Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer


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Faenza, Florenz, Modena, Genua, Rom, Perugia und Parma auf, bevor er 1841 als Publio in Mercadantes La vestale an der Mailänder Scala debutierte. Dort sang er in Pacinis Saffo, in Luigi Riccis Le nozze di Figaro und in der Uraufführung von Federico Riccis Corrado d’Altamura. Zwischen 1842 und 1847 war er ein gern gesehener Gast am Wiener Kärntnertortheater. Für die dortige Uraufführung von Donizettis Linda di Chamounix schrieb dieser 1842 die Partie des Antonio für ihn. In Wien trat er darüber hinaus in Donizettis Alina, regina di Golconda (1843), Roberto Devereux (1844) und Maria Padilla (1847) auf.

      Varesis erste Begegnungen mit Verdi-Rollen waren Ernani (Padua, 1844) und I due Foscari (Bergamo, 1845). Verdi, der den Sänger nicht nur wegen seiner stimmlichen und gestalterischen Ressourcen, sondern auch wegen seiner ungewöhnlichen Intelligenz schätzte, vertraute ihm die Baritonhauptrollen in den Uraufführungen von Macbeth (1847), Rigoletto (1851) und La traviata (1853) an. Für den anfänglichen schwachen Erfolg der Traviata machte Varesi Verdi insofern verantwortlich, als er sich darüber beklagte, daß er nur eine Arie hatte und das Publikum mehr von ihm erwartet hätte. In Neapel sang Varesi neben dem Alphonse in Donizettis La favorite den Francesco Moor in I masnadieri. 1856-57 war der Bariton in Madrid engagiert, 1860 kehrte er nach Wien zurück, trat in Budapest auf, 1864 debutierte er in London in Rigoletto, seiner wahrscheinlich besten Interpretation neben dem Macbeth.

      Abb. 27 – Der Bariton Felice Varesi (1813-1889), der in den Uraufführungen von Macbeth, Rigoletto und La traviata die Baritonhauptrollen sang.

      Muzios Hinweis auf die „kleine, häßliche Figur“ und auf die Stimmlosigkeit Varesis[322] liegt darin begründet, daß der schlanke, fast zarte Varesi nicht pompös wie viele seiner Kollegen auftrat und sich als leidenschaftlicher Singschauspieler durch seinen situationsbezogenen Stimmeinsatz von den bassi cantanti, die sich weniger auf den dramatischen Ausdruck als auf die Schönheit der Tongebung und den Gesangsstil konzentrierten, unterschied.

      Nach den Anweisungen für die Sänger wendet sich Verdi der Theaterpraxis zu.

      Wenn Du die Musik erhältst, wirst Du sehen, daß zwei Chöre von größter Bedeutung dabei sind: Spare nicht an den Choristen, und Du wirst zufrieden sein. Achte darauf, daß die Hexen immer in drei Gruppen aufgeteilt sein müssen, am besten wäre, wenn sie 6.6.6 wären, insgesamt also 18 etc. ... Ich lege Dir den Tenor ans Herz, der den Macduff singen soll; und dann müssen alle zweiten Partien gut besetzt sein, denn die Ensemblenummern erfordern gute Stimmen. An diesen Ensemblenummern ist mir sehr gelegen.

      Ich kann Dir nicht genau sagen, wann ich nach Florenz kommen werde, denn ich will die ganze Oper hier in Ruhe fertigstellen. Du kannst sicher sein, daß ich zeitgerecht eintreffen werde. Verteile die Partien der Chöre und [Solo-]Sänger einzeln, damit ich, wenn ich eintreffe, nach zwei oder drei Proben die Orchesterproben angehen kann, denn es werden viele Orchester- und Bühnenproben nötig sein.

      Ich bedauere, daß der Darsteller, der die Rolle des Banco spielen soll, den Geist nicht spielen will! Und warum nicht?... Sänger müssen zum Singen und zum Spielen engagiert werden: außerdem ist es Zeit, diese Unsitten abzuschaffen. Es würde etwas Ungeheuerliches sein, wenn ein anderer den Geist spielte, denn Banco muß sein Aussehen genau beibehalten, auch wenn er ein Geist ist ...[323]

      Über den Abschluß der Arbeit berichtet wie immer Muzio.

      Sonntag [31. Jänner] wird der signor Maestro die ganze Oper fertiggestellt haben und Montag wird er mit der Instrumentation beginnen.[324] Nach Fertigstellung der Instrumentation wird er nach Florenz fahren.

      Die Musik des Macbeth ist unendlich schön. Es gibt kein schwaches Stück, alle sind schön. [...] Ich glaube, daß niemand schönere Musik als die des Macbeth schreiben kann. Wenn die Wirkung der mise en scène schön ist, bietet mit Sicherheit kein modernes Werk ein derart grandioses und feierliches Schauspiel.[325]

      Nachdem Verdi am 31. Jänner in einem Brief an Barbieri Nini, die die Partie gerade studiert, auf die Feststellung Wert gelegt hat, daß Macbeth „ein Drama ist, das mit den anderen nichts gemein hat“, reist er nach Florenz, wo er am 16. Februar 1847 abends[326] eintrifft. Bei ihm ist Muzio, der als Begleiter bei den Klavierproben vorgesehen ist.

      Verständlicherweise kommt jeglicher Briefverkehr mit Sängern, Theaterdirektoren, Librettisten usw. zum Erliegen, wenn sich der Komponist am Ort der Aufführung einfindet. Wir sind also auf andere Quellen angewiesen: Eugenio Checchi rückt einen Bericht über die Protagonistin der Macbeth-Uraufführung in seinem Verdi gewidmeten Buch[327] in den Brennpunkt des Kapitels über diese Oper.[328]

      Die einzigartige Sängerin, dank derer der Macbeth einen so aufsehenerregenden Erfolg hatte, lebt heute, nachdem sie sich vom Theater zurückgezogen hat, in Florenz; in ihrem Gedächtnis sind aber die alten Erinnerungen noch frisch: es ist jene Barbieri Nini, von der es damals hieß, daß sie die Rolle der schreckenerregenden Protagonistin im Drama Shakespeares besser als die größten und gefeiertsten Schauspielerinnen darstelle. Vor einigen Wochen rief ein lieber Freund auf mein Ersuchen im Gedächtnis der großen Künstlerin jene Erinnerungen wach, und sie hatten die Macht, ihre Phantasie in jene unvergeßliche Zeit zurückzuversetzen, in der man den Macbeth einstudierte und aufführte und dadurch in der Welt einen weiteren Strahl des göttlichen Lichtes des Genies verbreitete.

      Die Barbieri Nini erzählt, daß es eine Eigenheit Verdis war, bei den Proben fast nie ein Wort zu sprechen. Das bedeutete nicht, daß der Maestro zufrieden war, ganz im Gegenteil. Nach Ende eines Stücks gab er Romani[329] ein Zeichen (der alte Pietro Romani, der größte Opern-Concertatore unseres Jahrhunderts, der Freund Rossinis [...]); auf dieses Zeichen Verdis trat Romani zu ihm hin, sie gingen auf der Bühne ganz nach hinten, und mit dem Klavierauszug vor Augen wies der Komponist mit dem Finger auf die Stellen hin, deren Ausführung nicht seinen Vorstellungen entsprochen hatte.

      „Sag’ Du mir, wie ich es machen soll“, antwortetete Romani mit großer Geduld.

      Aber Verdi erklärte dieses verwünschte „wie“ nur selten. Er behalf sich mit Gesten, mit heftigen Schlägen auf die Partitur, zeigte mit der Hand ein rallentando oder rafforzando an und dann ging Verdi zu seinem Platz zurück und sagte, so als ob zwischen den beiden nach langer Diskussion eine überzeugende Klärung zustandegekommen wäre:

      „Jetzt hast Du es verstanden: so will ich es.“

      Und der arme Romani mußte sich sein brillantes Hirn zermartern, um zu verstehen, auch wenn er gar nichts verstanden hatte[330], und es dem Orchester und den Sängern zu vermitteln.

      Die Klavier- und Orchesterproben zu Macbeth waren über hundert: Der unerbittliche Verdi kümmerte sich nicht darum, daß er die Sänger ermüdete, daß er sie Stunde um Stunde mit demselben Stück plagte. Und solange nicht jene Interpretation erreicht war, die sich nach seiner Auffassung am wenigsten schlecht zu dem Ideal seiner Vorstellung fügte, ging er nicht zu einer anderen Szene weiter. Bei den Gruppen[331] war er nicht sehr beliebt, weil von seinen Lippen niemals ein Wort der Ermunterung, niemals ein zustimmendes bravo kam, nicht einmal dann, wenn die Orchestermusiker und die Choristen glaubten, alles Menschenmögliche getan zu haben, um ihn zufriedenzustellen; und das Schandmaul dieser scharfzüngigen, ein wenig boshaften Florentiner machte sich in Epitheta Luft, von denen so manches aufs Haar jenem Teil der Geige glich, der dazu dient, die Saiten zu spannen und zu lockern.[332]

      Aber die Leiter der Aufführung, der Maestro concertatore Pietro Romani und der Dirigent Alamanno Biagi[333] sowie die Künstler, die zu Recht einen berühmten Namen hatten wie die Barbieri-Nini und Varesi, erlagen zunehmend der Faszination dieses eisernen Willens, dieser ungebändigten Erfindungsgabe, die nie zufriedenzustellen war und die jeden Tag eine neue Interpretation vorschlug, die vielleicht sogar zu der des Vortages im Gegensatz stand, aber noch perfekter, künstlerisch noch wirksamer war.

      Dann läßt Checchi die Sängerin selbst


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