Dorin, der Erdwichtel. Stefan Wichmann

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Dorin, der Erdwichtel - Stefan Wichmann


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vor lauter Ekel Pickel bekommen hat?“

       „Du bist gemein, Dorin!“

      Sie rutschte vom Baumstamm und drängte sich zwischen andere Wichtel, sodass er nicht folgen konnte.

       „Was habe ich denn gesagt?“, rief er hinter ihr her, doch sie reagierte nicht. Die Hitze des Feuers wurde immer größer und einige suchten sich einen anderen Platz, oder drehten die kräftigen Rücken zum Feuer. Skalli stieß ihn in den Rücken und setzte sich neben ihn. Beide rammten sich freundschaftlich die Ellbogen in die Seite und starrten Sunny hinterher. Sie drehte sich um, sah beide nebeneinandersitzen und kam zurück.

       „Ich habe dich gerade gesucht“, rief sie fröhlich.

      Lächelnd ließ sie sich neben Skalli plumpsen. Alle drei schauten unverdrossen in das Feuer, bis ihre Gesichter von der Hitze ganz heiß und rot waren.

       „Puh, ich kann nicht mehr“, rief Sunny.

      Dorin ärgerte sich, dass ihm nichts zum Erzählen einfiel und setzte wieder sein finsteres Gesicht auf.

       „Dorin?“, lächelte Sunny.

       „Was machst du immer für ein ernstes Gesicht?“

      Doch er zuckte nur die Schultern. Ihm wollte einfach nichts Gescheites einfallen.

       „Ich liebe die Geschichten am Lagerfeuer“, rief Sunny glücklich. Beide beobachteten sie von der Seite.

       „Und ich liebe die Geschichten der Alten“, sagte Dorin endlich.

       „Sie erzählen immer gegenseitig alte, geheime Begebenheiten, voller Gefahren und Mystik.“

      Dorin war froh endlich ein Thema gefunden zu haben und wollte gerade genauestens von seinen nächtlichen Wanderungen berichten, als ein Mann aufstand und einen brennenden Ast aus dem Feuer nahm.

       „Pscht! Es geht los“, raunte Sunny, als der Mann den brennenden Ast hochhielt. Die Gespräche verstummten und endlich erkannte Sunny auch die Gestalt, die von etwas berichten wollte.

       „Hagahn.“

      Sie murmelte den Namen fast ehrfürchtig, während seine kräftige Stimme über den Platz scholl.

       „Lange schon habe ich die Sterne beobachtet. Ich habe den Wind betrachtet und das Zerren des Windgottes an unseren Fellen.“ Langsam bückte er sich und nahm ein Blatt vom Boden auf.

       „Dieses Blatt habe ich getrocknet.“ Er nahm ein anderes Blatt auf.

       „Ein anderes Blatt, aber noch frisch gepflückt!“

      Nun hielt er beide Blätter in den Händen. Mit einer schnellen Bewegung warf er beide in die Luft. Das Getrocknete stob durch die Wärme des Feuers in die Luft, während das Andere schwerfällig hinunterfiel und von den Flammen verschlungen wurde.

       „Dies habe ich entdeckt.“

      Er schaute in die Runde. Die Gesichter der Frauen und Kinder, der Alten und der Krieger zeigten keine Regung.

       „Ich weiß, ihr habt euch etwas Großes vorgestellt, wenn ich ein Lagerfeuer entzünden lasse! Manch einer wird sich an das Spiel der Frau Gnus erinnern, die uns erfreute, als sie eine schöne Melodie auf ihren Musikstöcken hervorbringen konnte.“

      Erneut schaute er in die Runde.

      Ja, es stimmte. Sunny war enttäuscht über die Darbietung, aber es schickte sich nicht dies zu zeigen. Jeder, der am Lagerfeuer etwas den anderen zeigen wollte, war stolz darauf und hatte das recht sich mitzuteilen. Es wurde geachtet, denn es war ein Erfolg desjenigen, der sprach. Oftmals war es ein rein persönlicher Erfolg, der für die anderen nur von wenig nutzen war. Die Stimme Hagahn‘s riss sie aus ihren Gedanken.

       „Wie ein Blatt, so kann auch Stoff durch den Wind getragen werden! Er riss ein Stück dünnen Stoffes von seinem Hemd ab und warf es hoch. Die Hitze des Lagerfeuers erfasst den Stoff und trug ihn ein Stück weiter in die Höhe. Wie ein Stoff, so könnte auch ein Wichtel, vielleicht sogar ein Zwerg durch den Wind getragen werden, wenn der Wind stark genug ist und warm!“

      Wieder machte er eine Pause und nochmals schaute er in die Runde. Er blickte in nachdenkliche Gesichter, nickte und setzte sich. Sunny ließ den Mund offen stehen. Hagahn hatte etwas entdeckt und sich Gedanken darüber gemacht. Er erzählte nichts zu seiner Ehre, sondern teilte sein Wissen, um vielleicht einem anderen Wichtel den Erfolg zu gönnen, seine Entdeckung zu nutzen. Sie blickte sich um. Hagahn hatte sich gerade wieder einmal Respekt erworben. Nicht mit einer großen Tat. Und doch hatte er sein Ansehen gestärkt und würde Ruhm davontragen. Leise begann eine Frau zu summen und der Stamm der Wichtel von der Veste Coburg saß um das Lagerfeuer. Ein jeder wärmte sich den Körper und freute sich am miteinander. Als die Kinder in ihre Betten gingen, war es bereits finstere Nacht.

      Bereits am nächsten Tag liefen die drei kleinen Wichtel vergnügt durch den Wald. Sie stießen mit ihren Füßen immer wieder eine Schweinsblase an, von einem Schwein, das an Altersschwäche gestorben war. Holpernd kollerte das Ding den Weg entlang und wurde schließlich von Sunny in ein Gebüsch geschossen.

       „Endlich sind wir da“, rief sie und ließ sich auf den Boden fallen. Skalli schaute sich um.

       „Was ist an diesem Ort so Besonderes?“, fragte er, doch Dorin wusste die Antwort.

       „Sie meint den Stein dort.“ Er zeigte auf einen Felsblock, der einzeln am Wegesrand lag.

       „Der letzte Durchgangsstein in das verbotene Land, den es noch gibt“, raunte er. Schon früher hatte er einmal davon gehört, doch die Erwachsenen hatten sofort geschwiegen, als sie merkten, dass er in der Nähe war. Es war ein zu großes Geheimnis! Und bisher war niemand bereit gewesen zu erzählen, was es mit diesem Stein auf sich hatte, zumal Lenguja es verboten hatte darüber zu reden. Es hieß immer nur, dass sie sich von gefährlichen Orten fernhalten sollten.

       „Gefährlich“, rief Dorin und ließ seine langen, beharrten Hände dabei zittern. Dann sprang er auf und ging zu dem Stein hinüber. Sunny war es unheimlich.

       „Sei vorsichtig“, rief sie, doch auch ihr war die Neugier anzusehen.

       „Meine Oma sagte, der Stein birgt ein Geheimnis, das nur Erwachsene lüften dürfen! Eine helle Welt ist hinter dem Stein zu finden und ein anderes Volk. Dann hatte sie mit den Augen gerollt und Lenguja, der gerade an uns vorbeiging, als wir auf dem Baumstamm am Markt saßen, hatte ‚PSSST‘ zu ihr gemacht! Danach ärgerte sie sich eigentlich nur noch über Lenguja. Vielleicht hat sie wegen Lenguja lieber geschwiegen, aber eines hat sie noch gesagt. Sie sagte noch etwas von Feuer in tiefstem Innern. Das habe ich aber nicht richtig verstanden.“ Sunny zuckte die Schultern. Die Drei standen um den Stein herum und schauten vorsichtig, ob er irgendwie verdächtig wäre.

       „Bist du sicher, dass es der richtige Stein ist?“, fragte Dorin schließlich.

       „Natürlich ist sie das“, rief Skalli. Seine Ohren wurden wieder einmal feuerrot und Dorin griente ihn spöttisch an. Dann betastete er den Stein und versuchte ihn anzuheben. Skalli sprang hinzu und half ihm dabei, während Sunny einen Schritt zurückwich und den beiden zusah. Sie fand es immer süß, wenn Skalli rote Ohren bekam und lächelte. Dann lief auch sie zu dem Stein, hockte sich neben diesen und versuchte, ihre Hand unter ihn zu schieben. Während die beiden Wichteljungen vor Anstrengung rote Köpfe bekamen, schob Sunny ihre Hand weit unter den Stein. Darunter war es leer. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück.

       „Eine Elfe“, rief sie. „Hier müssen Elfen wohnen! Es fühlt sich an, als ob der Raum unter dem Stein leer ist!“ Skalli überlegte.

       „Wenn du so ein Gefühl hast, als ob dich etwas streift, oder wenn du meinst etwas aus den Augenwinkeln heraus zu sehen, dann ist es eine Elfe. Aber ein Hohlraum, in den deine Hand passt, kann auch etwas anderes sein!“

      Dorin lief los, um einen großen Ast zu holen.

       „Ich habe eine Idee!“, rief er.

       „Lasst uns warten!“, rief Sunny. „Ich möchte nicht von verärgerten Elfen angegriffen werden! Ihr wisst, wie zickig und grantig die werden können!“ Dorin ignorierte sie.

      


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