Die Juweleninsel. Karl May

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Die Juweleninsel - Karl May


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pflege nie zu lügen.«

      »Sie gestehen es also?«

      »Ja.«

      »Sie sind ein Elender!«

      »Wohl! Das ist eine Meinung, für welche Sie sich mit mir schlagen werden.«

      »Fällt mir nicht ein! Ein ehrenhafter Offizier befleckt seinen Degen nicht durch die Berührung mit einem Menschen, der keine Spur von Bildung oder Ehre besitzt und bereits als Schurke gekennzeichnet wurde.«

      »Mensch!« donnerte der Prinz.

      »Pah! Können Sie die Ruthenhiebe verleugnen, die Ihnen einst der Kapitän von Sternburg versetzte, weil Sie eine ehrbare Dame überfielen, und deren unvertilgbare Spuren noch heut in Ihrem Gesichte zu sehen sind? Ein Edelmann, ein Ehrenmann kann sich mit Ihnen, ohne sich selbst zu entehren, niemals schlagen. Und dennoch werde ich von Ihnen Genugthuung fordern, aber nicht mit der Waffe, sondern vor den Schranken des Gerichts. Was Sie thaten, ist keine Unvorsichtigkeit, kein Vergehen, sondern ein Verbrechen, ein Ueberfall friedlicher Menschen, welche leicht das Opfer Ihrer Rohheit werden konnten. Man wird auch einem Prinzen zeigen können, unter welchen strengen Paragraphen des Kriminalgesetzbuches dieses Verbrechen zu stellen ist!«

      Der Prinz hatte ihn unterbrechen wollen, war aber nicht dazu gekommen. jetzt aber antwortete er mit drohender Miene:

      »Mensch, Sie sprechen entweder aus Altersschwäche oder aus Verrücktheit in dieser Weise mit mir! Ich werde Sie schon zu zwingen wissen, sich mit mir zu schlagen, und was Ihre Paragraphen betrifft, so habe gerade ich das Recht, ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. – Halten Sie Ihre Frauen und deren Bootsführer fest; ich könnte auf den Gedanken kommen, sie einsperren zu lassen!«

      Er ging, und nur finstere Blicke folgten ihm. Da trat einer der Schiffer, den Südwester verlegen zwischen den Händen drehend, zu Helbig. Es war Nachbar Klassen.

      »Nicht wahr, Sie sind der Herr General, und dieses kleine, schöne Fahrzeug da ist Ihr Fräulein Töchterchen?«

      »Ja. Was wünschen Sie?«

      »Ich bitte für diesen wackern jungen, den Kurt!«

      »Ah, Kurt Schubert?«

      »Ja. Er hat dem gnädigen Fräulein aus dem Wasser geholfen, und da könnten Sie ihm ja dann auch einen Gefallen thun!«

      »Welchen?«

      »Hm! Er hat schon lange einen Pik auf den Prinzen, weil dieser seine Mutter beleidigt hat, und heute ist dann Abrechnung gewesen. Der Prinz wollte nämlich Ihre Fräuleins überfahren, und das ist ihm nicht gelungen, weil Kurt sein Handwerk ganz vortrefflich versteht; dann aber hat der junge auf den Prinzen Jagd gemacht und ihm sein Fahrzeug in den Grund gebohrt, so daß der Prinz da draußen im Wasser stehen und warten mußte, bis er herausgefischt wurde. Nun wird er den jungen zur Anzeige bringen, Sie haben es ja selbst gehört, und da mag es gut sein, wenn der Kurt einen so hohen Herrn fände, der sich seiner ein wenig annähme. Er verdients, das kann jeder versichern.«

      »Wirklich? Wo wohnen seine Eltern?«

      »Dort in der vorletzten Hütte. Die Frau ist ein Muster, aber der Mann ein Spieler und Trinker, der niemals eine Hand regt im Geschäfte. Der Junge muß Alles verdienen und die ganze Familie ernähren. Prügel genug bekommt er dafür, desto weniger aber zu essen. Die Mutter hat es in schlechten Händen. Sie stammt weit von hier und muß ein schönes Mädchen gewesen sein. Sie war mit einem Steuermann verlobt, der Schubert hieß und in fremden Meeren Schiffbruch gelitten haben muß, denn er kam nicht wieder. Der Junge ist sein Sohn. Die Mutter wollte nicht heirathen, sie wurde aber gezwungen, und kam darauf mit ihrem Manne hierher. Besser als den Kurt gibt es Keinen, darauf können Sie sich verlassen, und er verdient es, daß er gegen den Prinzen in Schutz genommen wird. Auch wir Alle werden das Unserige thun, wenn er angezeigt werden sollte.«

      Der General reichte dem Manne die Hand entgegen.

      »Der Knabe hat meiner Tochter hier das Leben gerettet, und es versteht sich ganz von selbst, daß ich ihm dafür dankbar bin. Auch Ihnen danke ich. Sie handeln, wie ein braver Nachbar handeln muß. Also dieser Kurt hat sofort an dem Prinzen Vergeltung geübt?«

      »Ja, und zwar so schlau und regelrecht, daß es keiner von uns befahrenen Schiffern besser fertig gebracht hätte.«

      »Das freut mich von ihm!«

      »Aber sagen darf man es nicht. Vor Gericht ist natürlich der Prinz selbst an dem Zusammenstoße schuld. Der junge hat so geschickt manövrirt, daß dies jedem Sachverständigen leicht wird zu beweisen.«

      »Also der Knabe besitzt nicht nur Muth und Geistesgeger,wart, sondern auch Ueberlegung und Klugheit?«

      »So viel, als er nur brauchen kann! Er hat das Rettungsboot nicht nur erst einmal geführt und liegt in jeder freien Stunde über den Büchern, die er sich zusammenborgt. Er ist ein Prachtkerl! Unter uns sind viele weitgereiste Seemänner, welche die Schifffahrt aus dem Fundamente verstehen und fremde Sprachen oder anderes dazu. Bei ihnen lernt er, aber heimlich, um keine Strafe zu bekommen, denn sein Stiefvater leidet das nicht.«

      »Schön; werde mich darnach richten! Ist der Mann hier, der meine Schwestern an das Land gebracht hat?«

      »Der bin ich selbst.«

      »Es ist vergessen worden Sie zu bezahlen. Hier haben Sie!«

      Nachbar Klassen bedankte sich für das reiche Geschenk, welches ihm wurde, und dann ging der General mit Magda auf die Wohnung Kurts zu.

      Bei derselben angekommen konnte er keines Menschen ansichtig werden; aber aus dem Innern drang ein unterdrücktes Weinen. Er trat ein und wäre beinahe zurückgefahren bei dem Anblicke, welcher sich ihm bot.

      An der Wand stand oder vielmehr hing Kurt. Seine beiden Hände waren mit einem Riemen zusammengebunden und mittelst einer Schlinge an einen starken Nagel in der Weise befestigt, daß der Knabe den Fußboden kaum mehr mit den Fußspitzen erreichen konnte. Darauf war ihm der Oberkörper entblößt und auf eine so unbarmherzige Art behandelt worden, daß man das rohe blutige Fleisch erblickte und die Diele roth gefärbt worden war. In dieser torturähnlichen Stellung hing er noch jetzt, ohne einen Laut von sich zu geben. Seine Augen waren roth geschwollen, und vor seinen zusammengepreßten Lippen stand großblasiger Schaum. Daneben lagen die Stöcke, mit denen die Züchtigung vorgenommen worden war.

      In der hintersten Ecke saß seine Mutter mit verbundenem Kopfe. Sie hatte mehrere Hiebe über denselben erhalten und schien nicht ungefährlich verwundet worden zu sein. In ihrer Nähe lagen vier kleinere Kinder am Boden, welche leise weinten, und auf einer alten Pritsche saß der Mann, welcher diese Grausamkeiten verübt hatte. Seine knochige Gestalt und seine rohen Züge machten einen höchst ungünstigen Eindruck, und man sah es ihm auf den ersten Blick an, daß er sich im Zustande der Betrunkenheit befand. Er achtete gar nicht auf die Eintretenden.

      Als Magda den Knaben erblickte, welcher ihr so schnell lieb geworden war, stieß sie einen Ruf des Schmerzes aus und eilte auf ihn zu.

      »Ach Gott, Papa, das ist er! Hilf ihm, Papa, schnell, schnell!«

      Der General trat näher und streckte die Hand nach dem Knaben aus. Da aber erhob sich der Betrunkene und faßte ihn am Arme.

      »Halt! Was wollt Ihr hier?«

      »Zunächst diesen Knaben befreien, Mensch.«

      »Dies Haus ist mein, und der Knabe auch. Packt Euch fort!«

      »Nur langsam! Wir werden gehen, aber nicht ohne vorher unsere Pflicht zu thun.«

      Hinaus mit Euch. Ihr habt hier nichts zu befehlen; ich leide es nicht!«

      Er faßte den General beim Arme; dieser aber stieß ihn von sich ab.

      »Kerl, wage es noch einmal mich anzurühren, so sollst Du sehen, was passirt! Ist dies Euer Vater?«

      Eins der Kleinen nickte.

      »Und dies Eure Mutter?«

      »Ja.«

      »Kunz, nimm den Knaben herab!«

      »Versucht es einmal!« drohte der Schiffer, indem er zum Stocke griff.

      »Kunz!«

      Der


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