3000 Plattenkritiken. Matthias Wagner

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3000 Plattenkritiken - Matthias Wagner


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Sarajewo“ von U2 liegen Welten. Wer indes so viel von sich hält wie George Michael und auch so viel kann, der findet einen gemeinsamen Nenner für beide: den Barjazz. Für sein viertes Soloalbum knöpft sich der edelste aller Popcrooner seine Lieblingssongs des Jahrhunderts vor, zieht ihnen Glitzerkleider über und nähert sich ihnen mit dem Cocktailglas in der Hand. Seinem vokalen Schmelz kann sich keins dieser Stücke verweigern – sogar Stings einst hysterisches „Roxanne“ verwandelt George in einen Soundtrack zum letzten Drink, bevor der Morgen graut.

      Goldie

      „Ring of Saturn E. P.” (1999)

      Drum & Bass ist tot, und Goldie gehörte mit seinem egomanischen Flopalbum „Saturnz Returnz“ zu den prominentesten Totengräbern. Jetzt versucht er (verzweifelt?), das kommerzielle Desaster abzufedern, indem er das monströse, überambitionierte Stück „Mother“ auf sieben Minuten verdichtet. Trotz der Hilfe von Optical und ein wenig Techno wird’s zum letzten Zucken eines (auch von uns) heillos Überschätzten. Auch Jonny L merkt auf seinem Album „Magnetic“ (Intercord) nicht, dass die wortwörtliche Reduktion auf Drum & Bass nur noch langweilt. Sein staubtrockenes Werk ist höchstens state of last year’s art – auch die eingestreuten Raps retten es nicht.

      Gus Gus

      „This is normal” (1999)

      Nur die englischen Kollegen von Everything But The Girl unternehmen ähnliche Klangreisen durch urbane Nächte wie Gus Gus. Dabei können sie im heimischen Island kaum Metropolenerfahrung gesammelt haben. Doch die kühle Kernfusion aus Lounge, Soul und geschmeidigen Grooves ist nicht weniger verführerisch als jene des englischen Duos. Flink, aber nicht hektisch, seelenvoll, doch ohne Pathos arrangieren sie Songs, denen man Farben wie nachtblau oder silbern zuschreiben möchte. Dabei geht dieses Album ganz anders los: als hätten sich die Propellerheads an den Doors vergriffen. Popgeschichte scheint also selbst im Land der Geysire Unterrichtsfach zu sein.

      Hayden

      „The closer I get” (1999)

      Ein heftiges Schlagzeug, das so tut, als wolle es in Wahrheit zart sein und sei nur vor lauter Unbeholfenheit laut. Ein Mann namens Hayden, der schüchtern singt und dazu Orgel, Saxofone und Gitarren behandelt, also für nahezu alles verantwortlich ist an pseudoamateurhaftem Charme, der dieses wunderliche Album auszeichnet. Hayden gehört zu jenen Gestrandeten der Fußgängerzonen, zu jenen Träumern in karierten Hemden, die ihre Augen zukneifen, wenn sie fotografiert werden. Ein stiller, trauriger Slacker, der davon singt, wie es ist, vor der Haustür eine Kugel zu finden, die ihm gegolten hat. Und der sich dann doch entschließt, zu den Gewinnern zu gehören, egal, was es ihn kostet. Hayden ist wie Neil Young, der seine Wut verloren hat. Aber nicht seinen Mut.

      Hevia

      „Tierra de Nadie – No Man’s Land” (1999)

      Mit dem Dudelsack die Herzen der Spanier zu erobern, ist eigentlich so erfolgversprechend wie Don Quijotes Angriff auf Gebäude, die der Getreidezerkleinerung dienen. Denkste: Sechs Wochen lang klammerte sich José Angel Hevias Album in Spanien an die Chartsspitze. Dabei klingt es, als habe Alan Stivell die Leitung einer schottischen Marschkapelle übernommen, die gerade einen WM-Sieg der Fußballer feiert: keltisch und gravitätisch. Doch der Beat und die Technik, mit der der Sack dudelt (MIDI!), sind hochmodern – und so lassen sich auch Spanier olle Traditionen neu verkaufen. Gewagt, diese Reise ins musikalische Niemandsland. Aber Hevia bläst ihm Leben ein – das von gestern und das von heute.

      High Llamas

      „Snowbug” (1999)

      Wir haben gerätselt. Wie soll man das nun nennen – Easy Listening? Klingt zu seicht. Avantgardepop? Klingt nach anstrengend. Wie also eine Musik begrifflich fassen, die hin und her schwebt zwischen dem Charme des Federleichten und belangloser Schönheit, zwischen einem Frühling in Somerset und dem beschaulichen Kitsch einer Postkarte davon? Mich jedenfalls wunderte es nicht, wenn Eric Rohmer, inspiriert davon, seinen nächsten Film in England drehte, nur um Sean O’Hagan & Co. den Soundtrack komponieren zu lassen. Anders als früher nämlich verlieren sie sich nicht mehr im Ungefähren, im Geplinker. Ihre Songs haben Anfang und Ende, haben Gitarren, Vibrafone und alles mögliche mehr. Aber wie soll man das bloß nennen? Na ja, noch mal auflegen, vielleicht kommt dann der rettende Einfall.

      Huong Thanh

      „Moon and Wind – New Songs of Viêt-Nam created by Nguyên Lê” (1999)

      Wer das Cover sieht, wo Huong Thanh uns in vietnamesischer Tracht entgegenlächelt, wird einen falschen Eindruck gewinnen vom puristischen Gehalt dieser Platte. Denn obgleich mancher Song schon fünf Jahrhunderte auf dem Buckel hat, schafft der erwiesenermaßen ostwestliche E-Gitarrist Nguyên Lê der aparten Sängerin ein elegisches modernes Soundambiente, in der ihre helle Stimme frei schweben kann. Der Blick auf Vietnam ist in diesen Songs ein wehmütiger, einer aus der europäischen Ferne, wo Lê und Thanh vor langer Zeit strandeten – und doch ihre Bindung nie verloren, auch wenn nun die westliche E-Gitarre dominiert.

      Iggy Pop

      „Avenue B” (1999)

      Als er am Ende war, beschloss Iggy, endlich eine Balance zu finden „between joy and dignity“. Das verrät er in einem kurzen Monolog zu schweren Streichern am Anfang eines streckenweise melancholischen und manchmal gar entspannten Albums. Schließlich altert auch ein Punk; irgendwann verheilen die Wunden durch Rasierklingen nicht mehr so schnell wie früher, und man muss sich überlegen, sie nur noch zum Rasieren zu benutzen und nicht mehr für effekthascherische Blutorgien auf der Bühne. Mit nasaler Stimme singt der 52-Jährige von diesem Reifeprozess, von seinen Gefühlen, seiner Einsamkeit und seiner Angst vor Nähe. Eine Hälfte lang ein Singer/Songwriter-Album, unblutig und intim. Am Ende versucht Iggy dann, druckvoller, schräger zu werden, dann fällt das Album ab.

      Jacques Loussier Trio

      „Ravel: Bolero” (1999)

      Erstmals in den vier Dekaden seiner Klassikverjazzung hat Loussier sich vergriffen. Die spiralige Strenge des „Bolero“, die Unausweichlichkeit des Ziels versucht er in bewährter Manier mit den Mitteln des Jazztrios aufzulösen, doch der sperrt sich. Den „Bolero“ drängt es zur Erlösung, nicht zur Tändelei, und dabei geht ihm die fiebernde Erregung verloren – also das, was ihn so einmalig macht. Loussiers eigene Komposition „Nymphéas“, die das Album auf Länge bringt und eine Hommage ist an Monet, glänzt dagegen mit einem impressionistisch warmen Ton, der sich wunderbar vereint mit den traumwandlerisch hingetupften Klangfarben des Trios.

      James Brown

      „I’m back” (1999)

      Alles da. Das kurze, trockene Funkklampfenstakkato, James Browns vokale Ekstase, herzhafte Bläserfürze, hinten der Hupfdohlenchor, neuerdings sogar dosiertes Scratching, Sampling und Remixe. Nun, wir wissen ja: Im Knast lernt man am meisten, und der Godfather des Soul hat dort genug Zeit verbracht, um gerüstet zu sein fürs moderne Leben draußen, wo seine Enkel irgendwann anfingen, rumzuturnen in Dr.-Martens-Sneakers und all das, was Brown seit 1956 sang, schrie und stöhnte, zu geheimnisvollen Ghettogesten zu rappen. Der Meister also war gelehrig, und doch reißt uns seine Rückkehr ganz und gar nicht vom Barhocker. Denn das kurze, trockene Funkklampfenstakkato haben die Dr.-Martens-Kids schon zu oft gesampelt, als das man es nicht augenblicks als Selbstzitat identifizierte, und die Ekstase des Soulpaten, die er – dramaturgisch unklug – schon im ersten Song „Can’t stand it“ aus- und dann nie mehr wegpackt, wirkt oft wie gemimt – als hätte Brown sich seine alten Alben angehört, „Ah, so“ gemurmelt und im Studio die Mimese geübt. Brandheißer Funkfood, klar; gekocht aber nicht auf dem Herd, sondern in der Mikrowelle.

      Jan Erik Kongshaug

      „The


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