Der Schut. Karl May

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Der Schut - Karl May


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du einen zuverlässigen Führer für mich?«

      »Vielleicht. Ich müßte natürlich erfahren, wohin ihr wollt.«

      »Nach Kakandelen.«

      Das war nicht wahr, aber ich hatte meine Absicht, so zu sagen. Er machte auch sogleich ein enttäuschtes Gesicht und sagte rasch:

      »Das hätte ich nicht erwartet, Herr.«

      »Warum nicht?«

      »Weil ich gestern hörte, daß ihr nach einer ganz andern Richtung reiten wolltet.«

      »Welche wäre das?«

      »Hinter den fünf Reitern her.«

      »Ah so! Aber wer hat es dir gesagt?«

      »Sie haben es erwähnt, als sie von euch sprachen. Sie sagten, ihr hättet sie schon seit langer Zeit verfolgt.«

      »Das gebe ich zu; aber es ist nicht meine Absicht, es länger zu tun.«

      »So mußt du einen sehr triftigen Grund haben, Herr, dich so plötzlich anders zu entschließen?« fragte er in vertraulichstem Ton.

      »Ich bin es müde geworden,« erwiderte ich, »hinter Leuten herzulaufen, welche mir doch immer wieder entgehen. Man kommt dabei in Unannehmlichkeiten und begeht Fehler, die man nicht verantworten kann. Das hast du ja wohl selbst erfahren.«

      »O, von gestern wollen wir ja gar nicht mehr sprechen. Was geschehen ist, das ist vergessen und vergeben. Diese fünf Männer müssen dich doch tief beleidigt haben?«

      »Außerordentlich.«

      »Nun, da du ihnen schon so lange gefolgt bist, so wäre es Torheit, wenn du jetzt von ihnen ablassen wolltest, eben jetzt, wo es gewiß ist, daß du dich ihrer bemächtigen könntest, wenn du nur ernstlich wolltest.«

      »Woher weißt du das?«

      »Ich schließe es aus dem, was ich von ihnen erlauschte. Du weißt doch wohl, wohin sie reiten wollen?«

      »Woher sollte ich das wissen? Eben diese Unkenntnis ist ein Grund, auf die weitere Verfolgung zu verzichten. Sie sind mir gestern abermals entkommen, ich weiß nicht, wohin. Nun muß ich suchen, forschen und mich erkundigen, und bevor ich etwas Gewisses erfahre, sind sie längst über alle Berge. Da kehre ich lieber wieder um.«

      Jetzt nahm er eine geheimnisvolle Miene an und sagte:

      »Du wirst jetzt erfahren, daß ich nicht rachsüchtig bin, Effendi. Ich werde dir einen großen Dienst erweisen, indem ich dir sage, wo du diese Leute treffen kannst.«

      »Ah, du weißt es! Wohin sind sie denn geritten?«

      »Von hier nach Glogovik. Sie fragten mich, wie weit es bis dorthin sei, und ich habe ihnen den Weg beschreiben müssen.«

      »Das ist ja prächtig!« rief ich erfreut. »Diese Nachricht ist mir freilich höchst wichtig. Da reiten wir heute noch nach Glogovik. Aber ob wir dort erfahren, wohin sie weiter geritten sind?«

      »Danach brauchst du dort gar nicht zu fragen, weil ich es schon weiß.«

      »So sind sie doch ganz außerordentlich mitteilsam gegen dich gewesen!«

      »O nein; ich habe alles nur erlauscht.«

      »Desto besser, denn da brauche ich nicht zu denken, daß sie dich absichtlich täuschen wollten. Also, wohin trachten sie?«

      »Nach Fandina. Dieser Ort liegt jenseits des Drin. Dort wollen sie einige Zeit verweilen, und da kannst du dich ihrer bemächtigen.«

      Es war mir klar, daß diese Richtung nach Fandina erlogen sei; dennoch sagte ich:

      »Ist dir vielleicht der Weg von Glogovik nach Fandina bekannt?«

      »Sehr gut sogar. Ich stamme aus jener Gegend. Ihr kommt durch höchst interessante Gegenden, zum Beispiel zu dem berühmten Teufelsfelsen.«

      »Warum führt er diesen Namen?«

      »Du bist ein Christ und wirst also wissen, daß Isa Ben Mariam (* Jesus.) von dem Scheïtan versucht wurde. Diesem gelang sein Vorhaben nicht, er machte sich von dannen und hielt seine erste Rast an jenem Felsen. Voll des höllischen Grimmes schlug er in seinem Zorn mit der Faust auf den Berg, daß die gewaltige Felsenmasse mitten auseinander borst. Durch die dadurch entstandene Spalte führt jetzt der Weg, auf welchem ihr reiten müßt.«

      »Das ist Sage?«

      »Nein, es ist die Wahrheit. Darum wird jener Felsen der Felsen des Teufels genannt.«

      »So bin ich neugierig, ihn zu sehen.«

      »Sodann kommst du in dichten Wald, wo zwischen Felsen die berühmte Dschewahiri maghara (** Juwelenhöhle.) liegt.«

      »Was hat es mit ihr für eine Bewandtnis?«

      »Eine Fee liebte einen Sterblichen. Der Herr des Feenreiches hatte Mitleid mit den Qualen ihrer Liebe und erlaubte ihr, dem Geliebten anzugehören, doch müsse sie auf ihre Vorzüge verzichten, menschliches Wesen annehmen und auch sterben. Sie willigte ein und durfte nun zur Erde nieder; auch wurde ihr erlaubt, alle ihre Juwelen mitzunehmen. Aber als sie zur Erde kam, war ihr inzwischen der Geliebte untreu geworden, und aus Gram darüber zog sie sich in jene Höhle zurück, in welcher sie ihre Juwelen verstreute, um sich dann in Tränen aufzulösen. Wer in jene Höhle kommt und kein schweres Verbrechen auf dem Gewissen hat, der findet einen jener Steine. Viele, sehr viele sind arm hineingegangen und reich herausgekommen, denn die Juwelen der Fee sind von sonst nirgends gesehener Größe und Reinheit.«

      Er betrachtete mich forschend von der Seite, um zu sehen, welchen Eindruck die Sage auf mich mache. Das also war die Lockspeise, mit welcher er dem Köhler seine Opfer in die Hände lieferte! Wenn man den Aberglauben der dortigen Bevölkerung in Betracht zieht, erstaunt man wohl nicht darüber, daß sich selbst reiche Leute gefunden hatten, welche sich durch diese alberne Geschichte verlocken ließen.

      Mit besonderer Betonung fügte nun der Wirt hinzu:

      »Ich selbst kenne einige Männer, welche solche köstliche Steine gefunden haben.«

      »Du nicht auch?« fragte ich.

      »Nein, denn ich fand keinen Edelstein, weil ich bereits zu alt war. Man darf nämlich nicht über vierzig Jahre alt sein.«

      »So hat die Fee die jungen Männer den alten vorgezogen! Du hättest also eher suchen sollen.«

      »Da wußte ich noch nichts von der Höhle; du aber hättest noch Zeit — du bist jung.«

      »Pah! Ich bin reich — ich habe vielleicht so viel Geld bei mir, daß ich mir einen solchen Diamanten kaufen kann.«

      Ich sah ihm scheinbar unbefangen in das Gesicht und bemerkte, daß er die Farbe wechselte. Wollte er mich mit Diamanten ködern, so steckte ich ihm Gold an meine Angel. Anbeißen würden wir beide; das war vorauszusehen. Er wollte mich in die Höhle und ich wollte ihn mit mir zu dem Köhler locken.

      »So reich bist du!« rief er erstaunt. »Ja, das konnte ich mir denken. Ist doch allein dein Pferd mehr wert als alles, was mir gehört. Aber einen Diamanten der Fee zu finden, das müßte dich trotzdem auch locken.«

      »Freilich lockt es mich. Aber ich weiß doch nicht, wo die Höhle liegt. Vielleicht könntest du es mir beschreiben.«

      »Das wäre nicht hinreichend. Du mußt Scharka, den Köhler, aufsuchen, welcher dich hinführen wird.«

      »Was ist das für ein Mann?«

      »Ein sehr frommer, einsamer Kohlenbrenner, welcher für ein kleines Bakschisch die Fremden in der Höhle umherführt.«

      Und der Wirt gab sich außerordentlich Mühe, mich für diese Höhle zu begeistern. Ich tat, als ob ich ihm jedes Wort glaubte, und bat ihn, mir den Weg nach Glogovik zu beschreiben, und er erbot sich, einen seiner Knechte als Führer mitzugeben.

      »Aber weiß er denn auch den Weg von Glogovik nach dem Felsen des Teufels und nach der Höhle der Juwelen?« fragte ich.

      »Nein;


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