Ardistan und Dschirnistan I. Karl May

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Ardistan und Dschirnistan I - Karl May


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sich auch Mühe gibt, kann man doch unmöglich entdecken, wie es möglich ist, mit ihm immerfort zu schießen, ohne zu laden. Zu einem solchen Gewehr gehört aber auch ein Schütze wie Du!«

      So sagte sie zu mir. Zum Scheik aber sprach sie:

      »Ich bin überzeugt, daß dieser Emir Kara Ben Nemsi Effendi imstande ist, Dich und Deine neunzehn Ussul in Zeit von zwei Minuten zu erschießen. Du nicht auch?«

      »In Zeit von nicht zwei, sondern nur einer!« warf Halef ein.

      Der Scheik kratzte sich den Untergrund seines Bartes und antwortete:

      »Daran ist fast kein Zweifel. Hoffentlich aber tut er es nicht! Und da habe ich einen großen, schönen, köstlichen Gedanken. Darf ich ihn Dir sagen?«

      »Sprich!« forderte sie ihn auf.

      »Solche Gewehre und so einen Schützen müßte man auf der Jagd haben!«

      Sie nickte.

      »Und im Kampfe gegen die Tschoban!«

      »Grad jetzt!« fiel da der Zauberer ein. »Wir wissen ja, daß sie sich rüsten, uns zu überfallen.«

      Um mich zu unterrichten, fügte Taldscha in erklärendem Ton hinzu:

      »Wir schicken alle unsere Leute auf die Jagd, um Mundvorrat für diesen Kampf zu sammeln, der lange währen kann und stets sehr blutig ist.«

      »Wer sind diese Tschoban?« erkundigte ich mich.

      »Ein wildes Reitervolk, welches draußen auf der Steppe und in der Wüste lebt. Die Tschoban züchten Pferde, Kamele, Rinder und Schafe. Sie haben keine bleibende Stätte. Sie sind Nomaden; sie beten einen Gott an, den sie Allah nennen, und sie haben die Blutrache. Immer, wenn ein böses, hungriges Jahr ihre Herden weggefressen hat, fallen sie bei uns ein, um uns die unserigen wegzunehmen. Wir erwarten für nächste Zeit einen derartigen Einbruch in unser Gebiet und nun machen wir Fleisch, um uns für die Belagerungen vorzubereiten, die wir auszuhalten haben werden.«

      »Belagerungen?« fragte ich. »Kämpft Ihr nicht auf offenem Felde?«

      »Nein. Dazu sind sie zu zahlreich, und wir haben vor allen Dingen unsere Tiere zu schützen. Wir ziehen uns mit ihnen hinter das Wasser zurück und lassen uns da von den Tschoban belagern. Wer es am längsten aushält, der hat gesiegt. Deine Gewehre tragen außerordentlich weit. Ob sie verzaubert sind, darüber frage ich Dich noch. Von höchstem Werte ist es, daß Du so genau zu treffen verstehst.«

      Bei diesen Worten bückte sie sich, hob den herabgeschossenen Quittenzweig von der Erde auf, betrachtete ihn genau und fragte mich dann:

      »Würdest Du uns gegen diese Feinde beistehen, Emir?«

      »Beistand zu leisten, ist man nur Freunden schuldig,« antwortete ich.

      »Du bist doch unser Freund!«

      »Noch nicht!«

      »O doch!«

      »Beweise es!«

      »Ich habe es beschlossen!«

      Sie sagte das in sehr bestimmtem Tone und sah dabei den Scheik und den Zauberer an. Der Erstere beeilte sich, mir zu erklären:

      »Ja, wenn sie es beschlossen hat, so kann es nicht anders sein. Ich stimme bei.«

      Und der Letztere sagte zu mir:

      »Wenn unsere Scheikin beschließt, ist keine Beratung nötig. Sie trifft stets das Richtige. Ich gebe ihr meine Zustimmung gern. Wenn es Dir recht ist, Emir, kannst Du schon morgen, wenn wir nach unserer Stadt zurückgekehrt sind, Ussul werden. Das ist eine heilige Zeremonie, die ich als Priester vorzunehmen habe, nachdem Du vorher bewiesen hast, daß Du es wert bist, ein Ussul zu sein.«

      »Wie habe ich das zu beweisen?«

      »Durch den Kampf mit einem unserer Leute. Besiegt er Dich, so kannst Du nicht aufgenommen werden.«

      »Und besiege ich ihn, so trete ich wohl an seine Stelle und er wird ausgestoßen?«

      Diese Frage verwirrte ihn. Es dauerte eine kleine Weile, bevor er die Antwort gab:

      »Nein. Das kannst Du nicht verlangen. Es geschieht dem größten Helden, daß ein Zufall ihn besiegt. Das ist eben Zufall, keine Schande. Warum ihn also ausstoßen?«

      »Wir kämpfen, Sihdi, wir kämpfen!« rief Halef begeistert aus. »Wer wird mein Gegner sein?«

      »Du hast das Recht, ihn Dir zu wählen,« unterrichtete ihn der Zauberer.

      »So wähle ich Dich,« sagte der kleine Hadschi, indem er ihm eine sehr tiefe, höfliche Verbeugung machte.

      »Mich – — —? Warum grad mich – — —?«

      Er dehnte diese Frage sehr lang und unlustig heraus. Es schien ihm gar keine große Freude zu machen, daß Halef seine Wahl auf ihn gelenkt hatte.

      »Weil Du mir gefällst,« antwortete dieser. »Weil ich Dich liebgewonnen habe. Und auch darum, weil ich noch nie Gelegenheit hatte, mit einem Sahahr zu kämpfen. Es wird die Größe meines Ruhmes vermehren, wenn ich daheim erzählen kann. daß ich Dich im Kampfe überwunden und getötet habe.«

      »Getötet? Du tötest auch in einem solchen Probekampfe?«

      »Natürlich! Der Sieg ist doch nur dann vollständig errungen, wenn der Gegner tot am Boden liegt. Wer hat die Waffen zu bestimmen?«

      »Der Fremde, der aufgenommen werden soll.«

      »Also ich? Gut, so schießen wir uns!«

      »Schießen?« fuhr der Zauberpriester auf. »Das wäre ja mein sicherer Tod, obgleich ich gegen Dich ein Riese bin!«

      »Das ist es ja eben, was ich will!« lachte Halef. »Riesen totzuschießen, ist mir eine wahre Wonne! Nur um ihnen zu zeigen, daß es nicht auf den Körper ankommt. Was für Waffen wählst Du denn, Effendi?«

      »Dieselben,« antwortete ich, auf seine heitere Absicht eingehend.

      »Und mit wem wirst Du kämpfen?«

      »Mit dem Scheik.«

      Da rief dieser erschrocken aus:

      »Mit mir? Warum grad mit mir?«

      »Weil Du mir gefällst; weil ich Dich liebgewonnen habe. Du hörst, daß ich ganz genau dieselben Gründe habe wie mein Hadschi Halef. Er ist Scheik, und ich bin Emir. Wir können ganz unmöglich mit gewöhnlichen Kriegern kämpfen. Darum wählen wir Euch, und wir sind überzeugt, daß Ihr diese unsere Wahl als das betrachtet, was sie ist, nämlich als eine Ehre für Euch beide!«

      Das sagte ich zum Scheik. Mich von ihm an seine Frau wendend, fügte ich hinzu:

      »Also, wir sind bereit, Ussul zu werden. Dies kann, wie ich gehört habe, erst morgen geschehen. Was sind wir bis dahin? Freunde oder Feinde?«

      »Freunde,« antwortete sie. »Du kannst den Scheik und den Sahahr getrost aus ihrer Gefangenschaft entlassen. Ihr seid frei.«

      »Nur für jetzt oder für immer?«

      »Für immer. Hier meine Hand darauf!«

      Sie reichte mir ihre Hand, die ich freundschaftlich drückte. Auch die beiden Männer gaben mir ihre Hände, ebenso dem Hadschi. Taldscha aber tat das letztere nicht. Sie schaute über Halef hinweg, als ob er für sie nicht vorhanden wäre. Er hatte es verdient, obgleich er als Moslem keine Übung besaß, mit Frauen zu verkehren.

      Nun der Scheik sich frei wußte, drängte er, nach dem Lager zurückzukehren. Er nahm den Adler auf, um ihn zu tragen. Seine Frau behielt den Quittenzweig, um ihn ihren Kriegern vorzuzeigen. Wir gingen zu unsern Pferden, die wir genau so fanden, wie ich sie verlassen hatte. Als sie aufsprangen, stieß Taldscha einen Ruf der Verwunderung aus. Sie besaß ein besseres Auge als der Scheik.

      »Was für schöne, herrliche Tiere!« rief sie, die Hände vor Freude zusammenschlagend. »Viel kleiner als die unsern! Aber unendlich herzig, anmutig und wohlgestaltet! Man muß sie küssen!«

      Sie umschlang den Hals Ben Rihs und küßte ihn auf die Stirn. Er ließ sich dies gefallen, ohne sich zu regen. Aber als sie es auch


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