Die Juweleninsel. Karl May

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Die Juweleninsel - Karl May


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und noch mehr. Ich nehme Ihr Anerbieten an.«

      »Wo lade ich ab?«

      »Vor dem Anstaltsthore. Lenken Sie um!«

      »Ist auch Zeit, wenn Sie drinnen sind. Man darf solche Schlingels nicht so lange auf der Straße stehen lassen.«

      »Gut! Vorwärts, eingestiegen!«

      Der Vogt hielt die Peitsche hiebgerecht, nahm die Pferde hoch in die Zügel und wartete auf den entscheidenden Augenblick, der ja gleich kommen mußte. Erst stiegen die beiden Schreiber ein, dann folgte Raumburg. jetzt legte der Gensdarm die Hand an den Schlag.

      »Herr Wachtmeister!« rief der Kutscher.

      »Was?«

      »Sie haben am Ende doch die Unrechten! Sind das nicht Züchtlinge, die drei Männer, welche dort über die Wiese gesprungen kommen?«

      »Wo?«

      »Rechts da drüben!«

      Die Kutsche stand zwischen dem Gensdarm und der Gegend, nach welcher der Schloßvogt zeigte. Darum nahm der Beamte die Hand vom Schlage und trat nach hinten, um besser sehen zu können. Da sauste die Peitsche auf die Pferde nieder; diese stiegen in die Höhe und zogen mit einem schnellen Rucke an.

      »Adieu, Herr Wachtmeister; es sind doch die Richtigen!« klang es lachend vom Bocke hernieder.

      Der Geprellte faßte sich schnell. Er hob den Karabiner in die Höhe und rief:

      »Halt, oder ich schieße!«

      Das Gebot wurde nicht beachtet. Der Schuß krachte und noch einer – die Kugeln schlugen beide in den Wagen ein; dieser jedoch flog in sausendem Galoppe weiter. Die Vögel waren zum zweiten Male entwischt. –

      Am späten Nachmittage des folgenden Tages ritten auf der Gebirgsstraße ein Knabe und ein Mädchen auf kleinen schottischen Ponnys dahin. Der Knabe mochte etwas über vierzehn und das Mädchen ungefähr zehn Jahre zählen, doch war das letztere im Reiten sichtlich bewanderter als der erstere.

      »Das ist eigentlich sonderbar bei Dir,« meinte das Mädchen. »Du hast drei Väter.«

      »Wieso, Magda?«

      »Nun, Du hast einen Vater, den hast Du gar niemals gesehen, dann hast Du einen Vater, der ist Dein Stiefvater, und endlich hast Du noch einen Vater, der ist auch mein Papa.«

      »Ja, ich muß Papa zu ihm sagen, aber hat er mich denn auch wirklich so lieb, wie ein Vater gewöhnlich seine Kinder liebt?«

      »Der Papa? Der hat Dich sehr lieb, das kannst Du mir glauben. Ich war dabei, als er mit Herrn Walther von Dir sprach.«

      »Was hat er da gesagt?«

      »Ja, das darf ich Dir eigentlich gar nicht verrathen, Kurt; denn sonst wirst Du mir am Ende gar stolz, und Du weißt doch, daß ich dies niemals gern leiden mag.«

      »Ich verspreche Dir, daß ich nicht stolz werde. Ich habe übrigens auch gar keine Anlagen dazu.«

      »Er sagte nämlich so:[»] Dabei setzte sich das hübsche Kind auf ihrem Ponny in eine sehr würdevolle Positur zurecht, um die Haltung und Miene nachzuahmen, welche ihr Vater bei den betreffenden Worten gezeigt hatte. »Mein lieber Herr Walther, Sie sind der Erzieher meiner Tochter, und ich freue mich Ihnen sagen zu können, daß ich mit Ihnen sehr zufrieden bin. Ich habe Ihnen jetzt auch meinen Pflegesohn übergeben. Er ist ein armer Schifferknabe und hat nur einen solchen Unterricht genossen, wie er in einer gewöhnlichen Volksschule ertheilt wird; aber er besitzt ausgezeichnete Anlagen und eine Lust zum Lernen, die ihm helfen wird auch größere Schwierigkeiten zu überwinden. Er hat ein sehr gutes Herz, ist offen und ehrlich in allen Fällen; man muß ihm herzlich gut sein, und ich wünsche, daß auch Sie ihm Ihre Liebe widmen. Er soll Marineoffizier werden, haben Sie die Güte, Ihren Unterricht nach diesem Plane zu arrangiren! Siehst Du, so hat Papa gesagt, und noch vieles Andere dazu, was Alles sehr gut und schön geklungen hat.«

      »Das freut mich sehr. Das hätte meine Mutter hören sollen, die wäre recht glücklich darüber gewesen. Sie hat mir geboten, Alles zu thun um die Zufriedenheit Deines Papa zu erlangen.«

      »Ich habe es ihr bereits erzählt. Aber, Kurt, Du sollst nicht sagen »Deines« Papa; er ist ja auch Dein Vater, und ich bin also Deine Schwester. Ich freue mich unendlich, daß ich einen Bruder habe, denn das ist viel besser als vorher. Auch die Tanten haben Dich sehr gern. Sie gewinnen nicht gleich jemanden lieb, aber Du, weißt Du, wodurch Du ihre Zuneigung sogleich erobert hast?«

      »Nun?«

      »Dadurch, daß Du so muthig und klug gegen den tollen Prinzen gewesen bist, und dann auch ganz besonders damit, daß Du damals die Frösche und Krebse entfernt hast. Auch uns er alter guter Kunz ist Dir sehr gut. Wenn er von Dir spricht, so wirst Du gar nicht anders als »unser Junge« oder »unser Kurt« von ihm genannt.«

      »Ja, wir haben es gegen früher wie im Himmel bei Euch, und das gönne ich meiner armen guten Mutter von ganzem Herzen. Sie grämt sich gar sehr darüber, daß mein Stiefvater jetzt in das – das – — das – — – »

      »Sage nur das Wort, lieber Kurt; Du bist doch nicht schuld daran!«

      »In das – Zuchthaus gekommen ist, wollte ich sagen.«

      »O, wie schrecklich muß es dort sein! Man kann sich gar nicht wundern, wenn einmal Einer zu fliehen versucht, wie der Kutscher gestern erzählte. Wie war denn das eigentlich? Du bist ja mit dabei gewesen.«

      »Nun, ich mußte den Papa und Kunz, als sie abreisten, mit zur Station begleiten, und da trafen wir im Wartesaale einen Herrn in Uniform. Der war, wie er Papa erzählte, Arbeitsinspektor im Zuchthause und mit dem letzten Zuge gekommen, um mit einem Geschäftsmanne zu verhandeln, der in der Strafanstalt sehr viel arbeiten läßt. Während dieser Mittheilung hörten wir, daß die Bahnbeamten sich etwas zuriefen. Es war soeben eine Depesche gekommen, welche an alle Stationen des Landes gerichtet ist. Sie lautete, daß drei sehr vornehme, sehr wichtige und auch sehr gefährliche Gefangene entsprungen seien, nämlich der Prinz von Raumburg und zwei Aerzte, von denen der eine Direktor und der andere Oberarzt im Irrenhause gewesen sind. Du kannst Dir denken, wie der Arbeitsinspektor erschrocken ist. Der frühere Oberarzt war sein Schreiber im Zuchthause; er gab die vorgenommene Besprechung auf und kehrte gleich mit dem nächsten Zuge, welchen auch Papa benutzte, in die Anstalt zurück.«

      »Das sind allerdings drei sehr gefährliche Leute. Der Prinz hat mit seinem Vater, der nun todt ist, eine Verschwörung gegen unsern guten König angezettelt und das Land um ungeheure Summen betrogen, wie sich nachher herausstellte. Auch gemordet haben sie, heimlich und öffentlich, und viele Leute, die ihnen im Wege waren, als Wahnsinnige in das Irrenhaus gebracht, wo sie so gemartert wurden, daß sie wirklich wahnsinnig werden oder sterben mußten.«

      »Das ist ja ganz und gar entsetzlich! Woher hast Du es denn erfahren?«

      »Papa und die Tanten haben sehr oft davon gesprochen. Der alte Herzog hatte auch den Krieg angestiftet und das Land an den König von Süderland verrathen, das Volk sollte Revolution machen und er wollte dabei König werden. Aber es ist ihm nicht geglückt. Der tolle Prinz kam zwar mit seinen Soldaten in das Land; aber der General von Sternburg hat ihn umzingelt, und Papa ist mit seinem Heere ganz unvermuthet in Süderland eingefallen und hat die Hauptstadt erobert. Deshalb kann ihn der tolle Prinz nicht leiden. Die beiden Aerzte, welche mit entsprungen sind, sind ganz gewiß dieselben, von denen Papa erzählt hat. Sie haben dem alten Raumburg geholfen die Feinde desselben wahnsinnig zu machen. Ich wollte, sie würden wieder erwischt und in das Zuchthaus zurückgeschafft!«

      »Man wird sie schon ertappen. Die ganze Polizei ist auf den Beinen, und alle Straßen sind besetzt um sie abzufangen. Die Depesche lautete nämlich, daß sie in einem Wagen, der mit zwei Braunen bespannt ist, die Straße nach dem Gebirge zu eingeschlagen haben.«

      »Schrecklich! Wenn wir ihnen hier begegneten!«

      »Oh, die sollten uns nur etwas thun! Ich habe mich vor dem tollen Prinzen nicht gefürchtet, und nun vor ihnen erst recht nicht. Ich könnte sie nicht aufhalten, denn ich bin zu klein dazu; aber Dir sollten sie kein böses Auge machen; das wollte ich mir sehr verbitten!«

      »Oder wenn sie nach


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