Handbuch des Strafrechts. Bernd Heinrich
Читать онлайн книгу.werden kann.[345] Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine weniger fragmentarische Regelung in Bezug auf die Forschung mit Leichen(teilen) wünschenswert wäre.[346]
IV. Umgang mit Körpermaterialien
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Werden im Rahmen einer Therapie Körpermaterialien entnommen, so setzt deren Verwendung zu Forschungszwecken die Einwilligung des Patienten voraus, da dieser (persönlichkeitsrechtlich überformtes) Eigentum an den Materialien erwirbt.[347] Die Sacheigenschaft der Materialien i.S.v. § 90 BGB wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann verneint, wenn keine endgültige Abtrennung stattfindet, sondern eine spätere Wiedereingliederung durchgeführt werden soll.[348] In der Regel wird der Patient kein Interesse an den entnommenen Materialien haben, weshalb das Eigentum im Wege der Dereliktion und nachfolgenden Aneignung auf den behandelnden Arzt oder den Krankenhausträger übergeht.[349] Wird die Substanz jedoch nicht entsorgt, sondern soll mit ihr Forschung betrieben werden, ist nach überwiegender Ansicht aufgrund der persönlichkeitsrechtlichen Überformung des Eigentums eine ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen erforderlich.[350] Problematisch sind insofern die Einwilligungsklauseln in den AVB mancher (Universitäts-)Kliniken.[351] Strafrechtlich ist die Entnahme von Körpermaterialien als tatbestandsmäßige Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu bewerten, welche der Einwilligung des Betroffenen bedarf;[352] die eigenmächtige Verwendung der (derelinquierten[353]) Körpermaterialien zu Forschungszwecken vermag demgegenüber allenfalls zivilrechtliche Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu begründen.
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Im Rahmen der medizinischen Forschung mit Körpermaterialien ist darüber hinaus die Datenschutz-Grundverordnung (VO [EU] Nr. 2016/679) (DSGVO)[354] zu beachten, welche punktuell durch das Bundesdatenschutzgesetz ergänzt wird;[355] hinzu kommen ggf. die bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Vorschriften des Arzneimittelrechts, die in Zukunft ihrerseits durch die VO (EU) 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln geprägt sein werden.[356] Damit die Verarbeitung personenbezogener Daten[357] zulässig ist, ist nach der DSGVO entweder eine diese erlaubende Rechtsvorschrift oder die Einwilligung der betroffenen Person erforderlich (vgl. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a und Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO), wobei letztere gemäß Art. 4 Nr. 11 DSGVO in schriftlicher, mündlicher oder anderer Form abgegeben werden kann.[358] Art. 5 Abs. 1 lit. b Halbs. 2 DSGVO enthält insofern eine Privilegierung der wissenschaftlichen Forschung, als eine Weiterverarbeitung u.a. für wissenschaftliche Zwecke nicht von vornherein als unvereinbar mit dem Grundsatz der Zweckbindung angesehen wird; darüber hinaus enthält Art. 5 Abs. 1 lit. e Halbs. 2 DSGVO eine Einschränkung der Speicherbegrenzung in zeitlicher Hinsicht. In beiden Fällen wird auf Art. 89 Abs. 1 DSGVO Bezug genommen, der u.a. „technische und organisatorische Maßnahmen“ verlangt, „mit denen insbesondere die Achtung des Grundsatzes der Datenminimierung gewährleistet wird“ (S. 2). Als Beispiel für derartige Maßnahmen wird die Pseudonymisierung genannt (S. 3).[359] Für die Verarbeitung u.a. von Gesundheitsdaten[360] enthält Art. 9 Abs. 1 DSGVO ein Verbot, von dem Abs. 2 der Vorschrift unter bestimmten Voraussetzungen[361] Ausnahmen z.B. für Zwecke der Gesundheitsvorsorge, aufgrund eines Vertrags mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs (lit. h) sowie aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit (lit. i) macht.[362] Für Verstöße gegen die in Art. 5 und 9 DSGVO normierten Vorgaben sieht Art. 83 Abs. 5 lit. a DSGVO die Verhängung von Geldbußen von bis zu 20 000 000 EUR oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs vor; insofern erklärt § 41 Abs. 1 S. 1 BDSG die Vorschriften des OWiG für entsprechend anwendbar.
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Die Entwicklung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten mit Körpermaterialien unterfällt der VO (EG) Nr. 1394/2007 und den Regelungen zu neuartigen Therapien im Arzneimittelgesetz (vgl. § 4b AMG).[363] Als mögliche Forschungsobjekte kommen Biomaterialien wie Gewebe, Blut und andere Körperflüssigkeiten, Enzyme, einzelne Zellen oder ganze Organe, Haare oder Knochen in Betracht.[364] Die Gewinnung von Blutprodukten ist durch das Transfusionsgesetz geregelt; erstreckt sich die Forschung auf Stammzellen oder Embryonen, so können das Stammzellgesetz oder das Embryonenschutzgesetz einschlägig sein (vgl. Rn. 105, 108 f., 112). Wird mit Gewebe oder Organen geforscht, so ist das in § 18 TPG strafbewehrte Verbot des Organ- und Gewebehandels des § 17 TPG zu beachten, das allerdings gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TPG nicht auf zugelassene, registrierte oder von der Zulassung freigestellte Arzneimittel Anwendung findet, die aus Organen oder Geweben hergestellt werden. Gleiches gilt gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TPG a.E. für Wirkstoffe i.S.d. § 4 Abs. 19 AMG, die aus oder unter Verwendung von Zellen hergestellt wurden.[365]
V. Genetische Forschung und molekulare Medizin
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Erhebliche praktische Bedeutung haben überdies die genetische Forschung und die molekulare Medizin gewonnen, die sich mit der systematischen Aufklärung der molekularen Krankheitsätiologie und den daraus abzuleitenden Therapiemaßnahmen beschäftigen. Dabei wird vorrangig auf dem Gebiet der somatischen Gentherapie geforscht, die darauf abzielt, anhand von Erkenntnissen über die Genexpression einen diagnostischen, therapeutischen oder präventiven Nutzen zu erlangen.[366]
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Die in diesem Zusammenhang zur Anwendung kommenden Gentherapeutika sind Arzneimittel für neuartige Therapien i.S.v. Art. 2 Abs. 1 lit. a Alt. 1 der VO (EG) Nr. 1394/2007, § 4 Abs. 9 AMG. Die Verordnung sieht für das Inverkehrbringen derartiger Arzneimittel grundsätzlich ein zentralisiertes Zulassungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) vor, nimmt jedoch hiervon solche Arzneimittel für neuartige Therapien aus, „die nicht routinemäßig nach spezifischen Qualitätsnormen hergestellt und in einem Krankenhaus in demselben Mitgliedstaat unter der ausschließlichen fachlichen Verantwortung eines Arztes auf individuelle ärztliche Verschreibung eines eigens für einen einzelnen Patienten angefertigten Arzneimittels verwendet werden“ (Erwägungsgrund 6 und Art. 28 der VO [EG] Nr. 1394/2007; sog. Krankenhausprivileg).[367] Deren Herstellung bedarf gemäß § 4b Abs. 1 S. 2, § 13 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 AMG der Genehmigung der zuständigen Landesbehörde, die gemäß § 13 Abs. 4 S. 2 AMG im Benehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut als der zuständigen Bundesoberbehörde ergeht (vgl. § 77 Abs. 2 AMG), und auch für die Abgabe an andere sieht § 4b Abs. 3 AMG ein Genehmigungserfordernis vor.[368] Verstöße gegen die vorerwähnten Genehmigungserfordernisse sind bei vorsätzlicher Begehung strafbar gemäß § 96 Nr. 1, 4 AMG; bei fahrlässiger Verwirklichung stellen sie eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 AMG dar. Da für die Herstellung der Gentherapeutika ein großer Aufwand betrieben werden muss, werden diese regelmäßig von akademischen Forschungsgruppen oder kleinen Biotech-Unternehmen entwickelt.[369] Bei diesen dominiert das Interesse an wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn, weshalb die Versuchsbehandlungen trotz der Eröffnung von reellen Heilungschancen für die teilnehmenden erkrankten Probanden als Forschungseingriffe in Form der klinischen Studie zu qualifizieren sind, deren rechtliche Beurteilung den §§ 40 ff. AMG folgt.[370] Aufgrund der mit der Anwendung von Gentherapeutika verbundenen Risiken, kommen nur Studien mit einschlägig Erkrankten in Betracht, bei denen die strengen Voraussetzungen gemäß § 41 AMG zu beachten sind.[371] Verstöße gegen diese Vorgaben können wiederum eine Strafbarkeit nach den Delikten gegen Leib und Leben sowie eine solche gemäß § 96 Nr. 10, 11 AMG auslösen (ausf. dazu Rn. 65, 67). Anders als das Arzneimittelgesetz ist das Gendiagnostikgesetz auf genetische Untersuchungen und Analysen und den Umgang mit genetischen Proben und Daten zu Forschungszwecken nicht anwendbar (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG).[372]
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