Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten. Christian Springer

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Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten - Christian Springer


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Baßklarinetten, Fagotten, Kontrafagotten und sonst nichts bestehen.[338]

      Letzterer Hinweis zeigt, wie sehr es Usus war, daß sich die Theater entgegen der von der Partitur vorgegebenen Instrumentierung gerne Eigenmächtigkeiten bei der Besetzung der Bühnenmusik herausnahmen.

      Verdis Bemerkungen über die Tadolini sind selbstverständlich nicht wörtlich zu nehmen, schon gar nicht aus heutiger Sicht. Zum richtigen Verständnis dieser wohlbekannten Hinweise, die Interpretation der Rolle der Lady Macbeth durch die Sopranistin Eugenia Tadolini betreffend, sind zwei Hintergrundinformationen vonnöten.

      Erstens: Der Kern von Verdis – oft mißbräuchlich zitiertem und absichtsvoll falsch verstandenem – Wunsch ist, daß zur Interpretation der Rolle der Lady weniger rein gesangliche, sondern vor allem musikdramatische Mittel notwendig sind. Eugenia Tadolini war eine gefeierte Donizetti-Spezialistin. Zwei Opern hat Donizetti eigens für sie komponiert: Linda di Chamounix (Wien 1842) und Maria di Rohan (Wien 1843). Sie sang die italienische Erstaufführung des Poliuto (Neapel 1848) und hatte Donizetti-Opern wie Don Pasquale, Maria Padilla, Lucrezia Borgia, Anna Bolena, L’elisir d’amore, Lucia di Lammermoor oder Il furioso all’isola di San Domingo – nach heutigen Kategorien also vorwiegend Koloraturpartien – im Repertoire. Verdi hegte, nicht zu Unrecht, die Befürchtung, daß die Tadolini die Lady mit dem Instrumentarium der Donizetti-Virtuosin gestalten und dadurch seinen Intentionen nicht entsprechen würde. Mit seiner Forderung verlangte er das Abrücken vom reinen Virtuositätsgesang und eine Annäherung an einen mehr naturalistischen, dramatischen Ausdrucksgesang, wobei „naturalistisch“ im Sinne der ausgehenden ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und nicht im Sinne von „realistisch“ oder „veristisch“ der ausgehenden zweiten Hälfte des 19. oder des beginnenden 20. Jahrhunderts zu verstehen ist.

      Zweitens: Die Tadolini befand sich zu dieser Zeit in schlechter stimmlicher Verfassung und stand trotz ihres Alters von erst vierzig Jahren schon vor dem Ende ihrer Karriere. Donizetti befand zu ihrem damaligen Singen: „Sie hatte eine Stimme wie eine alte Zikade, machte Fehler, unterbrach sich und war schrecklich.“ Die Sängerin, die neben den erwähnten Donizetti-Rollen auch virtuose Bellini-Partien wie La sonnambula und I puritani sang, hatte ihre Stimme – wie viele ihrer zeitgenössischen Kolleginnen, die nur kurze Karrieren hatten – vor der Zeit durch Überforderung verschlissen.

      Dies sind die Gründe, weshalb Verdi sie nicht in der Produktion haben wollte. Obwohl Verdis Ablehnung der Tadolini hinterbracht wurde, sang sie die Lady dennoch. In späterer Zeit benutzten für die Rolle ungeeignete oder ausgesungene Sängerinnen Verdis Forderung nach hohlem, rauhem Gesang als Rechtfertigung für ihre schlechten Leistungen.

      Die Revision des Macbeth

      D

      ie Fassung des Macbeth von 1847 ist nicht die Oper, die man bei heutigen Aufführungen hört. In diese Fassung bringt sie der Komponist erst achtzehn Jahre später. Als Napoléon Roqueplan, der Direktor der Opéra, 1852 bei Verdi wegen einer neuen Oper für Paris anfragt, macht Verdi es zur Bedingung, daß auch sein Macbeth in französischer Übersetzung aufgeführt werden soll.[339] Falls es absolut unumgänglich sein sollte, würde er sogar ein Ballett einfügen. Doch das Projekt kommt nicht zustande. Seine Realisierung wird bis 1865 dauern.

      Es ist Direktor Carvalho[340] vom Théâtre Lyrique, der Verdi 1864 den Vorschlag macht, Macbeth aufzuführen. Das Theater verfügt über weniger Mittel als die Opéra, hat aber dieselben Ansprüche wie das größere Haus: Carvalho wünscht ein Ballett und einen Schlußchor. Verdi fordert die Partitur bei Ricordi an, nur um festzustellen, daß umfangreichere Änderungen an der Oper erforderlich sind, als er vorweg angenommen hat. Doch deren Durchführung ist für die Wintersaison nicht mehr möglich. Piave wird für die Textänderungen herangezogen (nicht ohne wieder harte Worte und Vorhaltungen einstecken zu müssen), der ganze Winter wird für die umfangreiche Revision aufgewendet, die neben kleineren Retuschen, Strichen und Umstellungen die Neukomposition etlicher Stücke erfordert. Nach Abschluß der Arbeiten stellt sich das Problem der Übersetzung ins Französische. Zuerst wird Edmond Duprez, der Bruder des berühmten Tenors Gilbert-Louis Duprez, des sogenannten Erfinders des do di petto, des mit Bruststimme gesungenen hohen C, damit beauftragt. Doch unvermittelt und scheinbar grundlos entzieht Carvalho ihm wieder den Auftrag und überträgt ihn Charles-Louis-Étienne Nuitter[341] und Alexandre Beaumont. Der Tenor-Bruder des abgeschafften Übersetzers, der Verdi seit seiner aktiven Sängerzeit kennt, beklagt in einem wortreichen Schreiben[342] an Verdi diese „Infamie“, die man seinem Bruder angetan habe. Verdi repliziert höflich und versichert beide Brüder seiner Wertschätzung, nicht ohne anzumerken:

      Ich kenne die Welt im allgemeinen und das Theater im besonderen: Grund genug, daß ich mich weder über die kleinen noch über die großen Perfidien wundere, die man dort begeht.[343]

      Plötzlich wird Macbeth aus Paris als Oper in fünf Akten angekündigt, was Verdi fuchsteufelswild werden läßt, weil er vermutet, daß durch das willkürliche Auseinanderreißen des 4. Aktes eine fünfaktige Grand-Opéra nach französischem Geschmack vorgetäuscht werden soll.[344] Obwohl Verdi dieses Ansinnen zurückweist, spielt Carvalho den Macbeth fünfaktig. Ebenso trägt Escudiers Klavierauszug des Macbeth in französischer Sprache den Untertitel „Grand Opéra en cinq actes“.

      Abb. 28 – Auf dem Frontispiz des Escudier-Klavierauszuges scheinen nur die Namen von Shakespeare und der beiden Übersetzer auf. Piaves Name als Autor des Librettos fehlt.

      Es werden Jean-Vital Ismaël (Macbeth), Agnès Rey-Balla (Lady), Jules Monjauze (Macduff) und Jules-Émile Petit (Banquo) singen, der Dirigent ist Adolphe Deloffre.

      Wenn Verdi für die Revision dem Werk ein großes Ballett im 3. Akt hinzufügt (Shakespeares Hekate-Szenen), wie es vom damaligen Publikum erwartet wird, so ist das ein Kompromiß für Paris. Das Ballett mit all seiner musikalischen Originalität hat vor allem in Hinblick auf die visuelle Komponente dieser Kunstform Gültigkeit. Aus eigenem Antrieb oder für ein anderes, nicht französisches Opernhaus hätte Verdi keinesfalls ein Ballett nachkomponiert. Man kann dieses Ballett auch heute noch aufführen, was oft geschieht, man kann es selbst in einer konzertanten Aufführung der Revision des Macbeth aus musikphilologischen Gründen spielen.

      Die in der Revision gestrichene Sterbeszene des Macbeth „Mal per me che m’affidai“ aus der Fassung von 1847 ist unbestrittenermaßen ein äußerst effektvolles Stück, das aber nur im Umfeld der Erstfassung seine Daseinsberechtigung hat. Es aus dieser herauszuschälen und in die Revision mit ihrem von Verdi komplett umgearbeiteten Schluß samt Fuge mit Chor einzubauen, wobei die passenden musikalischen Anschlüsse erst geschrieben werden müssen, wie es in der Vergangenheit mancher Dirigent gemacht hat, ist nicht nur ein Akt musikalischer und dramaturgischer Abstrusität, sondern ein nicht rechtfertigbarer Verstoß gegen den Autorenwillen sowie der zum Scheitern verurteilte Versuch solcher Interpreten, klüger als der Komponist sein zu wollen.

      Anfang Februar 1865 ist die Arbeit abgeschlossen und Verdi setzt seinen französischen Verleger Léon Escudier[345] davon in Kenntnis.

      Heute habe ich Ricordi den letzten Akt des zur Gänze fertiggestellten Macbeth übersandt. Darin ist der gesamte Chor, der den 4. Akt eröffnet, neu. Die Arie des Tenors ist überarbeitet und [neu] instrumentiert. Dann sind alle Szenen nach der Romanze des Baritons bis zum Ende [der Oper] neu, d.h. die [musikalische] Beschreibung der Schlacht und die Schlußhymne. Ihr werdet lachen, wenn Ihr hört, daß ich für die Schlacht eine Fuge geschrieben habe!!! Ich, der ich alles, was nach Schule stinkt, verabscheue! Ich sage Euch aber, daß in diesem Fall diese Musikform gut paßt. Die einander nachlaufenden Subjekte und Kontrasubjekte und der Zusammenprall der Dissonanzen können eine Schlacht recht gut ausdrücken. Ach, wenn es [in Paris] nur unsere [italienischen] Trompeten gäbe, die so volltönend, so schmetternd klingen!! Eure trompettes à pistons sind weder Fisch noch Fleisch. Im übrigen wird das Orchester Freude damit haben.[346]

      Wertvolle


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