieder Geheimnisse in Erfahrung?“

      Dorin kam zu ihr herübergelaufen.

       „Ja, ähm, hat dir Skalli das also doch noch erzählt“, rief er auf einmal sehr fröhlich.

       „Was soll Skalli mir erzählt haben?“, fragte sie etwas irritiert und setzte sich auf einen Baumstamm dicht vor dem Lagerfeuer. Dorin hatte schon ganz dicht neben ihr Platz genommen und murmelte

       „Ach nichts.“

      Er stieß Sunny an, deutete auf einen Kobold, der einen kleinen Eimer trug und den sandigen Inhalt in das Feuer kippte, um es zu löschen. Doch es war schon zu groß, um von dem Sandhäufchen gelöscht zu werden. Der Kobold hüpfte vor Wut auf dem Eimer herum, besann sich und holte einen neuen, größeren Eimer. Diesmal war er mit Wasser gefüllt. Es schwappte immer wieder über den Rand und als der erschöpfte Kobold endlich am Feuer ankam, war er patschnass.

       „Ist der nicht lustig, der kleine Kobold?“, fragte Sunny.

       „Ja, dem geht alles daneben!“

      Sie lachte: „Weißt du eigentlich woher die Kobolde kommen?“

      Als Dorin den Kopf schüttelte, erklärte sie mit ihrer lieblichen, noch zarten Stimme: „Kobolde zu dessen Geschlecht auch schadenfrohe Berggeister, Feldgeister und Waldgeister gehören, leben in Wäldern und geistern zuweilen auch als Irrlichte durch den Wald. Allen ist gemein, dass sie sich freuen, Furcht zu verbreiten oder andere zu ärgern!“

      Dorin sah sie ratlos an: „Wie sollen sie zu Irrlichtern werden, wenn sie doch Waldgeister sind?“

       „Grauenhaft tückische Wassergeister gibt es auch. Alles Kobolde!“. Sie strahlte ihn an: „Aber wenn man schläft, lassen sie einen in Ruhe.“

      Er lachte: „Du meinst tatsächlich, wenn man einem Unhold gegenübersteht, braucht man nur so tun, als schliefe man und er lässt einen in Ruhe?“

      Sunny guckte ihn ernst an: „Ich ziehe mir auch die Bettdecke über den Kopf.“

      Dorin lächelte.

       „Ich würde mich ihm in den Weg stellen und zeigen, dass ich kämpfen werde. Egal, ob ich verliere, ich hätte es wenigstens versucht.“

      Sunny sah auf den Boden. Sie überlegte.

       „Wenn ich das von der anderen Seite her betrachte, von Gott ...“, ihr versagte fast die Stimme vor Angst von Dorin ausgelacht zu werden, weil sie Gott ins Spiel brachte. Tapfer riss sie sich zusammen und beendet ihren Satz.

       „Meinst du, er hilft eher denen die Angst haben oder denen, die sowieso schon stark sind?“

      Forschend sah sie in Dorin’s Gesicht. Er lachte sie nicht aus, er lächelte nicht einmal mehr. Nachdenklich schaute er sie an und wählte seine Worte mit Bedacht:

       „Ich glaube selbst die, die stark scheinen, tun oft nur so.“

      So saßen sie einige Zeit nebeneinander und beobachteten die Funken, die langsam in die Luft und dann in den Nachhimmel aufstoben. Der Kobold kam wieder angelaufen. Er hielt einen größeren Eimer ihn der Hand.

       „Da!“

      Sunny stieß Dorin an. Mit offenen Mündern sahen sie, wie Lenguja eine Prise irgendeiner Substanz in den Eimer träufelte. Er entfernte sich schnell. Der Kobold hatte es nicht bemerkt. Er stemmte zitternd vor Anstrengung den Eimer hoch und kippte den Inhalt in das Feuer. Eine Stichflamme stieg in die Luft und er zuckte erschrocken zurück. Dorin lachte, aber Sunny tat der kleine Kobold leid.

       „Lenguja spielt Streiche?“, wunderte sich Sunny.

      Sie erinnerte sich daran, dass er ihr entgegengekommen war, als sie morgens die Jungen mit Nieswurz zum Niesen bringen


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