Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas. Karl May

Читать онлайн книгу.

Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas - Karl May


Скачать книгу
eitler Mann!« – »Oh«, lachte er, »eine eigentliche Eitelkeit war es nicht. Man muß zuweilen vorsichtig sein. Gerade dadurch, daß man mich für einen ganz gewöhnlichen und ungeübten Jäger hielt, habe ich oft die größten Vorteile errungen.« – »Aber mir konnten Sie es doch wenigstens offenbaren. Sie hatten mir ja bereits ein viel größeres Geheimnis anvertraut.« – »Ein Geheimnis, das für mich wohl niemals einen Wert haben wird. Ich werde die Höhle des Königsschatzes niemals entdecken, obgleich ich mich hier in der Nähe desselben befinden muß.« – »Ah, woraus schließen Sie das?« – »Aus der Bildung der Berge und dem Lauf des Wassers. Die Gegend, die wir zuletzt durchritten, stimmt ganz genau mit einem Teil meiner Karte.« – »So haben Sie ja einen Anhalt gefunden und können weitersuchen.« – »Es fragt sich sehr, ob ich das tue. Ich bin nämlich im Zweifel, ob ich ein Recht dazu habe.« – »Sie hätten doch jedenfalls das Recht des Finders. Ich überschätze den Wert des Goldes keinesfalls, aber ich weiß doch auch, daß der Besitz desselben vieles gewährt, wonach Tausende vergeblich streben. Suchen Sie, Señor! Es sollte mich freuen, wenn Sie die Höhle fänden!« – »Ja, die Macht des Goldes ist groß«, sagte er nachdenklich, »ich habe in der Heimat einen armen Bruder, dessen Glück ich vielleicht machen könnte. Aber wem gehört der Schatz? Doch wohl den Nachkommen derer, die ihn versteckten.« – »Wissen Sie nicht, von wem Ihre Karte stammt?« – »Von einem Jäger, wie ich Ihnen bereits sagte. Er war verwundet und starb, ehe er mir die notwendigen mündlichen Aufklärungen geben konnte.« – »Und es steht kein Name darauf?« – »Nein. In der einen Ecke befindet sich ein rätselhaftes Zeichen, das ich nicht zu erklären vermag. Ja, ich nehme es mir vor, ich werde suchen. Aber wenn ich den Schatz wirklich finden sollte, so werde ich ihn nicht berühren, sondern nach den rechtlichen Besitzern desselben suchen. Sollten diese nicht zu finden sein, so ist es noch immer Zeit, sich zu entschließen.« – »Señor, Sie sind ein Ehrenmann«, sagte die Mexikanerin warm. – »Ich tue nur, was ich muß, und unterlasse alles Unrecht.« – »Ihr Bruder ist also arm?« – »Ja. Er ist ein Seemann, der es wohl nie zur Selbständigkeit bringen kann, so lange er auf seine eigene Kraft angewiesen ist, und ich selbst besitze nur eine kleine Summe, die ich aus dem Ertrag meiner Jagdstreifereien gelöst habe.« – »Sie besitzen mehr! Sollte ein ›Donnerpfeil‹ wirklich so arm sein? Gibt es nicht Reichtümer, die mit dem Besitz des Goldes nichts zu tun haben?« – »Ja, es gibt solche Schätze. Ich kenne einen solchen Schatz, der kostbarer ist, als alles Gold der Erde, und hätte ich tausend Leben, so würde ich sie alle opfern, um nach dem Besitz dieses Schatzes ringen zu dürfen. Ja, Señorita, ich bin Itintika, der Donnerpfeil; ich gehöre zu den gefürchtetsten Pfadfindern der Wildnis. Der Bösewicht zittert vor mir, mag er nun eine weiße oder eine rote Haut tragen. Ich bin an Gefahren gewöhnt, aber um diesen Schatz zu erobern, würde ich mit allen Weißen und Indianern des Westlandes kämpfen.« – »Darf man diesen Schatz kennenlernen?« – »Soll ich ihn nennen?« fragte er leise.

      In seiner Stimme klang jene unbeschreibliche Modulation, die nur eine Folge echter, wahrer Liebe ist. Dieser Ton fand Widerhall in ihrem Herzen. Sie antwortete:

      »Sagen Sie es!« – »Sie – Sie sind es!« sprach er da, indem er ihre Hand ergriff. »Glauben Sie das?« – »Ja, ich glaube es!« erwiderte sie einfach und innig. »Klingt das nicht wie eine Anmaßung, Señor? Aber es ist die Wahrheit, denn auch ich fühle es, daß man ein Menschenherz höher schätzen kann als alle Reichtümer dieser Erde! Ich selbst kenne ja auch einen solchen Schatz.«

      Es durchzitterte ihn in süßer, wonniger Ahnung bei diesen Worten, und er fragte:

      »Welcher Schatz ist es, Señorita?« – »Sie sind es – nein, du bist es, Antonio!«

      Bei diesen Worten schlang sie die Arme um seinen Nacken und legte das Köpfchen an seine Brust.

      »Ist‘s wahr, ist‘s möglich?« fragte er. – »Ja. Ich habe dich bewundert von dem Augenblick an, wo du meine Fesseln zerschnittest und mich mit starker Hand auf dein Pferd schwangst, und ich habe dich geliebt von dem Augenblick an, wo ich dir in dein gutes, treues Auge blicken konnte. Ich bin dein, du starker, du guter, du lieber Mann, und jeder Moment meines Lebens soll nur dir allein gewidmet sein.«

      Da legte auch er seine Arme um sie und flüsterte fast betend:

      »Herrgott, ich danke dir! Das ist des Glücks fast zu viel für einen armen Jägersmann.«

      Ihre Lippen suchten sich, und als sie sich in einem langen, seligen Kuß fanden, da hörten sie beide nicht, daß sich an der anderen Seite des Bassins etwas zu bewegen begann. Es war Mokaschimotak, der Häuptling Büffelstirn, der sich an die Palisaden zurückschlich, um sich über dieselben hinüberzuschwingen und sich zur Ruhe zu legen.

      7. Kapitel

      Um diese Zeit saß in einem abgelegenen Tal, vielleicht zwei Stunden von der Hacienda del Erina entfernt, eine Anzahl von ungefähr zwanzig Männern um ein Feuer. Es waren lauter wilde, verwegene Gestalten, deren jeder man zutrauen konnte, daß sie einen Mord oder so etwas Ähnliches auf dem Gewissen habe. Das Viertel eines Kalbs briet am Spieß, und die Reste des Tiers, die daneben lagen, bewiesen, daß man bereits seit längerer Zeit tüchtig geschmaust habe.

      »Also wie wird‘s, Capitano?« fragte einer mit unmutiger Stimme. »Warten wir noch länger?«

      Der Gefragte lag neben ihm auf dem Ellbogen. Er hatte ein echtes Banditengesicht, und sein Gürtel strotzte von Waffen.

      »Wir warten«, sagte er finster und bestimmt. – »Aber wie lange noch?« – »So lange es mir gefällt.« – »Oho, ich habe es satt!« – »Schweig!« – »Du wirst mir wohl erlauben, zu reden. Wir liegen bereits seit vier Tagen hier und wissen nicht, ob man uns nur für Narren hält.« – »Hältst du dich für einen Narren, so habe ich nichts dagegen. Wie ich mit mir daran bin, das weiß ich glücklicherweise ganz genau.« – »Aber wie wir mit diesem sogenannten Grafen daran sind, weißt du das auch?« – »Auch das weiß ich.« – »Nun, wie denn?« – »Er bezahlt uns gut, und wir warten also, bis er erklärt, was wir tun sollen.« – »Das halte der Teufel aus! Was hätten wir während dieser Zeit tun und verdienen können!« – »Schweig!« – »Oho! Ich bin ein Mann und habe zu reden!« – »Und ich bin der Capitano und verbiete es dir!« – »Wer hat dich zum Capitano gemacht? Doch erst wir!« – »Richtig! Und weil ich es nun einmal bin, so weiß ich es auch zu sein. Iß dein Fleisch und halte deinen Mund, sonst kennst du die Gesetze!« – »Du willst drohen?« fragte der andere, indem er an das Messer griff. – »Drohen? Nein, sondern handeln!«

      Der Capitano sagte dies in kaltem, gleichgültigem Ton, aber mit blitzschnellem Griff riß er die Pistole aus dem Gürtel und drückte ab. Der Schuß krachte, und der widersetzliche Sprecher stürzte mit zerschmettertem Kopf zu Boden.

      »So; das gehört dem Ungehorsam. Schafft ihn zur Seite!«

      Mit diesen Worten begann der Capitano, seine Pistole gleichgültig wieder zu laden.

      Es erhob sich ein leises, mißbilligendes Gemurmel, doch verstummte es sofort, als der Hauptmann den Kopf erhob.

      »Wer murrt?« fragte er. »Ich habe noch mehrere Kugeln. Was soll werden, wenn es keinen Gehorsam mehr gibt? Dieser Graf Rodriganda zahlt einem jeden von uns ein Goldstück pro Tag. Ist dies nicht genug? Er läßt uns warten, ja, aber er wird uns schon noch Arbeit bringen, denn eine solche Summe gibt selbst ein Graf nicht umsonst aus.«

      Die Leute beruhigten sich, und der Tote wurde zur Seite geschafft. Das Feuer warf seine ungewissen Schatten über die Gruppe. Man verzehrte den Rest des Fleisches, stellte eine Wache aus und hüllte sich in die Decken.

      Schon begann der Schlaf die Männer zu umfangen, als man den Hufschlag eines Pferdes hörte. Sofort erhoben sich alle aus ihrer liegenden Stellung. Ein Reiter nahte.

      »Wer da?« fragte die Wache. – »Der Richtige.« – »Kann passieren.«

      Der Angekommene gab sein Pferd der Wache und kam dann herbei. Es war Graf Alfonzo de Rodriganda. Er ließ sich neben dem Capitano nieder, zog seinen Tabak hervor und drehte sich eine Cigarrita. Man sah ihm schweigend zu, als er aber die Cigarrita angebrannt hatte und noch immer schwieg, fragte der Hauptmann:

      »Bringen Sie uns endlich Arbeit, Don Rodriganda?«


Скачать книгу