Die Befreiung von der Geld- und Zinsherrschaft. Georg Blumenthal
Читать онлайн книгу.sich von der Urproduktion vor allem dadurch, dass sie „Ware“ hervorbringt, d. h. Produkte und Güter, die eigens für den Austausch und den Handel (also für den „Markt“) erzeugt werden, ihren Verfertigern selbst aber in der Regel nutzlos sind. Die Waren, welche durch die Arbeitsteilung hervorgebracht werden, dienen also den Produzenten nur als Mittel, um sich ihrerseits durch Austausch wiederum in den Besitz anderer Waren und Produkte zu setzen, die sie zum Leben gebrauchen, die sie selbst aber nicht herstellen können, weil ihnen entweder das Rohmaterial fehlt, oder die nötigen Kenntnisse für den betreffenden Produktionszweig mangeln und sie zudem in ihrem jeweiligen Spezialfach voll beschäftigt sind. Ebenso verlangt die Arbeitsteilung Teilarbeit und Leistungen, die denen, die sie tun, gleichfalls nichts nutzen können, sondern ebenfalls nur zur Erlangung all der verschiedenen Dinge dienen, die jeder einzelne für sich gebraucht.
Wir sehen also, dass die Arbeitsteilung vor allem auf der Austauschmöglichkeit all der unendlich verschiedenen Produkte, Waren und Leistungen beruht, dass aber alle diese Leistungen und Gegenleistungen nur mit Hilfe des Geldes ausgetauscht, nach Geld bemessen, mit Geld „bezahlt“ werden können. Die Geldsumme, die jeder für seine Teilarbeit, für seine Ware oder für seine Leistungen erhält, entscheidet wiederum zugleich darüber, wieviel er seinerseits nun auf dem Markt des Landes an Leistungen oder Produkten zu verlangen hat — also über „Mein und Dein“. Das Geld ist demnach nicht nur das unentbehrliche Tauschmittel, sondern, soweit es durch die Währung zugleich die Grenzen von Mein und Dein schützt, auch ein zuverlässiger Maßstab für die Güterverteilung auf der Grundlage des Privateigentums.
Ohne das Geld wäre es einfach unmöglich, die millionenfach verschiedenen Waren und Produkte, die bis ins kleinste gehende Teilarbeit, die teils unwägbaren und unmessbaren Leistungen untereinander abzuschätzen und miteinander auszutauschen. Wie wollen z. B. ohne Zuhilfenahme des Geldes ein Eisendreher, ein Bäcker, ein Landwirt, ein Postbote und ein Lehrer ihre Produkte und Leistungen untereinander wechselseitig austauschen? Eine kurze Überlegung wird jedem ohne weiteres die absolute Unentbehrlichkeit des Geldes zum Bewusstsein bringen.
Würde das Geld diese seine Aufgabe des Güteraustausches und zugleich die der Güterverteilung immer in befriedigender Weise erfüllen, so wäre es die vorzüglichste Einrichtung und über alle Kritik erhaben. Aber ebenso müssen sofort unheilvolle Folgen entstehen, wenn das Geld seine Funktionen nicht erfüllt, wenn, wie wir dies in zunehmendem Maße beobachtet haben, allerlei Störungen, unberechenbare Stockungen und Verschiebungen des Geldumlaufes eintreten. Die periodisch wiederkehrenden „Versteifungen“ des Geldmarktes, die Thesaurierungs-(Versteckungs)Politik des Geldes bei Kriegsgerüchten und politischer Bewölkung4 die unheilvollen Wirtschaftskrisen, der ständige Wechsel der Konjunkturen, die unheimlichen Preissteigerungen usw. — dies alles lenkte bereits vor dem Kriege in zunehmendem Maße die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Geldwesen und lässt uns vermuten, das hier etwas nicht in Ordnung ist.
Es empfiehlt sich also, dass wir bei allen volkswirtschaftlichen Untersuchungen in erster Linie vom Geldwesen ausgehen, dass wir unser Augenmerk vor allem auf die Frage richten: Erfüllt das Geld seine Aufgabe in zuverlässiger Weise, d. h. vermittelt es ununterbrochen, gleichmäßig und unter allen Umständen den Austausch der Güter und Leistungen und entscheidet es wirklich einwandfrei über „Mein“ und „Dein“, über „Soll“ und „Haben“, also über die Güterverteilung im privat- und volkswirtschaftlichen Sinne?
Wir werden jedoch sehen, dass unser, aus dem grauen Altertum überkommenes Geldwesen, durchaus nicht diesen Anforderungen entspricht.
III. Die Unregelmäßigkeit des Geldumlaufes und ihre Wirkungen.
Die in der Beschaffenheit unseres Geldes begründete Unmöglichkeit einer wirklich zweckmäßigen Verwaltung desselben bewirkt es, dass der Geldumlauf kein gesicherter und regelmäßiger, sondern allerlei unberechenbaren Zufällen unterworfen ist. Hängt doch die Goldproduktion, d. h. ob viel oder wenig Geldstoff (Gold) gefunden wird, tatsächlich vom reinen Zufall ab und somit auch die überhaupt vorhandene Menge des umlaufenden Bargeldes, was natürlich für die ganze Wirtschaftslage von entscheidendem Einfluss ist.
Aber wie einerseits der Stoff, aus dem das Geld hergestellt ist (also das Gold) die Volkswirtschaft dem Zufall überliefert, so wird sie andererseits durch die Beschaffenheit unserer herkömmlichen Geldverfassung der persönlichen Willkür der jeweiligen Geldinhaber preisgegeben. Die Zufälligkeiten der Goldproduktion und die Willkür des Geldumlaufes (wozu noch die Währungspolitik der Staaten kommen kann) bewirken eben jene unheilvollen und zugleich unberechenbaren Verschiebungen, deren üble wirtschaftliche Folgen in ihrer Gesamtheit den größten und wichtigsten Teil der sogenannten „sozialen Frage“ ausmachen.
Die jährliche Goldproduktion stieg z. B. von 169869 Kilogramm, die im Jahre 1800 gewonnen wurden, im Jahre 1911/12 auf 703411 kg — also auf das Vierfache! Da wir nun das freie Prägerecht für das Gold haben, d. h. da die Reichsbank jedes ihr angebotene Quantum Gold mit 2790 Mark bezahlt und die deutschen Münzprägestätten jedes beliebige Quantum Gold in deutsche Reichsmünzen umprägen müssen, so findet naturgemäß durch eine derartige Steigerung der Goldproduktion auch eine riesige Vermehrung der umlaufenden Goldmünzen statt. Bedenkt man weiter, dass die Notenbanken auf je 100 Mark in Gold 300 Mark in Banknoten ausgeben können, dass sich auch erfahrungsgemäß die auf dem Bargelde basierenden Geldsurrogate (Wechsel und Schecks) zusammen mit dem Bargelde vermehren, so wird man leicht einsehen, dass eine derartige rein zufällige ungeheure Vermehrung des Geldumlaufes und der sonstigen Tausch- und Zahlmittel auch eine bestimmte Wirkung auf die gesamte Volkswirtschaft ausüben muss. Wir haben diese Wirkung in einer bis zum heutigen Tage ununterbrochen andauernden Hochkonjunktur und der mit dieser Hand in Hand gehenden unerhörten Teuerungsperiode, d. h. einer Periode von Preissteigerungen, kennengelernt. Aber derselbe Zufall, der uns seit nunmehr etwa 20 Jahren ununterbrochen in die Höhe hob, kann uns morgen in den Abgrund werfen.5 Und selbst, wenn uns dieser Zufall (die Goldfunde und die Vermehrung der Zahlmittel) dauernd günstig bleiben würde, so sind wir doch keine Stunde vor der Willkür sicher, der wir durch die Beschaffenheit des Geldes preisgegeben sind, die es bewirkt, dass es lediglich vom Willen oder von den Interessen der jeweiligen Geldinhaber (Großkaufleute, Kapitalisten, Banken usw.) abhängt, ob das einmal in Umlauf gebrachte Geld auch weiterhin zirkuliert und sich der Volkswirtschaft zur Verfügung stellt oder nicht. Die sich oft über viele Länder der Erde erstreckenden wirtschaftlichen Krisen bieten uns ja ein lehrreiches Beispiel für die Folgen, die eine Einschränkung des Geldumlaufes hat. Das eine dürfte doch ohne Weiteres klar sein, dass jede Unregelmäßigkeit im Geldumlaufe sich auch unmittelbar auf die Volkswirtschaft, auf Handel und Gewerbe überträgt, und sich in den Preisbewegungen und in Börsendifferenzen, nach oben oder unten, ausdrückt.
Abgesehen von den rein volkswirtschaftlichen Wirkungen, zeitigen die unberechenbaren Unregelmäßigkeiten im Geldumlauf und die damit zusammenhängenden Preisschwankungen auch fortwährend sehr gefährliche Verschiebungen zwischen Mein und Dein, zwischen Soll und Haben, zwischen Gläubigern und Schuldnern in privatwirtschaftlicher Beziehung. Alle geschäftlichen Abschlüsse und Vereinbarungen, alle Schuldverschreibungen, Lohnverträge, Pensionen, Gehaltssätze usw. lauten auf ganz bestimmte nominelle6 Geldbeträge; ihr materieller Inhalt ist aber mangels einer wirklichen Währung in keiner Weise gewährleistet, denn dazu wäre vor allem nötig, dass im Durchschnitt alle Preise und somit die „Kaufkraft“ der betreffenden nominellen Geldsummen „währen“, d. h. fest bleiben. Nur dann hätten wir eine wirkliche Währung. Bei Preissteigerungen, die in den letzten Jahrzehnten (vor dem Kriege) bereits durchschnittlich 25 Prozent betrugen und während des Krieges weit — sehr weit — darüber hinausgingen, verschiebt sich naturgemäß auch der materielle Inhalt aller Abmachungen, die auf einen festen Geldbetrag lauten. Die Preissteigerung der Ware bedeutet doch nichts anderes als ein Sinken der Kaufkraft resp. eine sogenannte „Entwertung“ des Geldes. In diesem Falle sind die Gläubiger, d. h. alle diejenigen, welche irgendeine Geldforderung haben, einfach durch die Währung um 25 Prozent (oder entsprechend mehr) ihrer Forderung betrogen, während der Schuldner in gleichem Maße im Vorteil ist. Ein verschuldeter Bauer, der bisher 1000 Zentner Kartoffeln verkaufen musste, um seinen Verpflichtungen gegen seine Gläubiger nachzukommen, braucht bei einer