Winnetou 3. Karl May

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Winnetou 3 - Karl May


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sich zu mir herab und fragte:

      »Halloo, Mann, was soll Euer Zeichen bedeuten? Wollt Ihr vielleicht einsteigen?«

      »Nein, Sir; ich möchte Euch grad im Gegenteil ersuchen, ab- und auszusteigen.«

      »Fällt mir nicht ein!«

      »Werdet es aber dennoch tun, denn da vorn sind Indianer, welche die Schienen aufgerissen haben.«

      »Was sagt Ihr? Indianer? ‚ s death! Redet Ihr die Wahrheit, Mann?«

      »Habe keine Gründe, das Gegenteil zu tun!«

      »Was wollt Ihr?« fragte mich jetzt auch der Conductor, welcher abgestiegen und herbeigekommen war.

      »Es sollen Rothäute vor uns sein,« antwortete ihm der Maschinist.

      »Ist‘s wahr? – Habt Ihr sie gesehen?«

      »Gesehen und belauscht. Es sind Ogellallahs.«

      »Die schlimmsten, die es geben kann! Wie viel?«

      »Ungefähr sechzig.«

      »Zum Henker! Das ist in diesem Jahre bereits der dritte Überfall eines Zuges, den die Halunken unternehmen; aber wir werden sie heimschicken. Habe längst gewünscht, eine Gelegenheit zu finden, ihnen auf die Finger zu klopfen. Wie weit sind sie von hier?«

      »Drei Meilen ungefähr.«

      »Dann deckt die Lichter zu, Maschinist! Die Kerls haben scharfe Augen. Hört, Master, ich bin Euch großen Dank schuldig dafür, daß Ihr uns gewarnt habt! Ihr seid ein Prairiemann, wie ich an Eurem Habitus erkenne?«

      »So etwas Ähnliches, ich habe noch einen bei mir, der die Roten beobachtet, bis wir kommen.«

      »Das ist klug von Euch. Aber, gebt Raum, Ihr Leute! Die Sache ist ja gar kein Unglück, sondern verspricht uns sogar ein Vergnügen.«

      Man hatte vom nächsten Wagen aus unser Gespräch gehört und sofort alle Türen geöffnet. Sämtliche Passagiere eilten herbei und drängten mit hundert Ausrufungen und Fragen durcheinander. Auf die Mahnung des Conductors aber wurde die nötige Ruhe hergestellt.

      »Ihr habt einen Transport Gold und Silber bei Euch?« fragte ich ihn.

      »Wer sagt das?«

      »Die Indsmen. Sie werden von einem weißen Bushheader angeführt, der das Metall als Anteil bekommt, während das Übrige samt allen Skalpen den Indianern zufallen soll.«

      »Ah! Wie kann der Halunke wissen, was wir geladen haben!«

      »Er scheint es von einem Bahnbeamten erfahren zu haben; auf welche Weise aber, das kann ich nicht sagen.«

      »Werden schon dahinter kommen, wenn er lebendig in unsere Hände fällt, was ich sehr wünsche. Aber da sagt einmal, Master, wie Euer Name ist, damit man weiß, wie man Euch zu nennen hat!«

      »Mein Kamerad heißt Sans-ear, und ich – — —«

      »Sans-ear? Alle Wetter, ein tüchtiger Kerl, der bei der Sache so viel tun wird, wie ein Dutzend Andere! Und Ihr?«

      »Mich heißen sie hier in der Prairie Old Shatterhand.«

      »Old Shatterhand, der vor drei Monaten droben in Montana von mehr als hundert Sioux gejagt wurde und mit Schneeschuhen die ganze Strecke des Yellow-Stone vom Schneeberge an bis Fort Union in drei Tagen zurücklegte?«

      »Ja.«

      »Sir, ich habe manches über Euch gehört und freue mich, grad Euch einmal zu treffen! Aber sonderbar! Habt Ihr nicht bereits vor einiger Zeit einen Zug gerettet, den Parranoh, der weiße Häuptling der Sioux, vernichten wollte?«

      »Allerdings. Ich hatte damals den Apachenhäuptling Winnetou bei mir, den berühmtesten Indianer, soweit die Prairie reicht. Aber bitte, Sir, faßt einen Entschluß! Die Indsmen wissen sehr genau, wann der Zug eintreffen muß, und könnten Verrat ahnen, wenn wir zu lange zögern.«

      »Da habt Ihr Recht. Vor allen Dingen möchte ich da wissen, welche Stellung sie einnehmen. Wer einen Feind angreifen will, muß sich unterrichten, welche Disposition derselbe getroffen hat.«

      »Ihr sprecht wie ein großer Feldherr, Sir; leider aber kann ich Euch keine genügende Auskunft geben. Ich konnte, um Euch zu warnen, nicht warten, bis die Indsmen schlagfertig dastehen. Wir werden von meinem Gefährten alles erfahren, was uns nötig ist. Wenn ich Euch bat, einen Entschluß zu fassen, so wollte ich damit nur wissen, ob Ihr überhaupt gesonnen seid, anzugreifen oder nicht.«

      »Natürlich, natürlich werde ich sie angreifen,« antwortete er eifrig. »Ich habe ja die Pflicht, diesem Volke den Appetit auf unsere Frachtgüter ein für allemal zu verleiden. Ihr und Euer Kamerad seid ja zu wenig gegen sechzig Indsmen und dürft es gar nicht wagen, an einen – —«

      »Pshaw, Sir!« fiel ich ihm in die Rede. »Was wir wagen dürfen oder nicht, das wissen wir wohl genauer als andere Leute. Sans-ear hat heut am hellen Tage vier Rote angegriffen und sie binnen zwei Minuten ausgelöscht, und ich sage Euch, daß wir von den Ogellallahs einige Dutzend in die ewigen Jagdgründe senden werden, ohne Eurer Hilfe zu bedürfen. Es kommt hier weniger auf die Zahl als vielmehr auf andere Dinge an, die man in der Faust und im Kopfe hat. Wenn ich in der Finsternis des Abends mit meinem Henrystutzen allein fünfundzwanzig Schüsse abgeben kann, ohne laden zu müssen, so wissen die Indsmen nicht, ob sie zwei oder zwanzig gegen sich haben. Hört, ihr Männer, gibt es unter Euch welche, die Waffen bei sich tragen?«

      Diese Frage war eigentlich überflüssig. Ich wußte, daß jeder dieser Leute eine Art von Schießgewehr bei sich führen werde; aber der Conductor hatte getan, als ob er die Direktion in die Hand nehmen wolle, und das konnte ich nicht zugeben. Einen nächtlichen Angriff gegen eine Indianertruppe zu leiten, dazu gehörte mehr, als ich einem Bahnbeamten zutrauen durfte, selbst wenn dieser ein ganz wackerer und mutiger Mann genannt werden mußte. Ich erhielt ein einstimmiges, rundumtönendes Ja!« als Antwort, und der Conductor fügte hinzu:

      »Ich habe als Passagiere sechzehn Bahnarbeiter, die mit ihren Messern und Büchsen ganz vortrefflich umzugehen verstehen, und zwanzig Milizmen, welche nach Fort Palwieh bestimmt sind und Flinte, Revolver und Messer tragen. Außerdem gibt es noch einige Gentlemen hier, welche sich gern das Vergnügen machen werden, den guten Indsmen ein wenig tiefer unter die Haut zu krabbeln. He, wer macht mit, ihr Leute?«

      Alle ohne Ausnahme erklärten sich bereit, mit vorzugehen, und wenn es ja Einen gab, dem es eigentlich an Mut gebrach, so sagte er doch zu, um nicht als Feigling zu gelten. Solche Leute konnten mir freilich nicht viel nützen; es war besser, sie blieben zurück, und darum meinte ich:

      »Hört, Mesch‘schurs, ihr seid sehr wackere Männer, aber alle können doch nicht mit, das seht ihr doch wohl ein. Ich sehe da einige Ladies stehen, die wir unmöglich ohne Schutz lassen können. Selbst wenn wir siegen, was ich allerdings gar nicht bezweifle, ist es doch möglich, daß die flüchtigen und versprengten Indsmen hier vorbeikommen und sich auf den verlassenen Zug werfen würden. Daher müssen wir einige mutige Männer als Bedeckung zurücklassen. Wer diesen Posten übernehmen will, der mag sich melden!«

      Wirklich erklärten sich acht bereit, den Zug mit ihrem Leben zu verteidigen. Es waren die Männer der drei vorhandenen Damen und fünf Reisende, die auf mich den Eindruck machten, als ob sie sich auf die Preise von Eisenwaren, Wein, Zigarren und Hanfsamen besser verständen, als auf die richtige Handhabung eines Bowiemessers. Den Ersteren konnte ich ihre Zurückhaltung nicht verargen; sie hatten vor allen Dingen die Pflichten gegen ihre Ladies zu erfüllen.

      »Der Zug kann ohne Beamte nicht gelassen werden. Wer bleibt hier?« fragte ich den Conductor.

      »Der Maschinist mit dem Feuermanne,« lautete die Antwort. »Er kann den Oberbefehl über diese tapfren Gentlemen übernehmen. Ich gehe natürlich mit Euch und werde die Truppe kommandieren.«

      »Ganz, wie Ihr wollt, Sir! Ihr seid gewiß schon öfters gegen Indsmen im Felde gewesen?«

      »Ist nicht nötig! Diese Yambarikos wissen ihre Gegner bloß hinterlistig zu überfallen und abzuschlachten. Bei einem offenen und regelrechten Angriffe gegen sie aber suchen sie ihr Heil stets in der Flucht. Wir werden auf alle Fälle leichte Arbeit haben.«

      »Meine


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