Ardistan und Dschirnistan I. Karl May

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Ardistan und Dschirnistan I - Karl May


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wird vergeblich sein!«

      »Du irrst. Bisher war es sehr von Erfolg. Wir befinden uns keineswegs in Eurer Gewalt. Wir sind frei. Dagegen ist Euer Scheik und Euer Priester in unsere Hände geraten. Wenn wir mit diesem Boote grad quer über den See rudern, kommen wir viel eher an das jenseitige Ufer als Ihr. Wer will uns hindern, erst den Priester und dann auch den Scheik zu töten, falls wir davon überzeugt sind, daß Ihr nicht Frieden halten wollt?«

      Sie antwortete nicht gleich; sie überlegte. Und sie musterte uns dabei mit prüfenden Augen. Dann sagte sie:

      »Ich bin ungewiß und unzufrieden. Ihr gefällt mir sehr, ja, wirklich sehr. Ich möchte gern recht viel über das Abendland erfahren. Und es wäre wohl schön, wenn Du als freier Mann, nicht aber als Knecht und Sklave von ihm erzähltest. Es würde mich freuen, wenn ich zu Dir sagen dürfte: Du bist mein Gast, bist nicht mein Eigentum! Aber ich habe den Gesetzen meines Landes zu gehorchen, nicht meinen Wünschen. Es gäbe zwar einen Weg, ein Mittel – — —«

      Sie sprach nicht weiter. Sie machte eine Handbewegung, als wie um anzudeuten, daß sie das, woran sie dachte, für unmöglich halte.

      »Welchen Weg? Und welches Mittel?« erkundigte ich mich.

      »Es ist für Euch überflüssig, hiernach zu fragen,« antwortete sie, indem sie die Handbewegung wiederholte.

      »Weißt Du das so genau? Ich wiederhole meine Frage und bitte Dich, mir Auskunft zu erteilen, damit auch ich mich darüber aussprechen kann, ob es so überflüssig ist, wie Du meinst!«

      Wieder dachte sie nach, und wieder musterte sie uns mit zwar wohlwollenden aber unbefriedigten Augen. Hierauf sprach sie:

      »Es gibt ein Mittel, Euch von der Knechtschaft, die Euch droht, zu befreien. Das Gesetz liefert Euch in unsere Hände; dasselbe Gesetz aber macht Euch wieder frei, indem es Euch gestattet, Euch von uns loszukämpfen.«

      Als Halef diese Worte hörte, warf er beide Arme hoch empor und rief aus:

      »Sihdi, wir kämpfen uns los!«

      Ich aber beachtete ihn und seinen Ausruf nicht. Grad er hatte während der letzten zwei Stunden bewiesen, daß er nicht der Mann war, einen solchen Kampf aus eigener Kraft zu bestehen. Ich faßte die rätselhafte Frau, die vor uns stand, nun ebenso scharf in die Augen, wie sie uns, und entgegnete:

      »So hattest Du allerdings recht. Die Auskunft, die Du uns erteilst, ist überflüssig, völlig überflüssig. Du glaubtest, uns etwas mitzuteilen, wovon wir keine Ahnung haben. Du eröffnest uns, daß Euer Gesetz uns die Möglichkeit biete, uns durch einen siegreichen Kampf von Euch zu befreien. Hierbei sagt uns der Blick Deines Auges, daß Du einen Sieg von unserer Seite für ausgeschlossen hältst – — —«

      Da fiel sie mir in die Rede:

      »Daß Ihr auf alle Fälle gegen uns unterliegen würdet, das kannst Du doch nicht leugnen!«

      »Unterliegen?« fragte ich, indem ich auf den gefesselten Zauberpriester deutete. »Nennst Du das unterliegen? Du zeigst uns den Kampf, durch den wir uns von Euch befreien können, als eine entfernte Möglichkeit, um die wir Euch wohl gar zu bitten haben. Siehst Du wirklich die Größe der Täuschung nicht, in der Du Dich befindest? Dieser Kampf ist nicht mehr bloß möglich, sondern er ist bereits zur Wirklichkeit geworden. Er liegt nicht mehr in der Ferne, sondern er ist schon hier; wir stehen mitten drin. Und der Sieg hat bisher nur auf unserer, nicht aber auf Eurer Seite gelegen!«

      Wäre ihr Gesicht nicht vollständig behaart gewesen, so hätte ich wohl das tiefste Erstaunen gesehen, das sich nur durch einen langsamen, schweren Atemzug verraten konnte.

      »Das klingt so seltsam, und doch hast Du recht,« gab sie zu. »Ihr seid noch frei und habt schon zwei Gefangene von uns.«

      »Und was für Gefangene! Bedenke das!« warnte ich sie. »Der Scheik vertritt bei Euch die weltliche und der Sahahr die geistliche Gewalt. Diese beiden Gewalten befinden sich augenblicklich in unserer Macht. Nicht Ihr, sondern wir sind jetzt Herren über Wohl und Wehe, über Leben und Tod. Siehst Du das ein?«

      Sie drehte sich nach ihren Leuten um und fragte:

      »Hört Ihr es?«

      Man antwortete ihr mit einem unbestimmten Murmeln und Brummen, dessen Bedeutung sie aber wohl verstand, denn sie wendete sich mir wieder zu und sprach:

      »Ihr scheint ganz andere Menschen zu sein als wir. Wir verstehen Euch nicht, und doch zwingt Ihr uns, Euch zu begreifen! Wo ist der Scheik?«

      »An einem Orte, wo ich ihn sicher habe.«

      »Gebunden und gefesselt?«

      »Ja.«

      »Womit?«

      »Mit seinem Worte.«

      Da machte sie eine Bewegung der Überraschung und fragte:

      »Du hast ihm Vertrauen geschenkt?«

      »Ja. Erst war er gefesselt, so daß er sich nicht rühren konnte. Ich wollte ihn sogar noch knebeln. Da versprach er mir, an der Stelle zu bleiben, selbst wenn alle seine Ussul kämen, um ihn wegzuholen. ich band ihn los.«

      »So hast Du ihm geglaubt?«

      »Warum sollte ich es nicht?«

      »Er könnte den Ort sofort verlassen, wenn er sein Wort brechen wollte?«

      »Ja.«

      Da wendete sie sich wieder nach ihren Leuten um:

      »Habt Ihr es gehört? Dieser Fremdling liebt die Wahrheit ebenso wie wir. Er hat dem Worte Eures Scheiks geglaubt. Ist das die Gesinnung eines Knechtes, eines Sklaven?«

      »Nein!« antworteten die fünf in der Nähe Stehenden, und »Nein, nein, nein!« antworteten auch die anderen.

      »Das tun nur freie Männer!« fuhr sie fort.

      »Nur freie Männer!« erklang es hinter ihr im Chor.

      »Diese beiden Fremden sind es also wert, daß wir ihren Widerstand als Kampf betrachten, sich von uns zu befreien!«

      »Sie sind es wert, sie sind es wert!« stimmten alle ohne Ausnahme ihr bei.

      Dann fuhr sie, sich uns wieder zuwendend, fort:

      »Ich bitte Dich, Emir, mich zu meinem Manne, unserem Scheik, zu führen. Bist Du bereit dazu?«

      »Sehr gern. Doch muß ich fragen, was Du bei ihm willst!«

      »Ich will mit ihm beraten über Euch.«

      »Wer noch?«

      »Weiter niemand als der Sahahr.«

      »So müßte ich ihn hierzu freigeben?«

      »Ja. Ich bitte Dich darum!«

      »Weißt Du, was Du da von mir verlangst?«

      »Ich weiß es. Du sollst Dich der Vorteile begeben, die Du über uns errungen hast. Aber nur einstweilen.«

      »Wirklich?«

      »Wirklich! Du bindest den Sahahr hier los, damit er mit uns gehen kann. Wenn ich beim Scheik keinen Frieden erreiche, führe ich Euch in dieses Boot zurück, wo der Sahahr genau so wieder gefesselt wird, wie er hier vor uns liegt. Glaubst Du, daß dies geschieht?«

      »Ich glaube Dir. Aber es gehen nur vier Personen zum Scheik, nämlich Du, Euer Zauberpriester und ich mit meinem Begleiter?«

      »Ja.«

      »Die andern Ussul bleiben hier zurück, um auf unsere Wiederkehr zu warten?«

      »Ja.«

      »So gebe ich ihn frei. Wir können gehen.«

      Ich löste den Sahahr aus den Umschlingungen des Lasso, den ich mir wieder um die Schultern warf, und sprang mit ihm aus dem Boot an das Ufer. Halef folgte, trat vor Taldscha hin und sagte, auf die wunderbar gearbeitete Ledertasche deutend, die an ihrem Gürtel hing:

      »Du hast in diesem Sack mein Eigentum. Wann bekomme ich es wieder?«

      »Wenn beschlossen worden ist, daß es Dir wieder gehört.«

      »Das muß aber sicher


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