Der dunkle König. Eckhard Lange

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Der dunkle König - Eckhard Lange


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      Eckhard Lange

      Der dunkle König

      Eine Roman-Collage über König Saul

      Dieses ebook wurde erstellt bei

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       ERSTES KAPITEL: DAS ENDE

       ZWEITES KAPITEL: DER GEIST JAHWES

       DRITTES KAPITEL: DIE PLÄNE DES KÖNIGS

       VIERTES KAPITEL: DAS OPFER DES KÖNIGS

       FÜNFTES KAPITEL: DER SIEG DES KÖNIGS

       SECHSTES KAPITEL: DER BANN ÜBER AMALEK

       SIEBENTES KAPITEL: DIE KRANKHEIT

       ACHTES KAPITEL: DER ZWEIKAMPF

       NEUNTES KAPITEL: DER VERRAT

       ZEHNTES KAPITEL: DIE FLUCHT

       ELFTES KAPITEL: DIE WÜSTE

       ZWÖLTES KAPITEL: DIE NACHRICHT

       DREIZEHNTES KAPITEL: DER UNTERGANG

       Impressum neobooks

      ERSTES KAPITEL: DAS ENDE

      I

      Die Königshalle: Dunkles, haarlos gegerbtes, miteinander verwobenes, vernähtes, verzahntes Ziegenleder, ausgespreizt an Zeltstangen, mit Seilen verankert im steinigen Boden, Schutz vor der gleißenden Glut der Sonnenstrahlen, Schutz auch vor dem Wind, der den Sand der Wüste von fern herantreibt, die Sonne verdunkelnd, den Gaumen austrocknend urplötzlich das Land überfällt: das Zelt der Nomaden, rasch errichtet und wieder abgebaut, auf Wanderschaft bedacht, auf unstetes Sein, wechselndes Dasein, dem immer Neuen, Anderen unterworfen.

      Darin der Thron: Ein Hocker nur mit klappbarem Gestell aus hartem Olivenholz, braungewittert, das Leder zerkratzt, zerfaltet, zerfurcht. Auch er ohne Gründung, ohne Dauer, aufgeschlagen wie zur Rast auf der Flucht. Dort sitzt er: der König. Die Rechte hat er schützend vor die Augen gelegt, obwohl Dämmerung herrscht unter dem ledernen Dach; die Linke stützt sich gegen die heilige Lanze, das Zeichen seiner Würde, seines Heerführertums.

      Er hat die Augen geschlossen hinter den zusammengepreßten Fingern, denn er wünscht sich nichts sehnlicher als Dunkelheit um sich her wie in mondloser Wüstennacht, dunkel wie das gebrochene Auge des erlegten Widders - jene Dunkelheit, die auch in ihm ist, wieder und wieder und auch jetzt, wo doch Klarheit gefordert ist und Entschlußkraft und umsichtiges Führen der Truppen. Dort, in der Dunkelheit, sieht er es - klar und doch wider Willen, erkennt er die Bilder des kommenden Tages, als hätte jener sich schon zur Nacht geneigt.

      Er schaut das Schlachtengewirr, erkennt die schwirrenden Pfeile, die herabsausenden Schwerter, er hört das Geschrei der Kämpfenden, das Stöhnen der Verwundeten, das Seufzen der Sterbenden. Und er schaut, was kommen wird: das Ende, den Untergang seines Heeres, die Flucht der Männer, die er zum Sieg führen sollte.

      Er sieht sich selbst: umringt von Feinden, die die Räder seines Streitwagens hemmen, das Pferd zu Fall gebracht haben; er spürt den Haß, der ihn anweht aus ihrem Atem, ansprüht aus ihren Blicken, eingebettet ist in den Fäusten, die den Schwertgriff umklammern.

      Ja, er weiß es, weiß es schon jetzt: Er wird das Volk ins Verderben führen, die Männer und sich selbst dem Tod anheimgeben - er, der einst von Gott Gerufene und nun so furchtbar endgültig von Gott Verlassene. Und die Philister werden Freudengesänge anstimmen zu Ehren der Baalim. Sie werden sagen: Unsere Götter haben uns den Sieg geschenkt über Israel und seinen Gott Jahwe, der sein Volk nicht schätzen konnte. So reden Sieger. Aber sie haben Unrecht. Jahwe, Herr der Heerscharen, ist und bleibt auch Herr dieser Schlacht, aber er wird gegen sein Volk entscheiden um seines Königs willen. Denn des Königs Schuld wird es sein, daß Israel erneut in Knechtschaft gerät, aus der er sie doch einst befreit hat. Seine Schuld ist diese Dunkelheit, die ihn tatenlos macht, die wie schwarzer Nebel sich über ihn breitet und alles verschwimmen läßt, die sein Herz einengt und seinen Willen lähmt.

      Seine Schuld? Hat er nicht alles getan, was Verstand und Gewissen ihn lehrten? Hat er sich nicht zwingen lassen in dieses Amt, das er nicht gewollt? Ja, hat nicht Gott ihn einst überwältigt, jene geheimnisvolle Gewalt ihn ergriffen - ihn, den Ahnungslosen, den Arglosen, der nur seinen Acker bestellte und seine Gaben darbrachte nach Väterart? Und hat dieser Gott ihn nicht dann alleingelassen mit seinem Auftrag, bis er ihn in jene Dunkelheit stürzte, diese Einsamkeit, diese Weglosigkeit auf ihn lud, gnadenlos, erbarmungslos?

      Nein, nicht er hat Gott verraten, sondern Gott ihn. Doch sei es dies oder das andere - es machte ihn hilflos und machtlos und lieferte ihn der Dunkelheit aus, die nun sein Leben bestimmte. Und sie hatten ihn alle verlassen wie einen Gezeichneten, wie einen, den der Aussatz befallen - der Seher und der jugendliche Freund, und dann auch der eigene Sohn, der nun mit ihm sterben würde. Sie wollten nicht teilhaben an seiner einsamen Dunkelheit, seiner dunklen Einsamkeit, seiner Gottverlassenheit. Er hat es ganz allein tragen müssen wie ein Kainsmal, wie eine nimmerschließende Wunde, und zuletzt hat das Leiden ihn süchtig gemacht nach dieser furchtbaren Dunkelheit in ihm, ohne die er nicht mehr leben konnte. Ja, komm, süßer Vogel Traurigkeit, breite deine schwarzen Schwermutsschwingen aus, überschatte mich. Schuld, Schuld ist es, sagen sie alle. Schuld ist es, sagte schließlich auch er selbst - gegen sein Wissen, das sich verloren hatte in diesen Schatten.

      Und so werden sie von ihm erzählen, später, an den Feuerstätten der Hirten, in den Toren der Städte, so werden es die Kanzlisten schreiben und die Chronisten verkünden, wenn der andere König sein wird, der Strahlendhelle, der Gotterwählte, dem seine Schuld nicht zugerechnet wird in ihren Berichten und sein Verrat. Er wird den Vorgänger auslöschen im Gedächtnis des Volkes, wird ihn brandmarken und die Dunkelheit zeitlos machen, die seinen Namen umgibt: Saul, der verlorene, der dunkle König, der nicht würdig war und zum Zeichen wurde für einen Gott, der erwählt und verwirft, der grausam ist und doch der Einzige, der Licht und Schatten verteilt und ihm - ihm allein nur den Schatten ließ.

      Auch das sah der König in dieser Stunde, klarer als je zuvor, und er sagte Ja zu allem, weil es seine Trauer ins Unermeßliche steigerte und weil diese Trauer das einzige war, was ihm blieb - sein ganzes Ich, so zärtlich-grausam eingehüllt in das Dunkle. War also Dunkelheit das einzig Wirkliche, war Helligkeit nicht nur Einbildung, Phantom, wesenlos? Gott selbst ist allein das Dunkle, und wer in diesen Abgrund stürzt, in Trauer versinkt, in Nacht sich verirrt - ist nicht er allein Gott nahe?

      II

      Der König fröstelte, er raffte den Mantel zusammen. Die Zelttür wurde aufgeschlagen, Abner trat ein, der Heerbannführer, blieb einen Augenblick stehen - nicht aus Ehrfurcht, sondern weil sein sonnengewohnter Blick sich


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