Der Oelprinz. Karl May

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Der Oelprinz - Karl May


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mit unerschütterlicher Ruhe.

      »Folglich —? Fahre weiter!«

      »Folglich ist anzunehmen, daß sie vielleicht die Finders sind.«

      »So ist es, geehrter Will. Hab sie sehr im Verdachte, sie seien es. Der Anführer soll Buttler heißen. Werden erfahren, ob ein Esquire dieses Namens bei ihnen ist.«

      »Werden es dir gleich sagen!«

      »Keine Sorge! Sind neugierig auf uns, diese Gentlemen. Sehe ihnen an den Nasenspitzen an, daß bald einer von ihnen kommen wird, um uns zu interviewen. Gebt ihnen nur keine Auskunft. Bin neugierig, wie sie es anstellen werden.«

      »Höflich jedenfalls nicht,« meinte Dick Stone. »Werden sie nicht allzu fein ablaufen lassen.«

      »Warum?« fragte Sam Hawkens. »Meinst wohl, daß wir grob werden sollen?«

      »Sogar sehr!«

      »Fällt mir nicht ein! Wir drei werden zusammen “the leaf of trefoil” (*»das Kleeblatt«.) genannt; ist ein Ehrenname; dürfen ihm keine Schande machen; sind bekannt als drei zusammengehörige Gentlemen, welche dadurch berühmt sind, daß sie durch List und Höflichkeit mehr zu erreichen pflegen als durch Grobheit und Gewalt. So soll es auch hier sein, so und nicht anders.«

      »Well; aber dann werden diese Burschen glauben, daß wir uns vor ihnen fürchten!«

      »Mögen sie, mögen sie immerhin, alter Dick. Wenn sie es thäten, würden sie sehr bald einsehen, daß sie sich geirrt haben, und zwar sehr, hihihihi! Das Kleeblatt, und sich fürchten! Kann darauf schwören, daß wir mit ihnen zusammengeraten. Wollen den Wagenzug überfallen, was wir nicht dulden werden. Mögen also erst immer denken, daß wir Angst haben; werden dann schon bald erkennen, daß sie sich geirrt haben.«

      »Willst du mit ihnen kämpfen?«

      »Nein.«

      »Aber doch sie unschädlich machen, wenn sie die Finders sind?«

      »Ja.«

      »Wird kaum ohne Kampf abgehen!«

      »Meinst du? Pshaw! Dieses alte Coon« – dabei deutete er mit Behagen auf sich selbst- »hat zuweilen Gedanken, welche besser sind als Messerstiche und Flintenschüsse. Mache gern einen Spaß, und ist dabei ein Vorteil über die Gegner zu erringen, so ist es um so besser. Mag nicht gern Blut vergießen; man kann seiner Feinde Herr werden, auch ohne sie umzubringen und auszulöschen (* Trapperausdruck für töten). Habe da meine Vorbilder.«

      »Weiß genau, wer diese Vorbilder sind.«

      »Du weißt es wirklich? Nun, wer?«

      »Old Shatterhand, Old Firehand und Winnetou, der berühmte Häuptling der Apachen. Diese drei vergießen nie einen Tropfen Blutes, außer wenn es unumgänglich notwendig ist.«

      »Well, ist richtig, und doch sind sie bekannt und berühmt als die drei größten Helden des Westens. Will es auch so machen, will ihrem Beispiele folgen.«

      »Und wohl auch ein Held werden, alter Sam?« fragte Will Parker in scherzhaft ironischem Tone.

      »Schweig, Greenhorn! Sam Hawkens weiß genau, wer er ist und was er leisten kann. Hast du nicht gesehen, daß ich es mit zwei Dutzend Roten aufgenommen habe?«

      »Yes.«

      »Daß ich viel, vielmal durch List Ziele erreichte, an denen fünfzig und noch mehr verwegene Westmänner gescheitert wären und ihr Leben gelassen hätten?«

      »Yes. Was wahr ist, darf man nicht leugnen. Bist ein ganzer Kerl, Sam, ein verteufelt feiner Pfiffikus, und viele, viele haben es teuer bezahlen müssen, daß sie den Fehler begingen, dich für dumm zu halten.«

      »Well, werde also wohl auch mit diesen zwölf zu Ende kommen, ohne ihnen geradezu die Köpfe entzweischlagen oder Löcher durch die Leiber schießen zu müssen.«

      »Also List?«

      »Yes.«

      »Welche?«

      »Weiß jetzt noch nicht; wird sich aber im betreffenden Augenblick ergeben. Müssen uns zunächst verstellen, uns auslachen lassen, müssen recht unerfahren thun.«

      »Wie Greenhörner?«

      »Ja, wie Greenhörner, was freilich bei dir, Will Parker, keiner Verstellung bedarf, da du wirklich eins bist. Seht, wie sie über meine Mary, über mein Maultier lachen!«

      »Ist aber auch keine Schönheit, Sam!«

      »Schönheit? Unsinn! Ein häßliches Vieh ist sie, ein großartig häßliches Vieh; aber ich vertausche sie dennoch nicht gegen tausend edle Rosse. Ist klug, erfahren und verständig wie – wie – wie, na, wie Sam Hawkens, ihr Herr, selber, und hat mir hundertmal das Leben gerettet. Hab sie aber auch nie, nie im Stiche gelassen und würde mein Leben wagen, wenn sie sich in Gefahr befände. Meine Mary ist eben meine Mary, einzig, unübertrefflich und mit keinem andern Viehzeug zu vergleichen, sonst aber eine störrische, heillose, niederträchtige Bestie, welche man am liebsten gleich totschießen sollte.«

      »Grad wie deine Liddy,« warf Dick Stone ein.

      »Ja, die Liddy erst,« nickte Sam Hawkens, wobei seine kleinen Aeuglein funkelten und er mit der Hand liebkosend über sein altes, sonderbares Gewehr strich. »Die Liddy ist mir ebenso lieb wie die Mary; sie hat mir nicht ein einzigesmal versagt, mich nie im Stich gelassen. Wie oft hat Freiheit und Leben von ihr abgehangen, und stets hat sie ihre Schuldigkeit gethan. Freilich hat sie auch ihre Mucken, ihre großen Mucken, und wer sie nicht kennt, dessen Kürbis schwimmt gegen das Wasser (* Trapperausdruck für Unglück haben.). Ich aber kenne sie, ich habe sie studiert wie der Arzt die Karfunkelbeule; ich weiß genau, welche Vorzüge und welche Schwächen sie besitzt und an welcher Stelle ich sie streicheln und liebkosen muß, um sie bei guter Laune zu erhalten. Ich gebe sie nicht aus der Hand, bis ich sterbe, und wenn ich einmal tot bin, und ihr seid dabei, so thut mir den Gefallen und gebt mir meine Liddy mit unter den Rasen, mit dem ihr mich bedeckt. Kein andrer, der sie nicht kennt und lieb hat, soll sie jemals in die Hände bekommen. Die Mary, die Liddy, Dick Stone und Will Parker, das sind die vier, die mir ans Herz gewachsen sind und außer denen ich nichts mag und nichts besitze auf der ganzen weiten Welt.«

      Ein feuchter Schimmer verdrängte das vorher so helle Funkeln seiner Augen, doch strich er mit den beiden Händen schnell über dieselben und sagte in wieder munterem Tone:

      »Seht, da steht einer von den zwölfen auf, der, welcher mit dem Wirte so heimlich gemunkelt hat. Höchst wahrscheinlich kommt er her, um uns zu äffen. Well, die Komödie kann losgehen; aber verderbt sie mir nicht etwa!«

      Man darf sich nicht darüber wundern oder es gar belächeln, daß Sam Hawkens seinem Maultiere und seinem Gewehre solche Kosenamen gegeben hatte und in so zärtlicher Weise von ihnen sprach. Die Westmänner vom alten Schrote und Korne – leider ist diese Sorte bis

      auf wenige, die man zählen kann, jetzt ausgestorben – waren ganz andre Menschen als das Gesindel, welches nach ihnen kam. Unter dem Ausdrucke Gesindel sind hier nicht etwa nur moralisch verkommene Menschen gemeint; dieses Wort hat hier eine andre als die gewöhnliche Bedeutung. Wenn ein Millionär, ein Bankier, ein Offizier, ein Advokat, meinetwegen auch der Präsident der Vereinigten Staaten selbst, nach dem Westen geht, ausgerüstet mit den jetzigen massenmörderischen Waffen, ängstlich behütet und bewacht von einer zahlreichen Begleitung, damit ihm ja keine Mücke in die Hühneraugen beißt, und von einem sicheren Standorte aus das Wild zu hundert Exemplaren niederknallt, ohne dessen Fleisch gegen den Hunger zu gebrauchen, so wird dieser hohe und vornehme Herr von dem wirklichen Westmann eben zum »Rabble«, zum Gesindel gerechnet. Der Indianer, der Westmann vom Fache, »machte« nur dann Fleisch, wenn er es brauchte. Er fing das ihm nötige Pferd aus einer Herde wilder Mustangs heraus; er kannte die Zeiten, wenn die Büffel von Süden nach Norden zogen und wenn sie zurückkehrten; er wußte die Gegenden, durch welche sie auf ihren Wanderungen kamen, und machte dort und dann Jagd auf sie, nur um sein Leben zu fristen. Da traf man auf Mustangherden zu fünftausend Stück; da kamen die Bisons gewallt wie ein Meer, zwanzig- und dreißigtausend und noch mehr zählend. Wo sind diese ungeheuren Massen hin? Verschwunden! So weit die Savannen reichen, ist kein einziger Mustang mehr zu sehen. Ausgerottet,


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