Der Schut. Karl May

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Der Schut - Karl May


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bin kein Mohammedaner, sondern ein Christ.«

      »Und doch bist du ein so schlech--«

      Sie hielt inne. Sie hatte wohl sagen wollen: »schlechter Kerl«, besann sich aber noch zur rechten Zeit und fügte schnell hinzu:

      »Ich will es wagen, dir zu glauben. Komm also mit, und schneide dir selbst so viel ab, wie du haben willst.«

      Ich nahm eine Wurst von vielleicht dreiviertel Kilo und dazu ein Stück Schinken, welches ein halbes Kilo wiegen mochte. Sie verlangte fünf Piaster dafür, also ungefähr neunzig Pfennige. Als ich ihr drei Piaster mehr gab, sah sie mich höchst verwundert an.

      »Das soll ich wirklich behalten?« fragte sie zweifelnd.

      »Ja. Dafür werde ich mir aber irgend etwas erbitten, in das ich diese Sachen einwickeln kann.«

      »Ja, was soll das sein? Etwa ein Kiaghad (* Papier.)?«

      »Das paßt am besten dazu; aber es darf nicht schmutzig sein.«

      »Es ist nicht schmutzig, denn wir haben keins. Wo soll hier im Dorfe ein Stück Papier zu finden sein? Ich werde dir etwas anderes geben. Wir haben da ein Gömlek (** Hemd.) meines Mannes liegen, welches er nicht mehr trägt. Davon will ich dir ein Stück abreißen.«

      Sie langte in eine Ecke, in welcher allerlei Gerümpel lag, und zog ein Ding hervor, welches wie ein Lappen aussah, mit dem man lange Jahre hindurch rauchige Lampenzylinder und schmutziges Topfgeschirr geputzt hat. Davon riß sie einen Fetzen ab, wickelte Wurst und Schinken hinein und reichte mir dann das Paket mit den Worten hin:

      »Hier nimm, und labe dich daran. Ich bin in der ganzen Gegend als die geschickteste Tuzlama (* Einpöklerin.) bekannt. Du wirst wohl selten so etwas Wohlschmeckendes gegessen haben.«

      »Das glaube ich dir,« antwortete ich verbindlich. »Alles, was ich hier sehe, hat die Farbe und den Geruch des Pökelfleisches, und du selbst bist so appetitlich, als hättest du mit dem Schinken in der Salzlake gelegen und dann in der Esse gehangen. Ich beneide den Gefährten deines Lebens.«

      »O, Herr, sage nicht gar zu viel!« rief sie geschmeichelt. »Es gibt noch Schönere im Lande, als ich bin.«

      »Dennoch scheide ich von dir mit dem Bewußtsein, daß ich mich gerne deiner erinnern werde. Möge dein Leben duftig und glänzend sein, wie die Schwarte deines Schinkens!«

      Als ich nun wieder hinaustrat, beeilte ich mich, das Päckchen los zu werden, indem ich es in Halefs Satteltasche steckte. Niemand außer dem Hadschi bemerkte es. Die Andern hatten ihr Augenmerk auf die Bewohner des Dorfes gerichtet, welche neugierig nach und nach herbeigekommen waren.

      Der Mensch, welcher bei unserm Nahen aufgesprungen und schreiend davongelaufen war, stand bei einem Andern, der sich ein sehr würdevolles Aussehen gab. Beide sprachen eifrig miteinander. Eben als ich meine Eßwaren glücklich geborgen hatte, trat der Erstere zu dem Konakdschi, unserm Führer, und begann mit ihm eine leise, aber sehr eifrige Verhandlung. Dann wendete er sich an mich, stemmte die Spitze seines Säbels auf die Erde, stützte die Hände auf den Griff, schnitt die Miene eines Pascha von drei Roßschweifen und fragte:

      »Du bist ein Fremder?«

      »Ja,« antwortete ich freundlich.

      »Und reitest bei uns durch?«

      »Ich beabsichtige es allerdings,« sagte ich noch viel freundlicher.

      »So kennst du deine Pflicht?«

      »Welche meinst du?«

      Das klang geradezu herzlich. Der Mann machte mir Spaß. Aber je freundlicher ich wurde, desto grimmiger ward sein Gesicht. Er gab sich die größte Mühe, einen imponierenden Eindruck zu machen.

      »Du hast die Abgabe zu entrichten,« erklärte er mir.

      »Eine Steuer? Wie so denn?«

      »Jeder Fremde, welcher durch unser Dorf kommt, hat sie zu zahlen.«

      »Warum? Machen Fremde euch einen Schaden, den sie zu vergüten haben?«

      »Du hast gar nicht zu fragen, sondern zu zahlen.«

      »Wie viel denn?«

      »Für die Person zwei Piaster. Ihr seid vier Fremde, denn der Konakdschi kann nicht gerechnet werden, da er uns bekannt und ein Kind des Landes ist; du aber bist der Anführer dieser Leute, wie er mir sagte, und hast also acht Piaster zu zahlen.«

      »So sage mir doch einmal, wer du bist!«

      »Ich bin der Feriki ameje daïr eminlikün (* "Chefgeneral der öffentlichen Sicherheit.") dieses Ortes.«

      »Da bist du freilich ein bedeutender Mann. Aber wie dann, wenn ich mich zu zahlen weigere?«

      »So pfände ich euch.«

      »Wer aber hat den Befehl gegeben, von jedem Fremden diese Steuer zu erheben?«

      »Ich und der Kiaja.«

      »Befindet er sich auch hier?«

      »Ja, dort steht er.«

      Er deutete auf den Würdevollen, mit welchem er vorhin gesprochen hatte und der jetzt seinen Blick erwartungsvoll auf mich gerichtet hielt.

      »Rufe ihn einmal her!« gebot ich.

      »Wozu? Was ich sage, das hat zu geschehen und zwar sofort, sonst — — «

      Er machte mit dem Säbel eine drohende Bewegung.

      »Still!« antwortete ich ihm. »Du gefällst mir außerordentlich, denn du hast denselben Grundsatz, wie ich: Was ich sage, das hat zu geschehen. Ich zahle die Steuer nicht.«

      »So nehmen wir euch so viel von euren Sachen, daß wir gedeckt sind!«

      »Das würde euch schwer werden.«

      »Oho! Wir haben erfahren, wer ihr seid. Wenn ihr euch nicht fügt, so bekommt ihr die Peitsche!«

      »Halte deine Zunge im Zaum, denn ich bin gewohnt, mit Achtung und Ehrerbietung behandelt zu werden. Die Steuer zahle ich nicht; aber ich sehe, daß du ein armer Teufel bist, und so will ich dir aus Güte zwei Piaster schenken!«

      Ich griff schon in die Tasche, um ihm dieses Bakschisch zu geben, zog aber die Hand wieder zurück, denn er hob den Säbel empor, fuchtelte mir mit demselben vor dem Gesicht herum und rief:

      »Ein Bakschisch etwa? Mir, der ich der Bekdschi und Kajyrdschy (* Bewahrer und Behüter.) dieser Gemeinde bin? Das ist eine Beleidigung, welche ich auf das strengste bestrafen muß. Die Steuer wird verdoppelt werden. Und wie soll ich dich behandeln? Mit Achtung und Ehrerbietung? Du bist ein Tschapkyn (** Lump.), vor dem ich nicht eine Spur von Achtung haben darf. Du stehst so tief, so tief unter mir, daß ich dich gar nicht sehe, denn . — «

      »Schweig!« unterbrach ich ihn. »Wenn du mich nicht sehen kannst, so wirst du mich fühlen. Hebe dich von dannen, sonst erhältst du die Peitsche!«

      »Was?« brüllte er. »Die Peitsche? Das sagst du mir, dem Mann von Geltung und Gewicht, während du eine tote Ratte und eine verhungerte Maus bist gegen mich. Hier stehe ich, und hier ist mein Säbel! Wer verbietet es mir, dich zu erstechen? Es würde ein Spitzbube weniger auf der Erde sein. Du samt deinen Begleitern — — «

      Er wurde abermals unterbrochen. Halef legte ihm die Hand auf die Achsel mit den Worten:

      »Schweig nun endlich, sonst macht der Effendi ernst, und du bekommst die Steuer dorthin ausgezahlt, wo du sie nicht wegnehmen kannst.«

      Da versetzte der »Ortswachtmeister« dem Hadschi einen Stoß, daß dieser einige Schritte zurücktaumelte, und schrie ihn an:

      »Wurm! Wagst du es wirklich, den obersten Beamten dieser Ortschaft zu berühren? Das ist ein Verbrechen, welches augenblicklich bestraft werden muß. Nicht ich bin es, sondern du bist es, der die Peitsche erhalten wird. Herbei, Kiaja, herbei, ihr Männer! Haltet dieses Männlein fest! Er soll die Hiebe mit seiner eigenen Peitsche empfangen.«

      Der Kiaja hob schon den Fuß,


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