101 Diamanten. Gudrun Anders
Читать онлайн книгу.Der König wurde wütend. „Du hast gefälligst zu gehorchen“, schrie er und noch einige andere Worte, die sich eigentlich nicht gehörten. Und schon gar nicht für einen König. Der Heißluftballon segelte jetzt genau über einem kleinen Fluss entlang. Am Ufer standen viele Bäume und Wälder, eine wunderschöne Landschaft in der Abendsonne. Aber all das sah der König nicht in seiner blinden Wut und Raserei. So konnte er die Gesetze des Lebens niemals entdecken! Aber der Ballon hatte Zeit und Geduld. Er flog gemächlich dahin, schüttelte sich und seinen Insassen etwas durch und ... verlor langsam und stetig Luft aus einem kleinen Loch an der Oberseite des Ballons.
Als der König das bemerkte, wollte er die Luft wieder auffüllen, aber die Ersatzflaschen waren leer. Der König bäumte sich noch einmal auf, schimpfte wie nichts Gutes und nach stundenlangem Zaudern gab er den Kampf auf, weil es keinen Sinn mehr hatte und er sich seinem Schicksal ergeben wollte.
„Ach, was soll's“, sagte er. „Sterben muss jeder einmal. Der eine eher und der andere später. Hätte ich gewusst, dass ich so früh schon sterben muss, hätte ich mehr gelebt und mehr Freude in mein Leben gelassen. So ist mein Leben nur trist und öde verlaufen. Adios, schöne Welt. Es war nett mir dir!“ Und kaum hatte er zu Ende gesprochen, bekam der Ballon wieder Auftrieb, änderte automatisch seinen Kurs und flog geradewegs zum Schloss des Königs. Dort angekommen setzte er den König auf dem obersten Plateau ab und machte sich selbst auf den Heimweg.
„Danke für alles“, rief der König ihm nach. „Sage auch Dank der Wahrsagerin, die immer gewusst hat, was für mich gut ist. Ich werde mich bei nächster Gelegenheit erkenntlich zeigen.“ Und mit einer Träne im Auge winkte er dem Ballon hinterher.
Der Teufel und der Ring der Königin
Es war einmal ein Teufel, der den starken Wunsch hatte, das wertvollste, was die Königin Rakutina des Schlosses Babur in Baburien hatte, zu besitzen. Es war ihr Zauberring, den sie immer bei sich trug. Bei Tag und Nacht und bei jeder Gelegenheit. Man sagte diesem Ring nach, dass er den Menschen, der ihn trug, verzaubern könne. Diesem Menschen würden alle Wünsche erfüllt werden. Egal, welche. Ob es Geld war oder eine Maus in der Speisekammer. Und Königin Rakutina hatte wirklich alles, was ein Mensch sich vorstellen konnte. Ein schönes Schloss, Diener um sich herum, so viel Geld, das sie gar nicht alles ausgeben konnte, einen riesengroßen Kleiderschrank, der voll beladen war, Schmuck in allen Farben und Formen und viele liebe Menschen um sich herum. Man sah es der Königin auch an. Sie strahlte, lachte den ganzen Tag und war fröhlich – und: sie steckte ihre Mitmenschen damit an! Niemals hatte man sie weinen sehen – es gab ja auch keinen Grund dazu.
Eines Tages nun wurde der Frieden auf Schloss Babur jäh unterbrochen, als die Kunde umging, man habe den Teufel im Schloss gesichtet. Sofort herrschte Unruhe und Geschäftigkeit, denn jedermann hatte Angst vor dem Teufel, der einen mit in die Hölle nehmen konnte und da wollte schließlich keiner hin. Man wollte jetzt die Königin schützen und alarmierte die Schlossarmee, die sich auch sofort auf den Weg zur Königin machte. Rumpelnd stampften sie durch die langen Flure des Schlosses und die Schwerter und Schilde klirrten, das es sich gespenstisch anhörte.
Aber die Arme kam zu spät. Der Teufel, flink, wie er war, war schon längst in die Gemächer der Königin eingedrungen und bedrohte die Königin mit einer Lanze. Die sonst immer lachende und fröhliche Königin war merklich stiller geworden. Die Gesichtszüge waren angespannt. „Sage deinen Mannen, sie sollen sofort wieder kehrt machen, oder ich durchbohre dich!“ herrschte der Teufel die Königin an. „Los, mach' schon!“
„Aber lieber Teufel“, meinte Rakutina betörend, „du hast mich doch bedroht. Es ist doch ganz verständlich, dass man um mich besorgt ist und mir deshalb meine Leibgarde schickt. Höre auf, mich zu belästigen, verlasse das Schloss und meine Mannen werden sich auch wieder zurückziehen können!“
„Nein. Ich werde das Schloss nicht ohne deinen Zauberring verlassen. Also gib' ihn schon her – oder du stirbst!“ giftete der Teufel. Aber die Königin blieb ruhig, denn sie kannte das Geheimnis des Rings.
„Also gut, Teufel. Wenn du gar so uneinsichtig bist, so werde ich dir deinen ach so sehnlichen Wunsch erfüllen. Allerdings unter einer Bedingung: Du darfst keine weiteren Fragen stellen und verlässt wortlos mein Schloss!“
„Ich sehe, meine teure Königin ist doch klüger als sie aussieht. Ich verspreche es und jetzt gib' mir den Ring!“ Die Königin nickte wortlos, hob ihre linke Hand und besah sich noch einmal den Zauberring, den sie bereits im Kindesalter von einer alten, weisen Zigeunerin erhalten hatte. Ein großer, roter Edelstein funkelte dort. Rundherum glänzten und glitzerten viele Diamanten. Die Fassung war mit vielen Verzierungen versehen und aus purem Gold. Man sah auf den ersten Blick, dass es ein sehr wertvoller Ring war.
Langsam und zögernd zog die Königin den Ring von ihrem Finger. „Hier überreiche ich dir mein Geschenk“, sprach sie und hielt es dem Teufel hin, der ihr den Ring sofort aus der Hand riss. Im gleichen Moment aber wurde der Ring zu Stein.
„Was soll das?“ brüllte der Teufel aufgebracht. „Du hast den Ring verhext. Ich will sofort das haben, was mir zusteht!“ Aber Rakutina sah ihn nur mitleidig an und erinnerte ihn an das Versprechen, das er nur wenige Minuten zuvor gegeben hatte. Die Leibgarde der Königin hatte die Gewehre im Anschlag, um Rakutina jederzeit schützen zu können. Aber der Teufel sah ein, dass er keine Chance mehr hatte. Das Gute hatte gesiegt.
„Ein Zauberring hat nur für den Wirkung, der ihn immer und ständig bei sich trägt. Der wahre Wert ist nicht der Wert des Goldes oder der Edelsteine. Den wahren Wert des Zauberringes kann man nur dann sehen, wenn der rechtmäßige Eigentümer ihn an der Hand trägt. Das ist seine Bestimmung und dann wird auch alles Gute zu dem Träger des Ringes fließen!“ sprach Rakutina und nahm den Stein wieder an sich und wog ihn in den Händen.
„Jetzt löse dein Versprechen ein und geh'!“ Widerspruchslos gehorchte der Teufel und in dem Moment, wo er zur Tür hinaus war, wurde aus dem Stein wieder der wunderschöne Zauberring, der er zuvor gewesen war. Die Leibgarde der Königin begleitete den Teufel noch zum Tor des Schlosses hinaus und er wurde auf Schloss Babur in Baburien nie wieder gesehen.
Sterntaler und der Wanderer Kladibu
Es war einmal ein armer Wanderer. Viele Jahre schon war er unterwegs, um seinen Lebensinhalt zu suchen. Aber gefunden hatte er ihn noch nicht. Viele Städte und Dörfer hatte er gesehen, viel Leid und viel Glück und viele, viele Menschen. Große und kleine, dünne und dicke, liebe und böse, junge und alte. Bei einigen hielt er es eine Weile aus und sie hatten eine schöne Zeit zusammen, aber dann zog es ihn wieder weiter.
Eines Tages wanderte er mutterseelenallein durch den tiefen, finsteren Wald und der Weg schien kein Ende zu nehmen. Die Bäume waren groß und stark und das Gestrüpp Natur belassen. Die Vögel zwitscherten, eine kleine Hasenfamilie kreuzte seinen Weg. Es war friedlich und doch war das Herz des Wanderers schwer. Es war gerade so, als ob ein dicker Stein auf seinem kleinen Herzen war und er hatte keine Ahnung, wie er ihn dort weg bekommen sollte. Und weil es eigentlich angenehm warm war, setzte er sich an einen großen Baum und ruhte sich ein wenig aus. Er machte es sich im frischen Moos bequem und schlief ein. Er träumte ganz lebendig davon, endlich am Ziel seiner Träume zu sein und meinte, eine Stimme zu hören, die ihm zuflüsterte, er möge nicht zu sehr suchen und bei dem ganzen Gesuche sein eigentliches Ziel aus den Augen verlieren. Und er hörte die Stimme so deutlich, dass er erschrak und schnell die Augen öffnete. Und da erschrak er noch mehr, denn vor ihm stand ein Mann mit langem, weißen Bart und einer Zipfelmütze auf dem Kopf. Er hatte ein strahlend blaues Gewand an auf dem tausend kleine, goldene Sterne blitzten und funkelten.
„Einen wunderschönen guten Tag, Kladibu. Ich bin der Zauberer Esra al Gudat, der Herrscher des Waldes. Ich möchte dir gern helfen, denn ich mag die Menschen und ich kenne die Antwort auf deine Frage nach dem Sinn des Lebens. Wenn du möchtest, sehen wir uns dein Leben einmal mit etwas Abstand an und du wirst die Antworten auf deine Fragen finden. Wenn du willst, so komm' zu mir auf meinen