Ein Kind unserer Zeit. Ödön von Horváth
Читать онлайн книгу.die Trümmer nur zu besetzen – ohne jede Gefahr! Eine bessere Polizei. Abwarten!
Werden sehen, ob wir überflüssig sind! Oder gar zweiten Ranges!
Nein, ich mag die Flieger nicht!
Ein hochnäsiges Pack.
Und die Weiber sind auch so blöd, sie wollen nur einen Flieger.
Das ist ihr höchstes Ideal!
Auch die zwei da drunten auf der Straße – jetzt winken sie ihm begeistert zu.
Alle Kühe wollen mit einem Flieger tanzen!
Winkt nicht, ihr Tiere – er schaut auch auf euch herab, weil ihr nicht fliegen könnt!
Jawohl, wir schlucken den Staub der Straßen und marschieren durch den Dreck! Aber wir werden dafür sorgen, daß der Dreck himmelhoch staubt!
Nur keine Angst!
»Um Gotteswillen!« kreischt der Leutnant.
Was ist denn los?!
Er starrt auf den Himmel –
Dort, der Flieger!
Er stürzt ab!
»Der linke Flügel ist futsch«, sagt der Feldwebel durch den Feldstecher.
Er stürzt, er stürzt –
Mit einer Rauchwolke hinter sich her –
Immer rascher.
Wir starren hin.
Und es fällt mir ein: Komisch, hast du nicht grad gedacht: stürzt ab –?
»Mit denen ists vorbei«, meint der Leutnant.
Wir waren alle aufgesprungen.
»Deckung!« schreit uns der Feldwebel an.
»Deckung!« – – –
Drei Särge liegen auf drei Lafetten, drei Fliegersärge. Pilot, Beobachter, Funker. Wir präsentieren das Gewehr, die Trommel rollt und die Musik spielt das Lied vom guten Kameraden.
Dann kommt das Kommando: »Zum Gebet!«
Wir senken die Köpfe, aber wir beten nicht.
Ich weiß, daß bei uns keiner mehr betet.
Wir tun nur so.
Reine Formalität.
»Liebe deine Feinde« – das sagt uns nichts mehr. Wir sagen: »Hasse deine Feinde!«
Mit der Liebe kommt man in den Himmel, mit dem Haß werden wir weiterkommen – –
Denn wir brauchen keine himmlische Ewigkeit mehr, seit wirs wissen, daß der einzelne nichts zählt – er wird erst etwas in Reih und Glied.
Für uns gibts nur eine Ewigkeit: das Leben unseres Volkes.
Und nur eine himmlische Pflicht: für das Leben unseres Volkes zu sterben.
Alles andere ist überlebt.
Wir treten an.
Ausgerichtet, Mann für Mann.
Ich bin der neunte von rechts, von den Größten her. Der Größte ist einsachtundachtzig, der Kleinste einssechsundfünfzig, ich einsvierundsiebzig. Gerade richtig, nicht zu groß und nicht zu klein.
So äußerlich gesehen, gefall ich mir ja.
Das verwunschene Schloß
Heute ist Sonntag.
Da haben wir frei. Von vierzehn bis zweiundzwanzig Uhr.
Nur die Bereitschaft bleibt zurück.
Gestern bekam ich meinen zweiten Stern und heute werde ich zum erstenmal mit zwei Sternen am Kragen ausgehen.
Der Frühling ist nah, man hört ihn schon in der Luft.
Wir sind zu dritt, zwei Kameraden und ich. Wir haben weiße Handschuhe an und reden über die Weiber.
Ich rede am wenigsten, ich denk mir lieber meinen Teil.
Die Weiber sind ein notwendiges Übel, das ist bekannt. Man braucht sie zur Sicherstellung einer möglichst großen Zahl kinderreicher, erbgesunder, für das Vaterland rassisch wertvoller Familien. Aber ansonsten stiften sie nur Wirrwarr.
Ich könnt darüber manches Lied zum besten geben!
Besonders die älteren Jahrgänge und vor allem die ganz Gescheiten. Die laufen dir nach, weil du sportlich ausgebildet bist, und wenn du ihnen zu Gefallen warst, dann werden sie arrogant. Sagen: dummer Junge, grün, naß hinter den Ohren und dergleichen. Oder sie kommen mit dem Seelenleben daher und dann werdens ganz unappetitlich.
Eine nicht mehr ganz junge Frau hat keine Seele zu haben, sie soll froh sein, wenn man sie anschaut. Sie hat kein Recht, einem hinterher mit Gefühlen, wie zum Beispiel Eifersucht oder sogenannter Mütterlichkeit, zu kommen. Die Seele ist im besten Falle ein Vorrecht der jungen Mädchen.
Die dürfen sich eine solche Romantik fallweise noch leisten, vorausgesetzt, daß sie hübsch sind. Aber auch die romantischen Hübschen wollen, schon im zartesten Jungmädchenalter, nur einen Kerl mit Geld.
Das ist das ganze Problem.
Ich bewege mich lieber in männlicher Gesellschaft.
Mein Kamerad sagt grad, daß sich dereinst vor dreihundert Jahren ein großer Philosoph gefragt hätt, ob die Weiber überhaupt Menschen sind?
Man könnts schon bezweifeln, das glaub ich gern.
Bei dem weiblichen Geschlechte weißt du nie, woran du bist.
Da findest du keine Treu und keinen Glauben, immer kommens zu spät, ein Nest voller Lügen, usw.
Und obendrein sollst du noch auf ihr Inneres eingehen – Denn das verlangen sie.
Aber das ist keine Betätigung für einen richtigen Mann.
Jaja, die Herren Weiber sind ein Kapitel für sich!
Sie bringen dich auf die Welt und bringen dich auch wieder um. –
Die Straßen der inneren Stadt sind leer, denn hier gibts nur Geschäfte und hohe Bürohäuser und die haben heute zu. Die Arbeiter der Stirn und der Faust, sie feiern daheim, essen, schlafen, rauchen – heut werdens kaum Ausflüge machen, denn es regnet immer wieder.
Zwar nur ein bißchen, aber es ist halt unsicher. Still ists in der inneren Stadt, direkt friedlich, als wärens alle ausgestorben.
Wir hören uns gehen, jeden Schritt. Es klappert auf dem Asphalt.
Und ich bemerk es wieder, daß wir uns spiegeln.
In den vornehmen Auslagen.
Jetzt gehen wir durch ein Korsett.
Jetzt durch einen Hummer und einen Schinken so zart –
Jetzt durch seidene Strümpfe.
Jetzt durch Bücher und dann durch Perlen, Schminken, Puderquasten. –
Zerreißt sie, zertrampelt sie!
Es ist fad in der inneren Stadt und wir gehen zum Hafen hinab. Dort ist nämlich ewig Betrieb.
Du kannst es zwar nicht erblicken, das weite Meer, denn dieses beginnt erst weiter draußen, aber herinnen liegen bereits die fremden Schiffe mit den schwarzen und gelben Matrosen.
Wir gehen die breite Allee zum Hafen hinab.
Sie wird immer breiter und lauter.
Rechts und links beginnen die Sehenswürdigkeiten – große und kleine Affen, dressiert und undressiert. Schießbuden und Spielautomaten, ein Tanzpalast und die dickste Dame der Welt. Ein Schaf mit fünf Füßen, ein Kalb mit zwei Köpfen – Karussell neben Karussell, Schaukel neben Schaukel und eine bescheidene Achterbahn,