Der schwarze Mustang. Karl May

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Der schwarze Mustang - Karl May


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Schuppen aufgemacht; da rissen sich die Pferde los und echappierten. Sie sind ein Stück herumgerannt und nun wiedergekommen; das ist alles. Ich werde aber untersuchen, wer hieran die Schuld trägt. Es hat des Nachts kein Mensch im Schuppen etwas zu suchen.«

      »Unsre Pferde reißen sich nicht los, wenn wir sie angebunden haben, und ebensowenig rennen sie ohne unsre Erlaubnis spazieren!«

      Da sagte Winnetou in seiner ruhigen Weise, indem er auf den Zügel seines Pferdes, den er in die Hand genommen hatte, zeigte:

      »Mein weißer Bruder hat recht; aber dennoch haben sie sich losgerissen, doch nicht im Schuppen dort, sondern unterwegs.«

      An dem Zügel hing ein fest angeknoteter Riemen, der wahrscheinlich eine Schleife gebildet hatte, nun aber zerrissen war. Old Shatterhand untersuchte ihn, warf einen bedeutungsvollen Blick auf den Apatschen und sagte dann zu dem Engineer:

      »Ihr habt recht, Sir, und Winnetou irrt sich, was bei ihm freilich selten ist. Die Pferde haben sich im Schuppen losgerissen. Kommt mit! Wir müssen sie fester anbinden. Die andern Gentlemen brauchen sich nicht weiter zu bemühen. Es ist gut!«

      Er sagte das in einem solchen Tone der Ruhe und Überzeugung, daß die damit beabsichtigte Wirkung nicht ausblieb. Der Aufseher und der Verwalter kehrten mit dem Mestizen an ihre Plätze in den Shop zurück. Kas und Has wollten ihnen folgen; da flüsterte ihnen Old Shatterhand zu:

      »Fangt mit dem Halbblut ein Gespräch an, und laßt ihn nicht eher heraus, als bis wir wiedergekommen sind!«

      »Warum, Mister Shatterhand?« fragte Kas.

      »Das werdet Ihr später erfahren. Nur haltet ihn fest; aber seid freundlich und zutraulich mit ihm!«

      »Aber wenn er partout heraus will? Sollen wir da Gewalt anwenden?«

      »Nein. Das soll vermieden werden. Aber es kann Euch doch nicht schwer fallen, ihn durch eine interessante Geschichte festzuhalten!«

      »Denke es auch. Werde einige famose Sachen erzählen und dabei gute Witze machen, genau so, wie bei Timpes Erben. Komm, alter Has!«

      Sie gingen hinein. Winnetou nahm die Pferde bei den Zügeln, um sie zu führen. Old Shatterhand leuchtete voran; der Engineer ging neben ihm und sagte, indem er mit dem Kopfe schüttelte:

      »Ich verstehe Euch nicht, Sir. Erst thut Ihr plötzlich so ruhig und gebt mir recht, und dann erteilt Ihr diesen beiden Gentlemen Aufträge, als ob man Yato Inda gar nicht trauen dürfe.«

      »Ich habe mich verstellt, denn es gilt, vorsichtig zu sein. Die Pferde sind gestohlen und fortgeschafft worden, haben sich aber unterwegs losgerissen.«

      »Unmöglich!«

      »Es ist so; ich versichere es Euch!«

      »Und wenn es so wäre, könnte der Yato Inda der Dieb gewesen sein?«

      »Nein; aber er ist sein Helfershelfer.«

      »Ich behaupte, daß er ehrlich ist!«

      »Und ich behaupte, daß er nicht Yato Inda, sondern lk Senanda heißt und der Enkel des ›schwarzen Mustangs‹ ist. Kommt nur erst nach dem Schuppen, da werden wir erfahren, wer den Diebstahl ausgeführt hat!«

      »Wie wollt Ihr das erfahren?«

      »Der weiche Erdboden wird es mir sagen. Selbst wenn ein Geist der Dieb gewesen wäre, müßte man da die Spuren sehen.«

      »Ich nicht, denn ich verstehe von diesen Dingen nichts. Ihr habt da freilich mehr Übung; dennoch denke ich, daß Ihr einsehet, wie unrecht Ihr meinem Mestizen thut.«

      »Wartet es ab, Sir!«

      Sie waren während dieses Wortwechsels in die Nähe des Schuppens gekommen. Der Engineer wollte schnell vollends hin. Old Shatterhand hielt ihn am Arme zurück und warnte:

      »Nicht so rasch! Ihr könnt uns sonst alles verderben.«

      »Was?«

      »Die Spuren, die ich sehen will. Wenn Ihr hineintretet, sind sie nicht deutlich zu erkennen.«

      »Ganz wie Ihr wollt. Wir haben ja Zeit.«

      Old Shatterhand machte einen Bogen, um nicht direkt, sondern von rückwärts an die Thür zu kommen und dadurch die mutmaßlichen Spuren zu schonen. Dann ging er bis zur Thür und leuchtete nieder. Winnetou ließ die Pferde stehen, kam zu ihm hin und bückte sich mit nieder.

      »Uff!« rief er aus. »Das sind indianische Mokassins gewesen!«

      »Dachte es mir!« nickte Old Shatterhand. »Es waren Rote hier. Aber wie viele?«

      »Das wird mein Bruder sehen, wenn wir die Fährte von dem Schuppen weg verfolgen. Hier sind die Menschen— mit den Pferdespuren vermischt.«

      »Jetzt noch nicht fort. Wollen noch hier bleiben! Die Hufstapfen zeigen deutlich, daß die Pferde langsam gegangen sind. Das hätten sie nicht gethan, wenn sie entflohen wären, nachdem sie sich losgerissen hatten. Sie sind sehr vorsichtig aus dem Schuppen geführt worden.«

      »Er ist verriegelt,« bemerkte Winnetou, indem er auf die Thür zeigte.

      »Ein weiterer Beweis, daß ein Diebstahl vorliegt. Pferde können keine Thür verriegeln.«

      »Aber Menschen!« fiel der Engineer ein. »Und ein Mensch, natürlich ein Arbeiter, ist es gewesen, der sich im Schuppen heimlich etwas zu schaffen gemacht hat. Dabei haben sich die Pferde losgerissen.«

      »Da wäre der Mann erschrocken zu uns gerannt gekommen, um es uns zu melden!«

      »Nein. Er hat das freilich nicht gethan, weil er die Vorwürfe fürchtete.«

      » Pshaw! Die Fährte wird uns ja sagen, wer recht hat, Ihr oder ich. Wieviel weiße Arbeiter habt Ihr, Sir?«

      »So viele, wie Ihr im Shop gesehen habt.«

      »Sie waren alle da?«

      »Alle.«

      »Schön! Ich mache Euch darauf aufmerksam, daß keiner von diesen Weißen den Shop verlassen hat. War wirklich ein Arbeiter hier, so muß es ein Chinese gewesen sein.«

      »Das meine ich auch.«

      »Was haben diese Himmelssöhne für Schuhwerk an den Füßen?«

      »Schwere chinesische Schlappen mit dicken Sohlen.«

      » Well! Das gibt einen so ausgeprägten, eigenartigen Stapfen, daß man sich gar nicht irren kann. Werden nachher sehen. Jetzt treten wir zunächst hier ein.«

      Sie öffneten die Thür und gingen hinein. Es war nichts zu sehen. Die Diebe hatten keine Spur zurückgelassen. Darum wurden nun die Pferde hineingeschafft und wieder angebunden, worauf die drei Männer die Untersuchung draußen fortsetzten, indem sie die Fährte vom Schuppen weg verfolgten. Nach wenigen Schritten schon teilten sie sich. Nach rechts führten Menschen— und Tierschritte, von links her gab es nur Menschenspuren.

      »Da sind sie gekommen,« sagte Old Shatterhand. »Sieht mein Bruder Winnetou, wie viele es gewesen sind?«

      Der Apatsche betrachtete die Eindrücke genau und antwortete dann:

      »Diese roten Männer waren so unvorsichtig, nicht hintereinander zu gehen, darum ist ganz deutlich zu sehen, daß es vier Männer waren. Gehen wir noch weiter! Die Fährte geht nach der hinteren Seite des Shop.«

      Nach kurzer Zeit gelangten sie an die Stelle, wo die beiden Chinesen mit den Indianern zusammengetroffen waren. Sie war bereits ausgetreten und wurde von Old Shatterhand sorgfältig beleuchtet.

      »Uff !« rief Winnetou. »Hier haben die roten Männer einige Zeit gestanden und mit zwei gelben Männern gesprochen. Man sieht die Spur der dicken, geraden Sohlen ganz genau.«

      »Sagte ich es nicht!« meinte da der Engineer. »Es sind Arbeiter im Schuppen gewesen!«

      »Unsinn!« widersprach Old Shatterhand, ziemlich unwillig darüber, daß der Beamte noch immer nicht von seinen falschen Gedanken abzubringen war. »Im Schuppen waren sie nicht, denn ihre Spuren führen nicht bis hin. Ihr seht ja, daß sie bloß hierher und dann wieder zurückgehen. Ich bitte Euch sehr, Eure irrige Ansicht aufzugeben!


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