Das Wunder Mozart. Harke de Roos

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Das Wunder Mozart - Harke de Roos


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von Handelsprivilegien zugunsten des Freihandels. Dazu forderte er am 26. November 1766 ein wirtschaftliches Gutachten an. Er rief eine Kommission ins Leben, die den Auftrag hatte, einen Rapport über den Umfang des Exports und Imports und über den Zustand der Landwirtschaft, des Bodenertrages und des Viehbestandes zu erstellen. Die Hindernisse für die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion sollten erfasst und Vorschläge gemacht werden, diese zu beseitigen. Auch sollten der Zustand des Gewerbes und der Fabriken, die Anzahl der Beschäftigten, die Höhe des Kapitals und des Gewinns sowie die Absatzmärkte genau beschrieben werden.

      Der Neunzehnjährige erwies sich als blendender und unermüdlicher Organisator, der vor keinen Schwierigkeiten zurückschreckte. Bei der Vorbereitung seiner Reformen bezog er sogar die Gegner seiner Pläne mit ein und versuchte, breite Akzeptanz herzustellen. So fanden bei ihm auch die Gegenargumente Gehör. In zahlreichen Schriften von Neri, Cennini und anderen Beratern wurde das Für und Wider des Freihandels ausführlich besprochen.

      Danach wurden die Erneuerungen stufenweise erprobt, bis sie endgültig in Kraft traten. Am 18. September 1767 trat als erste Stufe zum allgemeinen Freihandel Leopolds epochales Getreidegesetz in Kraft. Es besagte, dass sämtliche Steuern auf Brot und Mehl aufgehoben wurden und dass Herstellung und Verkauf nicht eingeschränkt werden durften. Gleichzeitig wurden die Monopole abgeschafft. Binnenzölle und Ausfuhrzoll auf Brot und Getreide wurden ebenfalls aufgehoben. Als nächster Schritt wurde eine Behörde etabliert, die den Auftrag hatte, über die Einhaltung des neuen Gesetzes zu wachen. Diese Handlungsweise steht in schroffem Gegensatz zum Regierungsstil Josephs, der sich überhaupt nicht um die Durchführung seiner vielen Gesetze und Dekrete kümmerte.

      Im Jahre 1771 wurde Leopolds Getreidegesetz erweitert, indem auch der Einfuhrzoll auf ausländisches Getreide wegfiel. Schließlich wurde im Sommer 1775 der Getreidehandel uneingeschränkt freigegeben. Die ebenfalls sorgfältig vorbereitete Aufhebung der Generalpacht 1768 und das Amortisationsgesetz von 1769 gaben der neuen Wirtschaftspolitik ein solides Fundament.

      Im Jahre 1770 setzte Leopold seine Reformen mit der Reorganisation der Verwaltungsstruktur, der Justiz und des Polizei-, Schul- und Armenwesens fort. Er vereinfachte die Bürokratie, gab den Gemeindebehörden größere Selbständigkeit, trennte die Gewalten der Justiz und Polizei, reorganisierte die Bildungspolitik und arbeitete auf eine staatliche Unterstützung für unverschuldet arm Gewordene hin. Große Anstrengungen ließ er der Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung angedeihen, indem er öffentliche Spitäler modernisieren und neue Krankenhäuser bauen ließ. Am 23. Januar 1774 wurde ein Gesetz erlassen, dass Geisteskrankheit als Krankheit zu behandeln sei, eine Sensation in der damaligen Welt.

      Allmählich humanisierte er das Strafrecht, wobei er bei seinen Polizeichefs starke Widerstände zu überwinden hatte. Zunächst wurden die Zustände in den Gefängnissen verbessert, danach ging es in langsamen Schritten weiter, bis endlich 1786 die Folter und die Todesstrafe per Gesetz abgeschafft wurden. Leopolds Strafgesetzbuch von 1786 sucht – was Modernität und Humanität betrifft – bis heute seinesgleichen. Es hat regelrechten Modellcharakter. Der Erfolg gab ihm Recht. Im Jahr 1787 zählte man lediglich 64 Gefangene in den toskanischen Gefängnissen bei einer Bevölkerungszahl von einer Million. Im Königreich Neapel wurden bis zu 60 mal und allein in Rom 15 mal soviel Morde verübt wie in der ganzen Toskana.

      Ein weiterer bedeutsamer Schritt war die Abschaffung der Armee. Leopolds Argument lautete, dass ein kleines Land wie die Toskana keine Soldaten brauche. Stattdessen rief er eine Bürgermiliz ins Leben.

      Die Kirche blieb von Leopolds Reformen ebenfalls nicht verschont. Das toskanische Inquisitionsgericht wurde 1782 aufgehoben und auch sonst verlor der Klerus an Einfluss, wenn auch nicht so drastisch wie in Wien während der Alleinregierung Josephs. Die Nähe Roms zwang Leopold zur Behutsamkeit.

      Eine einschneidende politische Maßnahme war die allmähliche Abschaffung der Adelsprivilegien. Leopold ließ keinen Zweifel darüber bestehen, dass er nichts von gesellschaftlicher Ungleichheit hielt. Zielstrebig und konsequent verfolgte er seine Pläne zur Nivellierung der Gesellschaft und zeigte dabei eine „Festigkeit jener Art, die große Staatsmänner besitzen“ (Robert J. Kerner). Als Schlusspunkt und Gipfel seiner Bestrebungen – und hierin besteht das tatsächlich Sensationelle an Leopolds Regierung – war eine Selbstentmachtung vorgesehen. Für das absolute Königtum war im System Leopolds, ganz im Gegensatz zu Joseph und dessen Ideenwelt, kein Platz. So war es nur folgerichtig, dass Leopold beharrlich an einem Verfassungsprojekt arbeitete, das die ganze Gesellschaft revolutioniert hätte. In diesem geheimen Plan war dem Herrscher eine ähnliche Funktion zugedacht wie in unseren modernen konstitutionellen Monarchien.

      Unmittelbar nach einem Besuch in Wien beauftragte er 1778 einen vertrauten Ratgeber, den Senator Gianni, mit der Ausarbeitung einer Konstitution für die Toskana. Nach unzähligen Sitzungen, verworfenen Entwürfen und Zwischenstufen kam am 8. September 1782 die dritte, endgültige Fassung dieses Verfassungsgesetzes zustande. In dem Gesetzentwurf, der von Vordenkern der Französischen Revolution wie Turgot und von den ersten amerikanischen Einzelstaatsverfassungen beeinflusst wurde, zeigt sich Leopold als radikaler Vorkämpfer der Gleichheitsidee.

      Der Herrscher muss, als erster Diener seines Staates, auf die Verfassung schwören. Seine Herrschaftsrechte werden weitgehend eingeschränkt. Ohne Zustimmung des Parlaments darf er weder Krieg führen noch Bündnisse schließen. Die Finanzen des Staates müssen von den Finanzen des Herrschers getrennt werden. Ohne Mitwirkung der Volksvertretung darf der Fürst nur den Oberbefehl über das Militär ausüben, die Offiziere, Richter, Minister, die Beamten des Staatsapparats und die Erzbischöfe ernennen, Gnadengesuche beantworten sowie Adelsdiplome und Ehrentitel verleihen. Die Adelsprivilegien werden aufgehoben. Alle Bürger des Staates haben die gleichen Rechte mit Ausnahme des Wahlrechts, das allen Einwohnern über 25 Jahren zusteht, welche den Besitz eines Stückes Land, eines Hauses oder Ladens nachweisen können.

      Charakteristisch für den Inhalt des Projektes ist jener Idealismus, der mit der amerikanischen Bürgerrechtserklärung und den ursprünglichen Idealen der Französischen Revolution enge Verwandtschaft aufweist. Diese Verwandtschaft beruht nicht auf Zufall. Leopold unterhielt enge Kontakte zu Amerikas „Gründervätern“ Benjamin Franklin und Thomas Jefferson, die nachweislich von seiner Reformtätigkeit inspiriert wurden. Auch mit dem toskanischen Nord-Amerikaner Filippo Mazzei stand er in regem Austausch, sodass man zu Recht sagen kann, Leopold selbst gehöre zu den geistigen Vätern der amerikanischen Verfassung von 1776.

      Leopolds Erfolge blieben nicht unbeachtet. Bereits nach zwei Jahrzehnten hatte Leopold das heruntergewirtschaftete und rückständige Großherzogtum in ein „Musterländle“ umgewandelt, in ein florierendes Land mit zufriedenen Bürgern, in dem der um sich greifende Revolutionsgeist keinen Nährboden, aber eine unablässige Inspirationsquelle fand.

      Indessen leuchtet es ein, dass nicht jeder Zeitgenosse mit gleicher Begeisterung in Richtung Toskana blickte. Wer glaubt, dass die privilegierten Stände der Toskana den Verlust ihrer Privilegien als reinen Genuss empfunden hätten oder dass Leopolds Pazifismus von Marschällen wie Laudon, Lacy und Colloredo mit Wohlwollen aufgenommen worden wäre, lebt tatsächlich in einer anderen Welt, nicht in der unsrigen, die sich in den letzten Jahrhunderten gar nicht so sehr verändert hat, wie die meisten denken.

      Selbstverständlich hatte Leopold viele Feinde oder nennen wir sie lieber Widersacher. Kennzeichnend für diese Widersacher ist, dass man sie fast ausschließlich in den höchsten Kreisen der Gesellschaft suchen muss, kennzeichnend ist auch ihre Heimlichkeit. Denn keiner von ihnen besaß die gesellschaftliche Position, Leopold zu rügen oder auch nur zur Rede zu stellen. Wohl verfügten manche Feudalfürsten und Kriegsherren über Macht und fast unbeschränkten Reichtum, aber in der Rangordnung des Staates waren sie allesamt dem Erz- und Großherzog untergeordnet. Notgedrungen mussten Leopolds Widersacher gute Mienen zum bösen Spiel machen, so wenig diese Art des Handelns ihnen auch gelegen haben mag.

      Der einzige Trost für die bedrohten Privilegierten lag darin, dass die Toskana nur einen kleinen Teil des abendländischen Raums darstellte. Wer von den einheimischen Adligen reich und pfiffig war, rettete seine Privilegien und Besitztümer, indem er seinen Hauptwohnsitz ins nahe gelegene Königreich Neapel-Sizilien verlegte. Während Leopolds Regierung fand eine wahre Emigrationswelle der Reichsten des Landes


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