Der schwarze Mustang. Karl May

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Der schwarze Mustang - Karl May


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lag auf der Lauer und hörte den Mestizen gelaufen kommen und in sein Wigwam treten. Da erschallte das Rachegeschrei der Männer, und das Halbblut stürzte vor Angst wieder hinaus, rannte zu seinem Pferde, stieg auf und ritt davon.«

      »Wird er weit reiten oder heimlich doch hier bleiben?« fragte Old Shatterhand, um zu hören, was Winnetou über diesen Punkt dachte.

      »Er wird weit, weit reiten und nicht eher anhalten, als bis er von uns heut nicht mehr erreicht werden kann. Ich habe das Sausen seines Atems gehört und daraus vernommen, daß seine Angst eine so große war, daß es ihm gewiß nicht einfällt, hier zu bleiben.«

      »Das denke ich auch. Wir können also unsre unterbrochene Forschung wieder aufnehmen, ohne befürchten zu müssen, dabei heimlich von ihm beobachtet zu werden.«

      »Welche Forschung?«

      »Nach den Spuren der beiden Chinesen, die wir noch nicht ausgekundschaftet haben.‹,

      »Dürfen die andern dabei sein?«

      »Höchstens die beiden Timpe. Wenn mehr mitgehen, können sie nur die Fährte leicht verderben.«

      Die Arbeiter kehrten jetzt von der ergebnislosen Verfolgung des Mestizen zurück. Sie wollten von Old Shatterhand Auskunft über seinen Verdacht und was mit diesem zusammenhing, haben; er forderte sie auf, in den Shop zu gehen und dort eine kurze Zeit zu warten; er werde bald nachkommen und ihnen alles erklären. Dann wendete er sich mit Winnetou, dem Engineer und den beiden Timpes wieder nach der Hinterseite des Shop, wo er vorhin die Spuren der zwei Chinesen gesehen hatte, ohne ihnen zu folgen. Sie fanden sie beim Scheine der Laterne leicht wieder und gingen ihnen nach.

      Sie hatten angenommen, daß diese Fährte um zwei Ecken des Gebäudes nach dem Eingange zum Shop führen werde, sahen aber bald, daß dies nicht der Fall war, denn sie ging weiter bis zur Wohnung des Engineers, und zwar nach der hinteren Seite derselben. Dort lehnte eine Leiter, die bis zum Dache ging, an der Mauer.

      »Uff!« rief der Apatsche dem Engineer zu. »Lehnt diese Leiter immer hier?«

      »Nein,« antwortete der Gefragte, indem er bedenklich mit dem Kopfe schüttelte.

      »Lehnte sie aber vielleicht schon da, als wir vorhin im Innern dieses Hauses waren?«

      »Ich weiß nichts davon. Die Sache kommt mir außerordentlich verdächtig vor. Wer mag das gewesen sein?«

      »Die Chinesen natürlich!« antwortete Old Shatterhand. »Ihr seid wahrscheinlich bestohlen worden, Sir, und wir mit!«

      »Uff, uff!« stimmte der Apatsche bei. »Unsre Gewehre sind verschwunden.«

      »Seid Ihr, – nehmt es mir nicht übel, Mister Winnetou, aber seid Ihr nicht recht gescheidt?« rief der Engineer erschrocken.

      »Sie sind fort,« wiederholte der Häuptling.

      »Ja, das sage ich auch,« erklärte Old Shatterhand ohne alle Aufregung.

      »Und das sagt Ihr in einem so ruhigen Tone, als ob es sich nur um einige Zündhölzer anstatt um die drei kostbarsten Gewehre des wilden Westens handelte!«

      »Was könnte die Aufregung nützen? Sie würde nur schaden. Je ruhiger wir die Sache hinnehmen, desto eher und sicherer bekommen wir unsre Gewehre wieder.«

      »Ich kann es mir nicht denken, aber wenn es wirklich so ist, dann müssen die Spitzbuben die Gewehre sofort herausgeben, und ich jage sie fort, nachdem ich sie habe halb oder dreiviertel tot prügeln lassen!«

      »Sie können sie nicht herausgeben.«

      »Nicht? Warum?«

      »Weil sie sie nicht mehr haben.«

      »Wer denn?«

      »Die Komantschen.«

      »Zum Kuckuck! Das wäre schlimm, sehr schlimm für Euch! Wie kommt Ihr denn auf diesen unglückseligen Gedanken?«

      »Auf die einfachste Weise. Die Spuren der beiden Chinesen stoßen mit denen der Komantschen zusammen und gehen dann gleich wieder zurück. Die Roten haben die Gewehre erhalten.«

      »So denkt Ihr, daß die Flinten extra für die Indianer gestohlen worden sind?«

      »Nein! Vorhin freilich, als ich die Fährten zum erstenmal beisammen sah, war ich geneigt, anzunehmen, daß die Indsmen mit diesen zwei Chinesen im geheimen Einverständnisse seien, jetzt aber bin ich überzeugt, daß dem nicht so ist. Die Chinesen haben den Diebstahl für sich ausgeführt; als sie dann fortgingen, um die Gewehre zu verstecken, sind sie auf die Indianer gestoßen und von diesen gezwungen worden, die Waffen herzugeben.«

      »Das ist freilich möglich, aber wir haben ja noch gar keine Sicherheit. Wir können noch gar nicht behaupten, daß es sich wirklich um eure Gewehre handelt. Kommt, wir wollen hineingehen und nachsehen! Hoffentlich habt Ihr Euch getäuscht.«

      »Wir täuschen uns nicht. Haben Eure Chinesen Gewehre?«

      »Nein.«

      »Also! Seht hier diese drei Eindrücke im schlammigen Boden! Sie können nur von Gewehrkolben herrühren. Die Diebe haben, als sie von der Leiter kamen, sich die Hände auf einen Augenblick frei gemacht und die Büchsen an die Mauer gelehnt. Drei Stück, ein großer, ein mittlerer und ein kleinerer Eindruck; das ist der Bärentöter, die Silberbüchse und der Henrystutzen. Weitere Beweise brauchen wir nicht.«

      »Es ist wahr; es ist wirklich wahr!« rief der Engineer aus, als er die drei Löcher im Schlamm angesehen hatte. »Wahrhaftig, das sind Chinesen gewesen! Ich lasse sie zu Tode peitschen! Welche zwei aber mögen es unter so vielen gewesen sein?«

      »Wir werden sie entdecken. Wir haben hier ihre Spuren, was freilich nicht viel sagen will. Vielleicht finden wir drin im Hause einen Anhaltspunkt. Und wenn das nicht sein sollte, so gibt es im Kopfe eines guten Westmannes noch andre Haken, an denen man dergleichen Spitzbuben aufhängen kann.«

      »Wollen es hoffen, Sir! Donner und Doria! Es ist eigentlich eine ganz und gar armselige Blamage für mich und unser Camp. Erst diese Freude und Ehre, so berühmte Westmänner bei uns zu sehen, und nun stellt es sich heraus, daß Ihr auf eine so raffinierte und freche Weise bestohlen worden seid! Ich möchte nur wissen, wie die Halunken auf diesen Gedanken gekommen sind: sie brauchen diese Waffen doch gar nicht; sie können gar nicht mit ihnen umgehen. Welchen Zweck hatten sie eigentlich dabei?«

      »Das ist mir freilich auch ein Rätsel, welches sich aber schon noch lösen lassen wird.«

      Da sagte Kas, der Blonde:

      »Ich weiß nicht, ob es ein guter oder ein alberner Gedanke von mir ist, Sir, aber mir ist soeben eine Art von Erklärung eingefallen.«

      »Welche?«

      »Ehe Ihr kamt, war die Rede von Euch. Wir sprachen da natürlich auch von Euren Gewehren, und daß sie von einem so hohen Werte sind, daß man ihn eigentlich gar nicht bestimmen kann. Sollten einige von diesen gelben Zopfmännern das gehört haben und dadurch auf den Gedanken geraten sein, die kostbaren Waffen zu stehlen, um sie später zu einem hohen Preise zu verkaufen?«

      »Hm! Dieser Gedanke ist gar nicht dumm, Mister Timpe. Vielleicht habt Ihr das Richtige getroffen. Die beiden Abteilungen des Shops sind nur durch einen dünnen Verschlag voneinander getrennt, durch welchen das, was gesprochen worden ist, leicht gehört werden konnte. Und wenn ich mich nicht irre, saßen zwei Chinesen ganz nahe an diesem Verschlage auf einer Bank allein.«

      »Das ist richtig,« stimmte der Engineer bei. »Das waren die beiden Firsthands [Vorarbeiter.], deren wir uns als Vermittler bedienen.«

      »Muß man da nicht annehmen, daß sie ehrliche Leute sind?« fragte Old Shatterhand.

      »Das nicht, Sir! Diese Burschen sind alle Halunken, vom ersten bis zum letzten. Sie stehlen nur dann nicht, wenn es nichts zu stehlen gibt, und ihr Hauptgrundsatz ist der, daß es keine Sünde und Schande, sondern vielmehr ein gutes Werk und eine Ehre ist, den Weißen so viel wie möglich zu übervorteilen. Daß ein Chinese es bis zum Firsthand gebracht hat, ist gar kein Grund, darauf zu schließen, daß er ehrlicher als die andern sei, sondern grad im Gegenteile: er ist intelligenter, und also darf man ihm noch weniger


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