Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2. Karl May

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Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2 - Karl May


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Ich werde ihn zur Rede stellen. Es soll ihm nicht den geringsten Nutzen bringen, darauf kannst du dich verlassen.« – »Was gedenkst du zu tun?«

      Cortejo blickte vor sich hin und zögerte mit der Antwort. Darum fragte Clarissa:

      »Jedenfalls wirst du zunächst die Zigeunerin aufsuchen?« – »Fällt mir nicht ein.« – »Wie? Nicht? Wirklich nicht?« fragte sie erstaunt. – »Nein.« – »Du sagtest das aber noch gestern, ehe du fortfuhrst!« – »Das ist richtig. Aber die Umstände haben sich geändert. Ich muß die Zigeunerin noch laufenlassen.« – »Aber sie ist uns ja so gefährlich!« – »Es gibt Personen, die uns noch gefährlicher sind.« – »Wen meinst du?« – »Sternau und Konsorten.« – »Die müssen drüben bekämpft werden. Persönlich kannst du gegen sie nicht vorgehen.« – »Ah! Warum nicht?« – »Nun einfach deshalb, weil du nicht in Mexiko bist.« – »Dem kann und wird abgeholfen werden, meine Liebe.«

      Clarissa erschrak.

      »Wie? Höre ich recht?« rief sie, von ihrem Sitz aufspringend. – »Freilich, liebes Kind«, antwortete er. – »Du willst doch nicht etwa hinüber nach Mexiko?« – »Gerade das will ich.« – »Heilige Madonna! Gasparino, was fällt dir ein?« – »Beruhige dich! Die Umstände machen es nötig!« – »Du kannst hier nicht entbehrt werden.« – »Drüben noch weniger!« – »Deine Kanzlei – deine Verwaltungsarbeiten …« – »Liegen in guten Händen.« – »Die Beaufsichtigung …« – »Wird Alfonzo übernehmen.« – »Er ist ja nicht hier.« – »Er wird kommen. Ich werde ihm noch schreiben, und sobald er eintrifft, teilst du ihm alles mündlich mit.« – »So willst du so rasch fort?« – »Mit Landola, morgen in der Nacht.« – »Mit diesem Mann! Kannst du dich ihm anvertrauen?« – »Pah! Frage doch lieber, ob er sich mir anvertrauen kann.«

      Clarissa setzte sich langsam wieder, blickte Cortejo fragend ins Gesicht und sagte dann:

      »Haben diese Worte etwas zu bedeuten?«

      Cortejo lächelte sehr selbstbewußt und antwortete:

      »Habe ich jemals etwas gesagt, was nichts zu bedeuten hatte?« – »Hm! Ich kenne dich. Ich lese aus deinen Mienen, daß du etwas vorhast. Ich habe mich da noch nie getäuscht.« – »Ja«, lachte er. »Du bist eine große Menschenkennerin. Was liest du denn für Buchstaben aus meinem Gesicht?« – »Keine guten, wenigstens keine freundlichen. Habe ich recht?« – »Möglich!« – »Hast du Neues von Landola gehört, was ich noch nicht weiß?« – »Eigentlich nicht. Aber Landola hat durch Wort und Verhalten Streiflichter auf das geworfen, was wir schon wissen.« – »War er nicht bereit, seine Fehler wiedergutzumachen?« – »O doch.« – »Verlangte er etwas dafür?« – »Zwei mal hunderttausend Dollar.« – »Der Unverschämte!« brauste sie auf. – »Im Grunde genommen fand ich es nicht unverschämt«, meinte er. – »Nicht? Da begreife ich dich doch einmal nicht.« – »Es sind ungefähr ein Dutzend Menschen umzubringen.« – »Was ist das weiter?« – »Aber was für Menschen! Denke an jenen Sternau!« – »Einer Kugel ist er doch nicht gewachsen.« – »Ja, aber denke an den Überfall hier im Park! Hat er da nicht alle die Kerle glänzend geschlagen?« – »Es waren Feiglinge, auch hatten sie schlecht gezielt.« – »Das kann drüben ebenso passieren. Und dazu mußt du bedenken, daß alle die Personen, auf die wir es abgesehen haben, sich in dem Hauptquartier des Juarez befinden.« – »Ändert das etwas?« – »Natürlich. Es macht das Unternehmen zehnfach schwierig, wohl gar ganz unmöglich.« – »Warum? Man geht eben ins Hauptquartier.« – »Das soll Landola tun?« – »Natürlich! Du hast ihm wohl gar die zwei mal hunderttausend Dollar versprochen, da du die Sache gar so gefährlich schilderst?« – »Nein.« – »Wieviel denn?« – »Er erinnerte mich an die Summe, die ich damals für den Tod des Betreffenden gegeben hatte.« – »Wieviel war das?« – »Einmal hunderttausend Dollar.« – »Und nun will er das Doppelte. Das ist unverschämt, zumal er uns damals betrogen hat. Was ist das Leben jener Person wert? Ich hätte ihm fünfzigtausend Dollar geboten.« – »Das habe ich auch getan.« – »Hat er akzeptiert?« – »Wir schweiften wieder ab.« – »So mußt du darauf zurückkommen. Mit einem solchen Mann kann man nicht vorsichtig genug sein. Aber weshalb mußt du denn mit? Um aufzupassen, ob er den Bart oder ein Stückchen Gesichtsfalte verliert?« – »Dieses letztere werden wir allerdings gegenseitig tun. Wir werden uns stets aufmerksam zu beobachten haben.« – »Wie?« fragte sie mit neuem Erstaunen. »Auch du willst dich verkleiden und unkenntlich machen?« – »Ja, meine Liebe«, antwortete er lächelnd. – »Aber den Grund dazu sehe ich denn doch nicht ein.« – »Ich werde dich von der Notwendigkeit, es zu tun, überzeugen. Erstens soll doch kein Mensch merken, daß ich nach Mexiko bin.« – »Ah! Warum nicht?« – »Denke an Rheinswalden. Sind wir von dort nicht stets beobachtet worden?« – »Das ist wahr. Vielleicht beobachten sie uns noch heute.« – »Ich bin davon vollständig überzeugt. Sie glauben nicht an die Echtheit unseres Alfonzos. Sie haben erfahren, daß die längst Verschollenen wieder da sind. Wer weiß, was diese geschrieben haben. Ich werde sicherlich beobachtet Erfährt man in Rheinswalden, daß ich nach Mexiko gehe, wird man den Grund vermuten und die Kerle dort warnen.« – »Das läßt sich allerdings begreifen.« – »Ferner wissen wir nicht, wie es in Mexiko steht Mein Bruder hat meinen Namen in Mißkredit gebracht. Ich darf nicht als Cortejo auftreten.« – »Auch das sehe ich ein. Die Verkleidung ist notwendig, ich brauche weiter keine Beweise zu hören. Aber was ich doch noch nicht ganz einsehe, das ist die Notwendigkeit, daß du mit über den Ozean gehen mußt.« – »Was meinst du, was Don Ferdinando tun wird, wenn er in die Hauptstadt zurückgekehrt ist?« – »Alle seine Besitzungen reklamieren.« – »Das versteht sich von selbst. Zwar würde das nun meist meinen Bruder schädigen. Aber das Grab, das Grab!« – »Ah! Es würde geöffnet« – »Auch das ist noch nicht das schlimmste!« – »Aber noch schlimmer kann doch nichts sein!« – »Er ist damals scheintot gewesen; das heißt, er hat Starrkrampf gehabt. Hast du vielleicht einmal von Starrkrampf sprechen gehört?« – »Er soll fürchterlich sein. Man soll alles hören und sehen, was um einen vorgeht.« – »Nun also. Don Ferdinando ist scheintot gewesen. Unser Alfonzo war drüben. Er hat mit meinem Bruder und Josefa bei der Leiche gesprochen, der Graf hat alles gehört. Er ist vielleicht im Besitz unseres ganzen Geheimnisses.« – »Madonna! Das wäre schlimm! Er muß sterben!« – »Sein Tod ist eine Notwendigkeit, eine beschlossene Sache. Er würde nicht nur seine Güter zurückverlangen, sondern uns auch wegen des anderen anzeigen und bestrafen lassen. Aber das ist noch nicht alles. Dieser Sternau ist uns ebenso gefährlich.« – »Er schien schon damals, als er Graf Emanuel operierte, etwas zu ahnen.« – Ja. Ich habe ihn beobachtet Er hielt Alfonzo keineswegs für den echten Nachfolger von Don Emanuel.« – »Auch er muß sterben!« – »Auch sein Tod ist beschlossen. Und ebenso steht es mit jeder anderen Person, die zu dieser Gesellschaft gehört.« – »Du meinst, daß sie alle uns gleich gefährlich sind?« – Ja.« – »Oh, es genügt wohl, nur die Hauptpersonen zu töten.« – »Nein, keineswegs. Was diese wissen, haben die anderen alle auch erfahren, Sie sind infolgedessen ebenso gefährlich.« – »Mein Gott, wie viele Personen willst du da zum Tode verurteilen, lieber Gasparino?«

      Cortejo streckte sich behaglich auf dem Sofa aus und zählte:

      »Don Ferdinando, Pedro Arbellez, dessen Tochter, Karja, Maria Hermoyes, Sternau, Mariano, zwei Helmers, Büffelstirn, Bärenherz, Juarez.« – »Juarez!« unterbrach Clarissa ihn, erschreckend. – »Ja«, antwortete er ruhig. – »Warum dieser?« – »Bei ihm laufen jedenfalls die Fäden zusammen. Er weiß alles genauer als jeder andere. Das sind also wie viele?« – »Zwölf. Aber Juarez – unmöglich!« – »Pah! Er ist eine Rothaut wie jeder andere Indianer! Dazu können aber noch mehrere Opfer nötig werden. Es gilt zu erfahren, wer wohl außerdem Mitwisser des Geheimnisses geworden ist. Das ist schwierig. Dazu gehört Kenntnis, Schlauheit, Energie und eine unendliche Aufopferung. Um so viele zu töten, sind ein eisenfester Charakter und ein totes Gewissen nötig. Glaubst du, daß, wenn ich Landola hinüberschicke, er eines schönen Tages wiederkommen und mir melden wird, daß er alles ausgeführt habe und daß wir ruhig sein können?« – »Nein, das glaube ich nicht.« – »Er hat mich betrogen.« – »Er würde dich wieder betrügen.« – »Oder soll ich mich auf meinen Bruder verlassen?« – »Auch er hat dich betrogen.«


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