Winnetou 1. Karl May

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Winnetou 1 - Karl May


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genannt worden ist, mitzunehmen.«

      »Darf ich fragen, welche?«

      »Warum nicht. Er soll einmal sehen, wie man es macht, wenn man Indianern nachschleicht. Wird ihm wahrscheinlich von Nutzen sein, eine Fährte richtig lesen zu können.«

      »Das ist aber für mich nicht maßgebend.«

      »Weiß schon. Es gibt noch einen zweiten Grund. Nämlich der Weg, den ich zu machen habe, ist ein gefährlicher. Da ist es vorteilhaft für mich und euch, wenn ich einen Begleiter bei mir habe, der eine solche Körperkraft besitzt und mit seinem Bärentöter so außerordentlich gut schießen kann.«

      »Ich sehe wirklich nicht ein, inwiefern dies auch für uns von Vorteil sein könnte.«

      »Nicht? Das wundert mich. Seid doch sonst ein außerordentlich pfiffiger und einsichtsvoller Gentleman,« antwortete Sam in leicht ironischem Tone. »Wie nun, wenn ich auf Feinde treffe, die hieher wollen und mich auslöschen? Da kann Euch niemand von der Gefahr benachrichtigen, und Ihr werdet überfallen und umgebracht. Habe ich aber dieses Greenhorn bei mir, welches mit seinen kleinen Ladieshänden den stämmigsten Kerl mit einem Schlage zu Boden schmettert, so ist es sehr wahrscheinlich, daß wir heiler Haut wiederkommen. Seht Ihr das nun ein?«

      »Hm, ja.«

      »Und sodann kommt die Hauptsache: Er muß morgen mit, damit keine Reiberei entsteht, welche unglücklich enden kann. Ihr wißt, daß Rattler es ganz besonders auf ihn abgesehen hat. Wenn dieser Liebhaber eines Glases Brandy morgen erwacht, ist es sehr wahrscheinlich, daß er sich gleich an den macht, der ihn heut wieder niedergeschmettert hat. Wir müssen diese beiden wenigstens morgen, am ersten Tage nach der Mordtat, auseinander halten. Darum bleibt der Eine, den ich nicht brauchen kann, hier bei Euch, und den Andern nehme ich mit. Habt Ihr nun auch noch etwas dagegen?«

      »Nein; er mag mit Euch reiten.«

      »Well; so sind wir also einig.« Und indem er sich mir zuwendete, fügte er hinzu: »Ihr habt gehört, was Euch morgen für eine Anstrengung bevorsteht. Es kann leicht möglich sein, daß wir da keinen Augenblick zum Essen und zur Ruhe finden. Darum frage ich Euch, ob Ihr denn nicht wenigstens einige Bissen von Eurer Bärentatze probieren wollt.«

      »Na, unter diesen Umständen will ich es wenigstens versuchen.«

      »Versucht es nur, versucht es nur! Ich kenne diese Versuche, hihihihi! Man braucht nur einen Bissen zu nehmen, so hört man gewiß nicht eher auf, als bis man nichts mehr hat. Gebt die Tatze her; ich will sie Euch braten. So ein Greenhorn hat nicht den richtigen Verstand dazu. Also paßt hübsch auf, damit Ihr es lernt! Müßte ich Euch eine solche Delikatesse zum zweitenmal braten, so bekämet Ihr nichts davon, denn ich würde sie selber essen.«

      Der gute Sam hatte ganz recht gesagt: kaum hatte ich, als er mit seinem kulinarischen Meisterstück fertig war, den ersten Bissen probiert, so stellte sich der vorhin vermißte Appetit ein; ich vergaß, was mich vorher bedrückt hatte, und aß, aß wirklich so lange, bis ich nichts mehr hatte.

      »Seht Ihr‘s!« lachte er mich an. »Es ist wirklich weit angenehmer, einen Grizzlybären zu verspeisen, als zu erlegen; das habt Ihr nun wohl kennen gelernt. Jetzt werden wir uns einige tüchtige Stücke aus dem Schinken schneiden, um sie noch heut abend zu braten. Die nehmen wir morgen als Proviant mit, denn auf solchen Kundschafterritten muß man immer darauf gefaßt sein, daß man keine Zeit findet, ein Wild zu schießen und auch kein Feuer anbrennen darf, um es zu braten. Ihr aber legt Euch auf das Ohr und macht einen schnellen, tüchtigen Schlaf, denn wir brechen mit der Morgenröte wieder auf und werden morgen alle Kräfte brauchen.«

      »Well, ich werde also schlafen. Aber vorher sagt mir, welches Pferd Ihr reiten werdet?«

      »Welches Pferd? Gar keines.«

      »Was denn?«

      »Welche Frage! Meint Ihr denn, daß ich mich auf ein Krokodil oder einen andern sonstigen Vogel setzen werde? Natürlich werde ich mein Maultier, meine neue Mary reiten.«

      »Das würde ich nicht tun.«

      »Warum?«

      »Ihr kennt sie noch zu wenig.«

      »Dafür kennt sie mich ganz genau. Hat gar gewaltigen Respekt vor mir, das Vieh, hihihihi!«

      »Aber bei einem solchen Späherritte, wie wir morgen vorhaben, muß man sehr vorsichtig sein und alles vorher bedacht haben. Ein Pferd, dessen man nicht sicher ist, kann alles verderben.«

      »So? Wirklich?« lachte er mich an.

      »Ja,« antwortete ich eifrig. »Ich weiß, daß das Schnauben eines Pferdes seinem Reiter das Leben kosten kann.«

      »Ah, das wißt Ihr? Gescheiter Kerl, der Ihr seid! Habt es wohl auch gelesen, Sir?«

      »Ja.«

      »Dachte es mir! Muß doch außerordentlich interessant sein, solche Bücher zu lesen. Wenn ich nicht selbst ein Westmann wäre, würde ich nach dem Osten ziehen, mich dort recht hübsch behaglich auf ein Kanapee setzen und solche schöne Indianergeschichten lesen. Ich glaube, man kann rund und fett dabei werden, obgleich man die Bärentatzen nur auf dem Papiere zu essen bekommt. Möchte wirklich wissen, ob die guten Gentlemen, welche solche Sachen schreiben, einmal über den alten Mississippi herübergekommen sind!«

      »Die meisten von ihnen wahrscheinlich.«

      »So? Denkt Ihr?«

      »Ja.«

      »Glaube es nicht. Habe meine sehr guten Gründe dazu, daran zu zweifeln.«

      »Und diese Gründe sind?«

      »Will‘s Euch sagen, Sir. Habe früher auch einmal schreiben gekonnt, aber es so schön verlernt, daß ich jetzt wohl kaum noch imstande wäre, meinen Namen auf ein Papier oder eine Schiefertafel zu bringen. Eine Hand, welche so lange ein Pferd gezügelt, die Büchse und das Messer geführt und den Lasso geschwungen hat, die ist nicht mehr geeignet dazu, allerlei Krikselkraksel auf das Papier zu malen. Wer ein richtiger Westmann ist, der hat sicher das Schreiben verlernt, und wer keiner ist, der mag es unterlassen, über Sachen zu schreiben, die er nicht versteht.«

      »Hm! Man braucht sich doch nicht, um ein Buch über den Westen zu schreiben, so lange da aufzuhalten, bis man kein Schreibgelenk mehr in den Fingern hat.«

      »Fehlgeschossen, Sir! Ich habe soeben gesagt, daß nur ein tüchtiger Westmann richtig und der Wahrheit gemäß schreiben könnte; aber grad so ein Mann kommt nie dazu.«

      »Warum?«

      »Weil es ihm nicht einfallen wird, den Westen, wo es keine Tintenfässer gibt, zu verlassen. Die Prairie ist wie die See; sie läßt denjenigen, der sie kennen gelernt und lieb gewonnen hat, niemals wieder von sich. Nein, alle diese Bücherschreiber kennen den Westen nicht, denn wenn sie ihn kennen gelernt hätten, so hätten sie ihn nicht verlassen, um ein paar hundert Papierseiten mit Tinte schwarz zu machen. Das ist so meine Ansicht, und ich vermute sehr, daß sie die richtige ist.«

      »Nein. Ich kenne zum Beispiel einen, der den Westen lieb gewonnen hat und ein tüchtiger Jäger werden will. Dennoch wird er zuweilen in die Zivilisation zurückkehren, um über den Westen zu schreiben.«

      »So? Wer wäre das?« fragte er, indem er mich neugierig ansah.

      »Das könnt Ihr Euch denken.«

      »Denken? Ich mir? Sollte es möglich sein, daß Ihr Euch da selbst gemeint habt?«

      »Ja.«

      »Alle Wetter! Ihr wollt also unter das unnütze Volk der Büchermacher gehen?«

      »Wahrscheinlich.«

      »Das laßt bleiben, Sir, ja das laßt bleiben; ich bitte Euch inständigst darum. Ihr würdet dabei elend zu Grunde gehen; das könnt Ihr mir glauben.«

      »Ich bezweifle es.«

      »Und ich behaupte es. Ich kann es sogar beschwören,« rief er eifrig. »Habt Ihr denn eine kleine Ahnung von dem Leben, welches Euch dann bevorsteht?«

      »Ja.«

      »Nun?«

      »Ich mache Reisen, um Länder und


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