Der dunkle König. Eckhard Lange

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Der dunkle König - Eckhard Lange


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stinkend gemacht bei den Philistern. Saul wußte: Nun mußte er handeln, und er mußte rasch handeln, ehe die Städte sich zusammenschlossen gegen Israel.

       Kriegstagebuch Sauls, aufgezeichnet von seinem Schreiber Ahasja in Gibea

       Im dritten Jahr des Königtums überfiel Prinz Jonathan ohne Befehl des Königs die Garnison der Philister in Gibea und tötete die überraschte Besatzung. Als der König Isch-Achon von Ekron danach ein Heer zusammenstellte, rief Saul kraft seines Amtes die Stämme Benjamin und Ephraim zu den Waffen und versammelte den gesamten Heerbann am Heiligtum von Gilgal, um die vorgeschriebenen Opfer vor dem Kampf vollziehen zu lassen. Während die Männer Israels dort vergeblich auf den Seher Samuel warteten, schlugen die Truppen Isch-Achons ihr Lager nördlich von Michmas auf und verbreiteten durch Überfälle und Plünderungen Angst und Schrecken unter der Bevölkerung. Daraufhin sah sich der König gezwungen, das Opfer selbst zu vollziehen, und führte die Truppen nach Geba, das jenseits es des Wadi Es-Weni Michmas gegenüber liegt.

      II.

      Das Heer, das König Saul aufgeboten hatte aus allen Stämmen Israels, versammelte sich in Gilgal, der großen Opferstätte, um sich zu heiligen und zu rüsten für den Kampf gegen die Philister. Samuel, der Seher aber hatte sich verborgen aus Angst vor den Feinden. So war niemand da, der das Opfer vollziehen konnte und den Herrn, den Gott Israels, anrufen konnte. Vergebens hatte man nach dem Seher geschickt, und die Zeit verrann.

      Da trat Abner, Sauls Vetter und Führer des Heerbanns, in das Zelt des Prinzen Jonathan: "Wir können nicht länger warten. Jede Stunde, die nutzlos verrinnt, kostet uns ein Stück des Sieges."

      "Ich weiß, Onkel," antwortete Sauls Sohn. "Ich leide wie du. Schließlich habe ich die Philister provoziert, mit meinen Männern die Besatzung von Gibea überfallen und getötet. Da waren wir im Vorteil, denn es dauert seine Zeit, bis ihre Könige sich einigen und ihre Truppen zusammenziehen. Groß sind die Gegensätze zwischen den Fürsten dort, und noch sehen sich die Städte im Süden und im Norden nicht bedroht. Es war der Plan des Vaters, anzugreifen, ehe die Koalition der Philister steht. Nur so kann uns ein Sieg gelingen: Wir müssen sie einzeln schlagen, müssen sie in die Berge locken, die unseren Männern vertraut sind und die sie hindern, in breiter Schlachtordnung aufzuziehen. Noch stehen die meisten ihrer Kampfwagen weit entfernt am Fuße der Berge. Noch ist die Zahl der Feinde gering, noch kann uns der Sieg gelingen."

      "Ich weiß." Abner nickte, dann schlug er wütend mit der Faust gegen sein Kurzschwert, das ihm vom Gürtel hing. "Aber die Zeit spielt gegen uns. Unsere Männer sind schlecht bewaffnet, zu Hause wartet bei den meisten noch die Ernte auf ihre Arbeitskraft. Und die Gerüchte machen die Philister in ihren Augen größer und stärker mit jedem Tag. Angst läuft um im Lager, und stündlich schleichen sich ganze Gruppen davon. Ich kann sie nicht hindern. Frei ist jeder, dem Heerbann zu folgen - frei, solange nicht Jahwe selbst durch Opferschau und Seherspruch zum Kampf ruft. Was uns Kraft schenken soll, was uns ermutigen und begeistern soll, es wendet sich nun gegen uns."

      Jonathan trat an die Tür des Zeltes und blickte hinaus. Er sah die Feuer brennen, von den Männern umlagert, hörte das Murmeln und Reden - verhalten klang es, und wie es schien, auch furchtsam und voller Sorgen. "Ich habe mit dem König gesprochen. Ich habe den Vater gewarnt vor den Folgen. Wir müssen handeln, die Männer halten, zusammenschweißen, wir müssen ihnen ihren Glauben zurückgeben an Jahwes Stärke. Aber Saul zögert. Er ist König, nicht Priester, nicht Seher. Es ist nicht sein Amt zu opfern."

      "Er ist König." Abner sagte es mit bitterem Nachdruck. "Und es ist Krieg. Wenn die Vertreter des Glaubens nicht handeln, wenn sie sich feige verkriechen, dann sind die Sitten, die alten Ordnungen nichts mehr wert. Dann muß der König handeln, selber Glauben wecken, neue Sitten bestimmen, eine neue Ordnung schaffen. Dann ist der Herrscher gefragt, Verantwortung zu tragen für das Wohl des Volkes - für seine Freiheit, für den Kampfgeist und die Siegesgewißheit der Männer."

      "Vater weiß das längst, weiß das alles. Aber er möchte den Konflikt vermeiden mit den starken Kräften des alten, vertrauten, überlieferten Glaubens. Er hat längst die Opfertiere bereitgestellt, den Altar aufgerichtet. Doch noch zögert er vor dem letzten, entscheidenden Schritt. Noch zögert er, den Mann zu verletzen, der ihn zum König gesalbt hat im Namen Jahwes."

      "Die Philister aber zögern nicht, und das wird uns zum Verhängnis werden," entgegnete der Heerführer. "Sprich noch einmal mit deinem Vater, Jonathan, dränge ihn. Er muß den Kampf beginnen, ehe die letzten unserer Männer mutlos davongegangen sind. Er muß das Opfer selbst vollziehen, wenn Samuel nicht erscheint. Schließlich hat er den Tag selbst festgelegt, und siebenmal ist die Sonne untergegangen, ohne daß der Seher gekommen ist."

      Jonathan reichte dem Älteren die Hand: "Ich gehe zum König. Ich werde es versuchen. Ich weiß, er schätzt den Rat des Sohnes." Und so geschah es. Er trat in das Zelt Sauls, der ruhelos auf und ab schritt. Er grüßte und stand schweigend vor dem Vater, wartete auf dessen Zeichen zu reden, wie es die Sitte gebot.

      "Ich weiß, Jonathan, ich weiß, was du sagen willst." Der König unterbrach seine rastlose Wanderung zwischen den Wänden des Zeltes. "Und du hast recht." Er legte dem Sohn die Hand auf die Schulter und blickte ihn an. "Ich will das Alte nicht stürzen, und ich wollte Samuel nicht verletzen. Du kennst ihn, seinen Stolz, seine Empfindlichkeit. Und du kennst auch seine Argumente. Es ist nicht gut, in solcher Stunde der Gefahr Zwietracht zu säen im eigenen Volk. Ich wollte das Neue, das kommen muß, das unausweichlich die Stämme Israels verändern wird - ihren viel zu losen Zusammenhalt, ihre Abhängigkeit von den oft wirren Sprüchen der Priester, die unveränderbare Starrheit des Glaubens - ich wollte das alles ohne Hast, ohne Streit zustande bringen. Warum sonst hat Jahwe zugestimmt, daß Israel sich einen König wählt, wenn dieser König nicht handeln darf nach den Gesetzen der Logik?"

      "Und warum handelst du dann nicht, Vater?" Jonathan sagte es leise, um Saul nicht zu verletzen, aber der König hörte den Vorwurf in seiner Stimme und nickte. "Nicht immer ist es weise, übereilt zu handeln," antwortete er zögernd. Dann aber brach es aus ihm heraus: "Du kennst den Seher nicht. Ich ahne, nein, ich weiß, warum er zögert, hier zu erscheinen. Es ist nicht Furcht vor den Philistern, die ihm in den Weg treten könnten. Es ist die Angst um sein Amt, das ihn so lange Jahre zum Führer Israels bestimmt hat. Ich habe in sein Gesicht gesehen, als er den Ritus der Salbung vollzog - er tat es voller Widerwillen, ja voller Haß. Er rief den Segen und den Geist Jahwes auf mich herab, aber er betete um etwas anderes. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als daß ich versage, um selbst die Macht zurückzunehmen. Darum zögere ich. Wenn ich das Opfer selbst vollziehe, dann wird er die Kräfte des Alten sammeln. Dann steht König gegen Seher. Weißt du, wie dann die Stämme sich entscheiden, wem sie folgen? Und", die Stimme des Königs wurde heiser, "weiß ich selbst denn genau, ob nicht doch Jahwes Urteil aus seinem Munde spricht? Es ist so schwer, Sohn, gegen alles zu handeln, was unser Volk jahrhundertelang für wahr hielt: Die Weisungen der Priester, die Sprüche der Seher, die von der Zeit geheiligten Ordnungen Israels. Wer bin ich, daß ich das Neue bringen soll? Da ist keine innere Stimme in mir, kein Raunen Jahwes, da ist auch jener Geist nicht mehr verfügbar, der mich zum Kampf um Jabesch zwang. Da ist nur mein Denken, meine nüchterne Einsicht."

      "Und da ist dein Königtum, Vater! Deine Salbung. Ist das nicht auch Jahwes Ruf, Jahwes Weisung, Jahwes Gebot, als König zu handeln?" Saul schwieg, schwieg lange. Dann seufzte er auf und legte beide Arme um den Hals des Sohnes. "Ich muß es wagen, nicht um des Königtums, um des Volkes willen. Möge Jahwe uns gnädig sein." Und Saul ging hinaus, versammelte die Männer am Altar Jahwes, vollzog das Opfer und stärkte die Männer mit der Kraft Jahwes.

       Bericht Netanjahus

       Dies geschah an jenem Tage, als König Saul zum ersten Mal die ewigen Gesetze Jahwes, unseres wahren Königs, brach und sich und das Volk in Schuld stürzte, die niemand sühnen kann:

       Die Philister waren heraufgezogen aus dem Land an der Küste, Israel zu schlagen und ihm das Joch aufzulegen. Aber der Herr der Heerscharen würde streiten für sein Volk. So hatte Samuel gesprochen, und so war Ruhe geboten und Mut geweckt und Sieg verheißen. Jahwes Krieg wird sein, nicht von Menschenhand entschieden, nicht von Menschenverstand


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