Winnetou 3. Karl May

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Winnetou 3 - Karl May


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Ich habe all meine Lebtage noch nicht in so einem Ding gesteckt, das sie Waggon nennen, und in dem man vor Angst nicht weiß, wohin man seine Beine zu stecken hat; ich lobe mir die Prairie und meine Tony! An der Arbeit habt Ihr die Indsmen noch nicht getroffen?«

      »Nein. Ich habe überhaupt nur die Pferde gesehen. Aus allem ist zu erraten, daß sie wissen, wann der Zug kommt, und, wie es scheint, werden sie vor nachts nicht an die Arbeit gehen. Es ist höchstens noch eine halbe Stunde bis zur Dämmerung, dann schleichen wir sie an, um vielleicht zu erfahren, was wir noch nicht wissen.«

      »Well, so mag es sein!«

      »Dann aber ist es nötig, daß sich einer von uns hier auf den Damm postiert. Es könnte ja möglich sein, daß es den Roten einfiel, sich hier auf der andem Seite heranzumachen; wenigstens denke ich, daß sie nach unserer Richtung die Schienen aufreißen werden, da sie den Angriffsplatz zwischen sich und dem Zuge herrichten müssen.«

      »Ist nicht notwendig, Charley. Da seht Euch einmal die Tony an! Ich pflocke oder hobbele sie nie an; sie ist ein glorios kluges Viehzeug und hat eine Nase, auf die ich mich verlassen kann. Habt Ihr einmal ein Pferd gesehen, welches nicht schnaubt, wenn es einen Feind wittert?«

      »Nein.«

      »Nun seht, es gibt auch nur ein einziges, und das ist die Tony. Das Schnauben warnt zwar den Herrn des Pferdes, aber es verrät auch zweierlei, nämlich erstens, wo sich Pferd und Mann befinden, und zweitens, daß der Mann eben gewarnt worden ist. Daher habe ich es der Tony abgewöhnt, und das gescheite Viehzeug hat mich sehr verstanden. Ich lasse sie stets frei grasen, und sobald sie eine Gefahr wittert, kommt sie herbei und stößt mich mit dem Maul.«

      »Und wenn sie einmal, wie zum Beispiel heute, nichts bemerkt?«

      »Pshaw! Die Luft kommt gerade von den Indsmen her, und ich lasse mich von Euch auf der Stelle erschießen, wenn Tony nicht jede Rothaut auf tausend Schritte ankündigt. Übrigens haben diese Kerls Augen wie die Adler, und selbst wenn Ihr Euch der Länge nach auf den Damm legt, ist es möglich, daß sie Euch von weitem bemerken. Also bleibt nur ruhig hier, Charley!«

      »Ihr habt recht, und ich will der Tony einmal ebenso vertrauen wie Ihr. Ich kenne sie noch nicht lange, aber ich habe doch beinahe schon die Überzeugung, daß man sich auf sie verlassen kann.«

      Ich langte wieder eine meiner ›Selbstgefertigten‹ hervor und steckte sie in Brand. Sam riß die kleinen Augen so weit wie möglich auf und tat mit dem Munde ganz dasselbe. Seine Nasenflügel erweiterten sich und sogen den Duft des Krautes begierig ein, während ein vollständiges Entzücken seine Züge verklärte. Der Westmann kommt nicht oft in die Lage, einen guten Tabak zu kosten und ist doch gewöhnlich dem Rauchen mit höchster Leidenschaft ergeben.

      »O wonderful-! Charley —! Ist‘s möglich, Ihr habt Zigarren?«

      »Das versteht sich! Wohl noch ein Dutzend. Wollt Ihr eine?«

      »Her damit! Ihr seid ein Kerl, von dem man einen ganzen Kürbis voll Achtung haben muß!«

      Er brannte die seinige an der meinigen an, verschlang nach indianischer Gewohnheit den Rauch von einigen Zügen und blies ihn dann wieder aus dem Magen empor. Sein Angesicht zeigte dabei eine Verklärung, als sei er bis in den siebenten Himmel Mohammeds emporgestiegen.

      »Hang sorrow, ist das ein Vergnügen! Soll ich raten, was es für eine Sorte ist, Charley?«

      »Ratet einmal! Seid Ihr ein Kenner?«

      »Will es meinen!«

      »Nun?«

      »Goosefoot aus Virginien oder Maryland!«

      »Nein!«

      »Was! Dann irrte ich mich zum erstenmal. Es ist Goosefoot, denn diesen Geruch und diesen Geschmack kenne ich!«

      »Es ist keiner!«

      »Dann ist es sicher brasilianischer Legittimo!«

      »Auch nicht!«

      »Curassao aus Bahia?«

      »Wieder nicht!«

      »Nun, was denn?«

      »Seht Euch die Zigarre an!«

      Ich zog noch eine hervor, drehte sie auf und reichte ihm dann Deckblatt, Umblatt und Einlage hinüber.

      »Seid Ihr verrückt, Charley, daß Ihr eine solche Zigarre zu Schanden macht! jeder Fallensteller gibt Euch unter Umständen, wenn er nämlich lange nicht geraucht hat, fünf bis acht Biberfelle dafür!«

      »Ich werde in zwei oder drei Tagen wieder neue bekommen.«

      »In drei Tagen —? Neue —? Woher denn?«

      »Aus meiner Fabrik.«

      »Was! Ihr habt eine Zigarrenfabrik?«

      »Ja.«

      »Wo denn?«

      »Dort!«

      Ich zeigte auf meinen Mustang.

      »Charley, ich bitte Euch, macht mir nur dann einen Witz, wenn er zum Beispiel etwas taugt!«

      »Es ist kein Witz, sondern Wahrheit.«

      »Hm! Wenn Ihr nicht Old Shatterhand wäret, so dächte ich wirklich, daß es in Eurem Kopfe etwas zu viel oder zu wenig gibt!«

      »Seht Euch erst den Tabak an!«

      Er tat es mit aller Sorgfalt.

      »Kenne ich nicht. Aber gut ist er, ausgezeichnet gut.«

      »So will ich Euch meine Fabrik zeigen.«

      Ich ging zu meinem Mustang, lockerte den Sattel und zog unter demselben ein kleines Kissen hervor, welches ich öffnete.

      »Da, greift hinein!« Er zog eine Hand voll Blätter hervor.

      »Charley, macht mich nicht zum Narren! Das sind ja lauter Kirschen- und Lentiskenblätter!«

      »Richtig! Ein wenig wilder Hanf dabei, und das Deckblatt hier ist weiter nichts als eine Ochsenzungenart, die Ihr hier wohl Verhally nennt. Dieses Kissen ist wirklich meine Tabakfabrik. Finde ich eine Sorte von diesen Blättern, so sammle ich sie nach Bedarf, stecke sie in das Kissen und lege dasselbe unter den Sattel; es entwickelt sich Wärme; die Blätter gären – da habt Ihr meine Kunst!«

      »Unglaublich!«

      »Aber wahr! Eine solche Zigarre ist allerdings nur ein höchst miserables Surrogat, und jeder Rippenpuffer, dessen Gaumen wie Büffelleder ist, wird höchstens einen Zug tun und sie dann wegwerfen; aber lauft einmal jahrelang in der Savanne umher und raucht dann ein solches Ding, so werden Euch die Ochsenzungenblätter wie der beste Goosefoot erscheinen. Ihr seht es ja an Eurem eigenen Beispiele!«

      »Charley, Ihr steigt in meiner Achtung!«

      »Verratet nur nichts davon, wenn Ihr einmal bei Leuten sitzt, die noch nicht im Westen waren! Man hält Euch sonst für einen Tungusen, Kirgisen oder Ostjäken, der seine Geschmacks- und Geruchswerkzeuge mit Teer eingerieben oder mit Pech verkleistert hat!«

      »Tunguse oder Ostjäke, ist mir alles gleich, wenn nur die Zigarre schmeckt. Übrigens weiß ich gar nicht einmal, wo diese Art von Leuten zu finden ist.«

      Er ließ sich durch die Enthüllung meines Fabrikationsgeheimnisses nicht im geringsten in seinem Genusse stören, sondern rauchte die Zigarre bis auf einen Stummel ab, der so winzig war, daß er ihn kaum noch zwischen den Lippen zu halten vermochte.

      Mittlerweile hatte sich die Sonne gesenkt; die Dämmerung war hereingebrochen, und es begann so stark zu dunkeln, daß wir an unser Vorhaben denken konnten.

      »Jetzt?« fragte Sam.

      »Ja.«

      »Wie denn?«

      »Wir gehen miteinander bis zu den Pferden der Rothäute; dann teilen wir uns, beschleichen ihr Lager und stoßen hinter demselben wieder zusammen.«

      »Gut! Und sollte etwas geschehen, was uns zur Flucht treibt, wobei wir uns verlieren können, so kommen wir von hier aus grad nach Süden am Wasser zusammen. Ein Urwald, der von den Bergen niedersteigt, streckt dort seine letzte Spitze weit in


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