Henochische Magie - Band 1. Frater LYSIR
Читать онлайн книгу.Medium, doch trat er bei solchen Arbeiten lieber in den Hintergrund.
Eine Besonderheit, die noch zu erwähnen ist, ist das Gerücht über die zum Teil wissenschaftlichen Methoden. Dee soll diese mit der rituellen Magie verbunden haben, sodass man teilweise von einer gewollten „magischen Beweisführung“ sprechen könnte. Er soll seine magischen Arbeiten stets wie ein naturwissenschaftliches Experiment gegliedert haben, d. h., er führte jeweils eine sehr strukturierte Planung aus, zeichnete alle Ergebnisse genau auf, und analysierte so seine Fortschritte bzw. seine Fehlschläge.
Die Grundarbeit der beiden Magier, die Engelsvisionen, geschahen durch einen sogenannten „Schaustein“, ein polierter Edelstein bzw. ein Kristall, der von Kelley als Fokussierung (ähnlich der Spiegelmagie, „Scrying Mirror“) benutzt wurde. Der Kristall gehörte jedoch Kelley, der ihn als „Gabe der Engel“ deklarierte, da die Engel ihm diesen Kristall wortwörtlich durch sein westliches Fenster brachten. Dies soll erst einmal unkommentiert bleiben, obwohl eine solche Erzählung als eine beliebte Egogeschichte von Männern gedeutet werden kann. Mittelalterliche Magier berichten sehr gerne, dass die Engel oder Götter physisch erschienen und irgendwelche tollen Dinge bzw. Werkzeuge den Menschen gaben. Dies ist meist nicht mehr als die Aufpolierung eines menschlichen Egos und recht erbärmlich. Zwar könnte es auch eine „Begegnung der dritten Art“ gewesen sein, doch ist dies eher unwahrscheinlich. Da jedoch die Engel oder die „guten Geister“ den Stein physisch Dee und Kelley brachten, ist es nicht verwunderlich, dass diese Geister auch bei den magischen Sitzungen der beiden Magier aus dem Schaustein heraus kamen und im Zimmer umher flogen. Wie viel Wahrheit steckt in diesen Aussagen und Behauptungen? Wird hier nur dem Ego eines magischen Menschen gehuldigt, sodass man den Bericht als überflüssige Geschichten deklarieren kann. Vielleicht, denn selbst wenn es eine energetische Manifestation gegeben hätte, sollte der Schutzkreis oder das Beschwörungsdreieck die energetischen Wesen begrenzen. Doch was ist Realität? Was ist Wahrheit? Kommt es nicht immer auf einen individuellen Betrachtungswinkel an?
In den verschiedenen Arbeiten von Dee und Kelley entstanden auch die 48 bzw. 19 henochischen Schlüssel (der 19. Call gilt für die 30 Aethyre, wo 30-mal ein individueller Name eingesetzt wird – manche Quellen rechnen daher den 19. Call so um, dass es insgesamt 30 Calls sind, da immer ein anderer Name eingesetzt wird). Die Schlüssel bzw. die Calls wurden von Erzengel Gabriel bzw. Nalvage diktiert, jedoch rückwärts, da die „Engelssprache“ (die später von Dee und Kelley als „henochisch“ bezeichnet wurde) so machtvoll war/ist, dass eine unbeabsichtigte Aussprache verheerende Wirkungen nach sich ziehen würde. Nun, auch das ist Blödsinn, denn man kann die Calls sooft zitieren, wie man will, wenn keine innere Energetik vorhanden ist, man selbst seine Chakren und Energiekörper nicht öffnet, spricht man irgendwelche sinnfreien Zungenbrecher aus.
Man muss die henochische Sprache IN SICH SELBST zum Schwingen bringen – alles andere sind Egowarnungen, da man ja mit „ach-so-gefährlichen“ Dingen arbeitet.
Das Arbeiten von Dee und Kelley erinnerte ein wenig an eine telegrafische Übermittlung oder an ein kosmisches Bingospiel. In seiner Vision sah Kelley die Engel, die die entsprechenden henochischen Buchstaben zeigten bzw. diese präsentierten. Kelley gab diese Informationen an Dee weiter, der an einem „magischen Tisch“ saß, wo alle henochischen Buchstaben auf Buchstabentafeln aufgeschrieben waren. Dadurch, dass Kelley vom Engel die Reihe und Spalte bekam, (es wird berichtet, dass der Engel auf diese Bereiche der Tafel stets nur deutete) konnte Dee in einem sehr langsamen Diktat die henochische Sprache niederschreiben. Die Ansammlungen dieser magischen Tafeln heißen „Liber Loagaeth“ (wortwörtlich für „Rede von Gott.“). Die Originalaufzeichnungen, sowie sie heute im Britischen Museum zu sehen sind, sind jedoch größtenteils sehr, sehr rudimentär. Erst die Magier des Golden Dawn im 20. Jh. strukturierten das System so, wie es heute oft verwendet wird. Dies gilt speziell für die „henochischen Pyramiden“, die „henochische Aussprache“ und die allgemeine Arbeitsweise mit dem Henochischen. Die henochische Magie wäre in der Versenkung verloren, wenn John Dee nicht ausführliche Tagebücher verfasst hätte, die bis heute noch erhalten sind. Dee versuchte, so genau wie möglich, die Arbeiten und die medialen Eindrücke von Edward Kelley festzuhalten. Da Dee ein frenetischer Schriftsteller war, ist es nicht verwunderlich, dass er seine magischen Operationen so genau festhielt. Es ist sowieso sehr, sehr sinnig ein magisches Tagebuch zu führen und auch wenn Dee sicherlich nicht der Erste war, der ein „Buch der Schatten“ hatte, waren seine Tagebücher doch ausschlaggebend für das Überleben der henochischen Magie. Doch nicht alle henochischen Fragmente kamen allein aus der geistigen Welt.
Dee war auch ein begeisterter Forscher, der gern in alten Skripten „wühlte“, um vergessenes oder verborgenes Wissen erneut ans Tageslicht zu holen. So soll Dee u. a. Schriften des Propheten Enoch bzw. Henoch besessen haben, wobei es nicht ganz klar ist, um welche apokryphen Schriften es explizit ging. Es gibt insgesamt 3 Henoch-Bücher, wobei das erste primär in äthiopisch und sekundär in Aramäisch verfasst war, mit winzigen griechischen Fragmenten – es trägt auch den Namen „Äthiopisches Henochbuch“. Das zweite Henochbuch, mit dem Titel „Slawisches Henochbuch“ soll nur in Kirchenslawisch existieren. Hierbei handelt es sich um eine traditionelle Liturgiesprache, die von der orthodoxen Kirche primär verwendet wurde. Diese Sprache wurde jedoch erst 860 entwickelt – weit, weit nach Henoch, was wiederum bedeutet, dass das zweite Henochbuch eine Übersetzung war. Das dritte und letzte Henochbuch – das hebräische Henochbuch – war in Hebräisch verfasst.
Da Dee definitiv ein Gelehrter und ein typischer Renaissancemensch war, erkannte er für sich (so sagt er über sich selbst), dass materieller Reichtum irrelevant sei und nur die göttliche Weisheit zählen würde. Gleichzeitig muss er aber dennoch sehr genau gewusst haben, dass man göttliche Weisheit leichter erlangen kann, wenn man sich nicht um Profanitäten wie Geld kümmern muss. Dem ungeachtet, versuchte Dee, sich magisch zu evolutionieren und in bzw. durch die henochischen Magie war dies ohne Weiteres möglich.
Die Arten der magischen Operationen waren jedoch im Gegensatz zu den heutigen Operationen vollkommen anders. Im Grunde liefen die Vorbereitungen stets so ab, dass Dee und Kelley sich ca. 1h vor der eigentlichen Arbeit energetisch via Gebete hochfuhren, sodass sie „innerlich und äußerlich“ mit Gott verbunden waren. Dies ist für viele spirituelle Menschen heutzutage vollkommen utopisch, da man noch nicht einmal für 10 Minuten den gedanklichen Fokus auf eine magische Arbeit setzen kann – geschweige denn über 1h.
Durch die Vorbereitungen wurde ein ekstatischer Zustand erreicht bzw. zumindest angestrebt. Nachdem dieser Zustand erreicht wurde, wurde der Schaukristall verwendet, d. h., „die guten Geister“ wurden gebeten zu erscheinen. Das Schauen selbst übernahm aber primär Edward Kelley, da John Dee nicht über die „medialen Fähigkeiten eines Edward Kelley“ verfügte. Kelley diktierte Dee alles, was er sah bzw. wahrnahm bzw. was die Engel oder guten Geister im zeigten und Dee schrieb alles gewissenhaft auf.
John Dee soll mit der Zeit auch immer wieder Abschriften und Kopien erstellt haben, sodass einige der Exemplare von einem gewissen Robert Cotten – zusammen mit Dee’s Bibliothek – erworben wurden. Dee soll primär die henochischen Calls, die Buchstaben- und Zahlentafeln kopiert haben, sodass diese Informationen es auch in die „heute Zeit“ geschafft haben. Ein weiterer „günstiger Umstand“ war das Sicherheitsdenken von John Dee, da er große Teile seines magischen Tagesbuches in einem Geheimfach – munkelt man – gehabt haben soll, sodass diese eher durch Zufall gefunden wurden. Hierbei sollen die Texte seines „De Heptarchia Mystica“ und des „Liber Loagaeth“ gewesen sein. Erst im Jahr 1662 – also ca. 54 Jahre nach Dee’s Tod – wurden diese gefunden. Es dauerte 10 weitere Jahre, bis die Texte von Dee in die Hände eines gewissen Elias Ashmole gerieten, der sie zu schätzen wusste. Elias Ashmole war Wissenschaftler, Magier und Alchemist. Aus seinen eigenen Tagebüchern her ist überliefert, dass er am 16.10.1646 Mitglied einer Freimaurerloge wurde, sodass man Ashmole unterstellen kann, sich zumindest magisch interessiert zu haben. Ashmole soll ausgesagt haben, dass viele der Aufzeichnungen wertlos seien – in Bezug auf das magische Wissen – und dass man sehr viel „filtern“ musste, sodass man das „Wichtige vom Unwichtigen trennen konnte“. Natürlich handelte ein großer Teil des magischen Tagesbuches von John Dee, aber auch von anderen magischen und rituellen Arbeiten, die keinen direkten Bezug zu der