Französische Sprachwissenschaft. Elissa Pustka

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Französische Sprachwissenschaft - Elissa Pustka


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» (Beispiele aus SABATIER 2014).

      Der französische SMS-Slang (langage texto) hat mit der Verbreitung von Handy und Internet ab Ende der 1990er Jahre schnell die Aufmerksamkeit der Sprachwissenschaft und der Massenmedien auf sich gezogen. « Parlez-vous texto ? » titeln regelmäßig Bücher, Zeitungsartikel und Blogs, um die Erwachsenenwelt in die vermeintliche Geheimsprache der digital natives einzuweihen (z. B. SABATIER 2014). Mittlerweile sind sogar mehrere Romane im Chat-Slang erschienen. Aber auch große internationale Forschungsprojekte widmen sich dem Thema, u. a. sms4science (2007–2016; www.sms4science.org) und What’s up, Switzerland? (2016–2020; www.whatsup-switzerland.ch).

       Das Forschungsprojekt sms4science

      Mit dem Aufruf « Faites don de vos SMS à la science ! » hat 2004 in Belgien die erste große SMS-Sammlung stattgefunden. Zwei Monate lang haben insgesamt 3300 Personen 75500 ihrer bereits geschriebenen SMS an ein Forschungsteam weitergeleitet. 2275 von ihnen haben zudem einen Fragebogen zu ihrem soziodemographischen Profil und ihrem Medienverhalten ausgefüllt. Die Teilnehmer*innen waren zwischen 12 und 73 Jahre alt, 76 % unter 25 Jahren. Im Anschluss wurde das Projekt auf La Réunion, die Schweiz, Québec und mehrere französische départements ausgeweitet (www.sms4science.org/). Auf dieser Datenbasis haben die Forscher*innen herausgefunden, welche der in den Massenmedien beschriebenen Merkmale des langage texto auch wirklich existieren, wie häufig sie sind und inwiefern sich die SMS von Jugendlichen und Erwachsenen unterscheiden (vgl. FAIRON/KLEIN/PAUMIER 2006).

      Schreibstrategien

      Wie die Beispiele zeigen, zeichnen sich französische Textnachrichten durch eine ganze Reihe von Schreibstrategien aus:

       Abkürzungen: Weglassen der Vokale (z. B. bcp für beaucoup), des Wortendes (z. B. dak für d’accord) oder des Wortanfangs (z. B. net für internet);

       Siglen: Reduktion auf die Anfangsbuchstaben (z. B. mdr für mort de rire);

       Expressive Längungen (z. B. ke jeu taimmmmmmeu für que je t’aime);

       Rebus-Prinzip: Verwendung von Ziffern, Buchstaben und Symbolen als Lautzeichen (z. B. a2m1 für À demain !, OKLM für au calme, A+ für À plus tard !);

       Pseudo-phonetische ‘Transkription’ (z. B. kwa für quoi);

       Anglizismen (z. B. LOL für laughing out loud);

       Emoticons (z. B. :-), xD), später auch Emojis (z. B. );

       Merkmale der konzeptionellen Nähesprache (vgl. Kapitel 1.1.1), u. a. Wegfall des ne der Negation (z. B. C pa grav für Ce n’est pas grave).

      Der langage texto hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten mit der Veränderung der Technik aber auch rasant weiter- und auseinanderentwickelt. Als es noch darauf ankam, auf einem Handy mit neun Tasten SMS von maximal 160 Zeichen zu tippen, war der SMS-Slang durch extreme Abkürzungen geprägt. Durch die automatische Textergänzung sind diese zurückgegangen. Diese Abkürzungen waren keineswegs Innovationen, sondern bauten auf der Tradition handschriftlicher Notizen auf. Die wichtigsten davon lernt man in Frankreich sogar in der Schule. Für das Mitschreiben von Vorlesungen an der Universität sind sie besonders nützlich. Die Hauptstrategie dabei ist das Weglassen der Vokale (z. B. bcp für beaucoup). Tab. 1.4 gibt einen Überblick über die wichtigsten französischen Abkürzungen.

Abkürzung Vollform
bcp beaucoup
ds dans
ns nous
pb problème
pr pour
qd quand
tjs toujours
tps temps
tt tout
qqch quelque chose
cad c’est-à-dire
(z. B. solut°) -tion
-mt (z. B. évidemmt) -ment
même

      Tab. 1.4:

      Französische Abkürzungen.

      Zu diesen Abkürzungen für das Mitschreiben kommen in der digitalen Kommunikation Abkürzungen in anderen Wortschatzbereichen hinzu. Dazu gehören insbesondere die Kommunikationssituation am Handy oder Computer (z. B. OCP für occupé) sowie der Ausdruck von Emotionen (z. B. dsl für désolé). Die Kürzungen von Wortanfängen und -enden, die man im langage texto findet, sind dagegen nichts Neues: aprem, ptit dèj etc. gab es schon vor der Verbreitung der computervermittelten Kommunikation.

      Eine spezielle Form der Abkürzung ist die Siglenbildung, bei der aus den ersten Buchstaben der Wörter einer Konstruktion ein neues Wort gebildet wird. In SMS finden sich LOL (laughing out loud) und seine französische Entsprechung mdr (mort de rire). Sehr viel häufiger sind Siglen im Instant Messanger-Dienst Discord, in dem man beim Computerspielen chattet. Dort finden sich sowohl für diese Kommunikationssituation spezifische Ausdrücke (z. B. AFK für away from keyboard, GG für good game) als auch Flüche, Beleidigungen und Beschimpfungen – die sich durch die Emotionalität der Situation erklären lassen (z. B. BLC für je m’en bats les couilles !, FDP für fils de pute, TG für Ta gueule !).

      Eine entgegengesetzte Versprachlichungsstrategie zu Abkürzungen sind expressive Längungen durch die Wiederholung von Buchstaben wie <ke jeu taimmmmmmeu> für que je t’aime. Diese haben keinerlei Entsprechung in der Phonie. Alternativ werden zur Unterstreichung der Relevanz des Gesagten sowie zur Imitation hoher Lautstärke auch Großbuchstaben eingesetzt, z. B. <JT ADOOOR> für je t’adore (Beispiele aus FAIRON/KLEIN/PAUMIER 2006: 40).

      Platz einsparen lässt sich auch durch das Rebus-Prinzip.


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