Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl May

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Der beiden Quitzows letzte Fahrten - Karl May


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antwortete ihm Werner, »da Ihr ganz dasselbe auch für mich gethan hättet, wenn Ihr an meiner Stelle gewesen wäret; und was die Folgen meines Schnellzornes betrifft, so müssen wir abwarten, was der Markgraf zu thun für angemessen hält; aber wenn ich mit ihm zusammentreffe, so werfe ich ihm sicher meinen Handschuh hin für die Beleidigung, welche in der Zumuthung gelegen hat, an meinem besten Freunde zum Schurken und Verräther zu werden. Der Knecht, von dem Ihr spracht, ist mir nicht sicher; aber ich darf ihn nicht fortjagen, weil er sonst auf Rachegedanken gerathen würde; dagegen werde ich ihn gut bewachen und Euch an einen andern Ort bringen. Macht Euch fertig, mit mir fortzugehen!«

      Er begab sich zu dem Voigte, dem er die Mittheilung machte, daß der Knecht nun fast genesen sei und Neumühl wieder verlassen könne, er möge ihm daher ein Pferd geben und seine Wege ziehen lassen. Sodann ritt er fort und wartete im Walde, bis Dietrich von Quitzow ihm nachkam. Dietrich frug, wohin der Weg sie führen werde.

      »Nach Grabsdorf,« antwortete Werner. »Ihr könnt jetzt unmöglich unentdeckt aus dem Lande fliehen; man stellt Euch überall nach und lauert auf allen Wegen. Aber in Neumühl konntet Ihr unter diesen Umständen auch nicht bleiben, und da ist mir ein guter Gedanke gekommen. In Grabsdorf nämlich wohnen ein paar meiner alten Knechte mit ihren Weibern; sie haben von mir einige Häuser, und ich kann mich auf ihre Treue verlassen. Dahin bringe ich Euch. Sie sollen Euch hegen und pflegen, und dort seid Ihr sicher, so lang Ihr Euch nicht zu erkennen gebt.«

      Das Dorf Grabsdorf ist jetzt nicht mehr vorhanden und lag östlich von der Havel an Stelle des jetzigen Dorfes Friedrichsthal. Dietrich erhielt in einem Bauernhause eine Stube, und es wurde mit dem Besitzer des Hauses, Werners ehemaligem Knechte, die Verabredung getroffen, ihn für einen Verwandten auszugeben, den er zu sich genommen habe, um sich von ihm in der Wirthschaft helfen zu lassen. Zu diesem Letzteren erbot sich der sonst so stolze Ritter aus freiem Antriebe, um nicht ferner von der Langeweile gepeinigt zu werden, wie er sie während der letzten Tage empfunden hatte. Er wurde von den Leuten als ein Landmann ausstaffirt und machte sich nach Belieben und Gutdünken in der kleinen Wirthschaft nützlich.

      So verging der Februar vollends und der März brach an, welcher bessere Tage und eine Witterung brachte, welche erlaubte, die Feldarbeit vorzunehmen. Auch Dietrich ging hinaus, um mit Hacke und Spaten zu arbeiten, und es waren gar eigenthümliche Gedanken und Gefühle, welche sich bei dieser ungewohnten und erniedrigenden Beschäftigung in seinem Innern geltend machten.

      Der gewaltige Ritter, welcher fürstliche Macht und fürstlichen Anhang besessen, vor dem die Marken gezittert hatten und dessen Ruf weit über die Grenze des Landes hinausgedrungen war, er stand hier auf dem Felde, mit den Attributen der Leibeigenschaft in der Hand; er bauete den Boden, welcher einem Andern Zins zu bringen hatte, und mußte noch der Freundschaft dafür danken, welche ihm die Gestalt eines armseligen Knechtes gegeben hatte, um ihn gegen die Verfolgungen in Schutz zu nehmen. Wie oft hatte er nicht auf den Zinnen seiner Burgen gestanden und mit stolzen Blicken das Land überschaut, welches ihm unterthan war und unter den Hufen seiner streitbaren Rosse erzitterte; wie oft war seine Stimme durch die Räume der Schlösser oder im wilden Kampfgewühle erschollen und Hunderte hatten ihr Gehorsam geleistet, die da wußten, daß ihr Wohl und Wehe, ihr Hab und Gut, ja ihr Leben von seinem Wort und Willen abhängig sei! Und jetzt? Der Boden, auf welchem er stand, war ein fremder; kein Mensch achtete seiner Rede, sein Ruf war verklungen, sein Name geächtet, sein Glück vernichtet, sein Reichthum zerronnen und seine Macht tief in den Staub getreten. Ob wohl aus ihm ein Erstehen war?

      In diese Gedanken versunken, bemerkte er nicht, daß ein kleiner Trupp Reiter aus dem nahen Wald gekommen war und sich schon ganz in seiner Nähe befand. Es waren zwei bärtige Männer und ein Jüngling in dem Alter, welches die Knabenjahre nicht längst erst überstiegen hat. Die beiden Ersten waren wohlbewaffnet und ihre Mienen ließen in ihnen gar kampfbewährte Mannen vermuthen, der Letztere aber trug sein zierliches Schwert wohl kaum in der Absicht, sich damit zu vertheidigen, und seine Kleidung war eine solche, wie man sie mehr in der Nähe der Frauen und Edeldamen, als im Kampfe zu tragen pflegt. Doch zeigte seine übrige Ausrüstung, daß er trotzdem einer mannbaren Beschäftigung, nämlich der Jagd, obgelegen habe, und sowohl in seiner Haltung als auch in dem Ausdrucke seines Gesichtes lag eine Hindeutung darauf, daß er an das Befehlen mehr gewöhnt sein müsse, als an das Gehorchen.

      Schon hielten sie hinter ihm, als er erst an dem Schnauben der Pferde ihre Gegenwart bemerkte. Der Jüngling trieb das seinige bis an ihn heran und frug:

      »Höre, Mann, wir haben uns verirrt. Kannst Du uns sagen, wo der nächste bewohnte Ort ist?«

      »Ja, das kann ich sagen,« antwortete er kurz, indem er in seiner Arbeit fortfuhr. Der Gang seiner Gedanken hatte ihn in eine nicht freundliche Stimmung versetzt, und er fühlte sich daher nicht zu der gewünschten ausführlichen Antwort aufgelegt.

      »Nun, wie ist derselbe geheißen?«

      »Grabsdorf.«

      »Und wo liegt er?«

      »Dort,« berichtete er, mit der ausgestreckten Hand die Richtung bezeichnend, in welcher der Ort lag.

      »Ist es dort möglich, eine Erfrischung zu bekommen?«

      »Vielleicht.«

      »Höre, Bursche,« mengte sich jetzt einer der beiden Begleiter mit in das Gespräch, »Du scheinst mir ein sehr einsylbiger Kauz zu sein, aber ich mache Dich darauf aufmerksam, den Mund etwas besser aufzuthun, wenn wir ihn Dir nicht etwa öffnen sollen!«

      Dietrichs Auge überflog den Sprecher mit einem verächtlichen Blicke; dann drehte er sich zur Seite und fuhr in seiner Beschäftigung fort.

      »Nun?« frug der junge Herr, jetzt selbst etwas ungeduldig. »Kannst Du uns Niemanden nennen, uns den Weg zeigen oder, was noch besser wäre, uns nach Grabsdorf führen?«

      »Namen brauche ich Euch nicht zu sagen, denn Ihr werdet abgewiesen oder aufgenommen von einem Jeden, wie es ihm eben paßt. Den Weg habe ich Euch schon gezeigt; da hinter der Waldesecke liegt das Dorf, und mein Mitgehen ist also nicht nothwendig.«

      »Aber wir halten es doch für besser, daß Du uns begleitest,« entgegnete der Reisige. »Lege Deine Hacke weg und komme mit uns!«

      »Das werde ich wohl bleiben lassen!«

      »Das wirst Du wohl thun müssen!« lautete die drohende Erwiderung, indem der Sprecher sein Pferd näher an Dietrich drängte.

      »Wollt Ihr es mir vielleicht gebieten?« frug dieser, indem seine Hand sich fester um den Stiel der Hacke legte und sein dunkles Auge kampfeslustig blitzte. »Ich bin ein armer Bauersmann, aber ich habe Niemandem Gehorsam zu leisten als unserm Herrn, dem Ritter Werner von Holzendorf!«

      »Dem Herrn Werner gehört Grabsdorf? Daran habe ich gar nicht gedacht!« fiel der Jüngling ein, indem er sich an seine Begleitung wendete. »Wie ist es denn da um unsere Sicherheit bestellt, Ihr Mannen?«

      »Der Ritter Werner von Holzendorf sitzt als Markgräflicher Hauptmann auf Schloß Bötzow; er ist ein Diener des gnädigen Herrn, und so dürfen wir wohl auf seinem Grund und Boden weilen.«

      »Das lügt Ihr!« rief ihm Dietrich, sich vergessend, dazwischen. »Wer hat Herrn Werner zum markgräflichen Hauptmann gemacht? Wohl der Burggraf? Und wer ist es, der Euch die Unwahrheit berichtete, daß der Ritter ein Diener des »gnädigen Herrn« sei, wie Ihr zu sagen beliebt? Wohl auch der Burggraf selbst?«

      »Sei ruhig Gesell, sonst schlagen wir Dich auf den Mund! Wie kannst Du es wagen, den Herrn Markgrafen Friedrich von Zollern einen Lügner zu nennen, da sein erlauchter Sohn, der Prinz Johann, selbst sich vor Dir befindet!«

      Bei diesen Worten leuchtete es blitzartig über Dietrichs Angesicht. Welch’ ein Glück, welch’ ein Zufall! Bot sich hier nicht eine treffliche Gelegenheit zur Rache, eine Gelegenheit, sich die theuersten Vortheile zu erringen? Doch schnell beherrschte er sich und antwortete mürrisch:

      »Das habe ich nicht gewußt und bekümmere mich auch gar nicht um Eure dummen Geschichten. Aber da Ihr der Prinz seid, so will ich Euch den Weg zeigen!«

      Seine Hacke auf die Schulter nehmend, schritt er von dannen, ohne sich viel umzusehen, ob die Drei ihm auch folgten.

      Die Gedanken, welche er vor Ankunft


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