Die Juweleninsel. Karl May

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Die Juweleninsel - Karl May


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sollen sie erst recht nicht kommen.«

      »Und unser Herr Walther ist auch fort, auf Ferien zu seiner Braut nach Himmelstein!«

      »Schadet nichts. Papa hat in seinem Waffenschranke eine ganze Menge von Degen und Pistolen, ich würde alle drei todtstechen oder niederschießen. Ich lerne das ja jetzt!«

      »Ich habe dennoch Angst. Sie könnten Dich ja auch todt machen. Aber schau, wer sitzt dort unter dem Baume? Ich fürchte mich. Komm herüber auf die andere Seite!«

      Die Straße führte durch den Wald. An dem einen Saume desselben lehnte unter einer knorrigen Fichte eine alte Frau. Sie war vollständig barfuß, trug einen einzigen Rock von grellrother Farbe, um die Schultern einen gelben, arg beschmutzten Ueberwurf und hatte ein blaues Tuch turbanartig um den Kopf geschlungen. Ihr Teint war tiefbraun; zahlreiche Runzeln durchfurchten ihr Gesicht, in welchem eine scharfe Nase über einem spitzigen Kinne thronte, und ihre Gestalt lag gebeugt auf dem Stocke, auf den sie die beiden Hände stützte. Mit ihren tiefliegenden schwarzdunklen Augen musterte sie aufmerksam die von ihrem Spazierritte heimkehrenden Kinder. Als diese herangekommen waren, streckte sie die Rechte bittend aus und trat unter dem Baume hervor.

      »Gebt einer armen Zigeunerin etwas, Ihr blanken Kinder!«

      Magda wollte ängstlich weiter reiten, aber Kurt hielt ihr Pferd und das seinige an.

      »Eine Zigeunerin bist Du? Da habe ich ja noch gar keine gesehen!«

      Sein offenes Angesicht und seine ehrlichen freundlichen Augen mochten der Alten gefallen.

      »So sieh mich einmal ganz genau an,« meinte sie lächelnd, und ihre Augen zeigten dabei einen Ausdruck, wie man ihnen denselben so freundlich gar nicht zugetraut hätte. Dadurch und in Folge von Kurts Muthe wurde Magda auch beherzter.

      »Du bist heute wohl schon sehr weit gegangen?« fragte sie.

      »Nein; aber ich bin alt, und da wird man leichter müde als in der Jugend.«

      »Also müde bist Du? Und wohl auch hungrig und durstig?«

      »Beides ein wenig.«

      »Da bist Du ja recht schlimm daran. Kurt, ich habe meinen Beutel vergessen. Bitte, gib ihr auch für mich etwas, damit sie zu Essen und zu Trinken kaufen kann!«

      »Ja,« erwiderte dieser verlegen, »ich habe auch kein Geld mit. Was thun wir da?«

      Das Mädchen blickte überlegend vor sich nieder. Die Zigeunerin nickte freundlich.

      »Wenn Ihr nichts bei Euch habt, so könnt Ihr mir ja auch nichts geben. Es ist so gut, als hättet Ihr es gethan. Ihr seid gute Kinder. Gott segne Euch!«

      Da hob Magda sehr entschlossen das Köpfchen.

      »Nein, Du mußt etwas von uns haben. Aber sage mir vorher, ob es wahr ist, daß die Zigeuner so schlimme Leute sind. Die Tanten sagen, daß sie sogar Kinder stehlen.«

      »Nein, das ist nicht wahr. Die Zigeuner sind so arm, daß sie froh sind, wenn sie gar keine Kinder haben. Und wenn einmal Einer etwas Böses thut, so sind die Andern doch nicht schuld daran.«

      »Ja, das will ich auch gern glauben. Du siehst gar so mild und gut mit Deinen großen Augen und kannst sicherlich nur Gutes thun. Ich möchte gern, daß Du zu essen und zu trinken bekommst und Dich recht schön ausruhen kannst. Willst Du mit uns kommen?«

      »Wohin?«

      »Nach Helbigsdorf. Wir haben nur noch eine Viertelstunde bis dahin.«

      »Ihr seid von Helbigsdorf?

      »Ja. Helbigsdorf ist unser,« antwortete Magda mit einem gewissen Selbstbewußtsein.

      »Es gehört doch dem General von Helbig.«

      »Das ist unser Papa. Willst Du mit? Du kannst bei uns essen und trinken so viel Du willst, und auch in einem schönen Bette schlafen. Wir geben Dir das ganz gern!«

      Die Alte nickte zustimmend und kam über den Straßengraben herüber.

      »Ja, ich gehe mit Euch, Ihr guten Kinder.«

      Kurt sah ihren Bewegungen mit einigem Bedenken zu.

      »Du bist sehr müde, wie es scheint, und wirst mit unsern Pferden gar nicht fortkommen.«

      »So reitet Ihr voraus oder macht ein wenig langsamer.«

      »Das geht nicht. Die Ponnys laufen nicht langsam, und zurücklassen wollen wir Dich auch nicht. Wenn Du Dich doch auf mein Pferdchen setzen könntest. Ich würde gern absteigen und es so führen, daß Du nicht fällst.«

      »Wolltest Du das wirklich, mein guter Knabe?«

      »Ja, sonst würde ich es Dir doch gar nicht anbieten. Willst Du es versuchen?«

      »Ja, wenn Du es mir wirklich erlaubst.«

      »So komm!«

      Er stieg ab und wollte ihr behilflich sein. Zu seinem Erstaunen aber schwang sie sich mit einer Gewandtheit auf das Pferdchen, die er selbst noch gar nicht besaß.

      »Ah, ging das schnell! Das sieht ja aus, als ob Du schon sehr viel geritten seist.«

      »Das ist auch wirklich der Fall, mein Kind.«

      Sie nahm ihm die Zügel aus der Hand, und es ging im raschen Schritte vorwärts. Die Zigeunerin ergriff zuerst das Wort:

      »Also Ihr seid die Kinder des Herrn Generals von Helbig? Ich dachte, er hätte nur eine Tochter.«

      »Das ist auch eigentlich richtig,« antwortete Magda, die jetzt ganz zutraulich geworden war. »Ich habe Kurt erst ganz kürzlich zum Bruder erhalten.«

      »Wie so?«

      »Wir waren im Seebad Fallum; da haben wir ihn kennen gelernt und ihn mit nach Helbigsdorf genommen, ihn und seine Mutter. Er hat mir das Leben gerettet und den tollen Prinzen mit sammt seinem Kahne umgefahren; darum ist er nun mein Bruder geworden.«

      »Den tollen Prinzen, ah!«

      »Kennst Du ihn?«

      »Ja.«

      »Du scheinst überhaupt recht sehr bekannt zu sein. Daß Papa eine Tochter habe, wußtest Du ja auch. Ist es wahr, daß die Zigeuner weissagen können und Dinge wissen, die sonst niemand weiß?«

      »Es gibt welche unter ihnen, denen die Gabe verliehen ist, von der Du redest.«

      »O, dann hast Du sie wohl auch?«

      »Ja,« antwortete die Alte einfach.

      »Dann bitte, weissage mir doch einmal!«

      »Dazu bist Du noch zu jung, mein Kind. Die Züge Deines Gesichtes und die Linien Deiner Hand sind noch nicht genug entwickelt und ausgebildet. Später werde ich Dir weissagen.«

      »Kannst Du mir nicht wenigstens etwas sagen?«

      »Vielleicht,« lächelte die Zigeunerin. »Wie heißt Dein Brüderchen hier?«

      »Kurt.«

      »Nun gut: Kurt ist jetzt nur Dein Bruder, aber einst wird er Dein Mann sein.«

      Magda schlug fröhlich die Hände zusammen und rief:

      »Das ist prächtig. Ich möchte auch gar keinen Andern zum Manne haben! Aber ist es auch wahr, ist es auch wirklich sicher und gewiß?«

      »Es ist wahr,« bestätigte die Alte halb scherzend, halb ernsthaft. »Aber er heißt doch wohl nicht Kurt allein, sondern er muß auch noch einen andern Namen besitzen!«

      »Kurt Schubert.«

      »Schubert? Was ist denn Dein eigentlicher Vater?«

      Magda antwortete auch jetzt an des Knaben Statt:

      »Ja, das ist etwas, wo Du zeigen könntest, daß Du mehr weißt als andere Leute. Er hat seinen Vater gar niemals gesehen, und das ist eine sehr traurige Geschichte. Sein Vater war Steuermann und ist rnit seinem Schiffe in alle Welt gefahren, aber nicht wiedergekommen. Dann hat seine Mutter einen bösen Stiefvater heirathen müssen, der stets betrunken gewesen ist und jetzt nun gar im Zuchthause steckt.«

      »Steuermann war er, und


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