Winnetou 3. Karl May

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Winnetou 3 - Karl May


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nicht verfolgen, da sich mir einige Rothäute entgegengestellt hatten, die mir wacker zu tun gaben, ehe sie sich wieder wandten.

      Ich folgte ihnen nicht; es war Blut genug geflossen, und ich konnte sicher sein, daß es den Indianern nach dieser Lektion nicht in den Sinn kommen werde, wieder umzukehren. Um Sam ein Zeichen zu geben, von der Verfolgung abzulassen, die ihm nichts als Gefahr bringen konnte, ahmte ich so laut wie möglich das Geheul des Coyoten nach und ritt dann zu dem Zug zurück.

      Das Personal war ausgestiegen und suchte, während der Maschinist den Dampf ausströmen ließ, nach den Toten und Verwundeten. Der Conductor stand fluchend dabei. Als er mich erblickte, fuhr er wütend auf mich zu:

      »Was fällt Euch ein, Euch an der Maschine zu vergreifen und uns die Roten zu vertreiben, die wir so fest hatten, daß wir sie bis auf den letzten Mann vertilgen konnten!«

      »Sachte, sachte, Mann! Seid froh, daß sie fort sind, denn es hätte leicht kommen können, daß sie euch hatten, statt ihr sie. Gut genug hattet ihr es bereits eingefädelt!«

      »Wer hat die Prairie angezündet?«

      »Ich.«

      »Seid Ihr verrückt! Und auch an mir habt Ihr Euch vergriffen! Wißt Ihr, daß ich Euch arretieren und der Court of justice überliefern kann?«

      »Nein, das weiß ich nicht, aber ich gebe Euch recht gern die Erlaubnis dazu, Old Shatterhand vom Pferde herunterzuholen, in einen Waggon zu sperren und dem Gerichte zu übergeben; ich wäre doch neugierig, zu erfahren, wie Ihr das anfangt.«

      Er schien einigermaßen in Verlegenheit zu geraten.

      »So ist‘s nicht gemeint, Sir! Ihr habt allerdings einen dummen Streich begangen, aber den will ich Euch vergeben.«

      »Danke, Sir! Es berührt das Herz ungemein wohltuend, wenn die Mächtigen der Erde eine schöne Neigung zu Gnade und Barmherzigkeit verspüren lassen. Was werdet Ihr jetzt tun?«

      »Was kann ich sonst tun, als die Schienen herstellen lassen und die Fahrt dann fortsetzen! Oder werden wir einen zweiten Angriff zu gewärtigen haben?«

      »Denke es nicht, Sir. Eure Attacke war so ausgezeichnet ersonnen und ausgeführt, daß ihnen sicher die Lust vergehen wird, wiederzukommen.«

      »Ihr wollt doch nicht etwa meiner spotten, Sir? Das möchte ich mir sehr streng verbitten. Ich konnte doch nicht dafür, daß es ihrer so viele waren und daß sie sich auf unsern Angriff in solcher Weise vorbereitet hatten!«

      »Ich hatte es Euch gesagt. Die Ogellallahs wissen ihre Waffen vortrefflich zu gebrauchen. Seht hin; von Euren sechzehn Bahnarbeitern und zwanzig Milizmen sind nicht weniger als neun gefallen; ich habe das nicht zu verantworten. Und wenn Ihr bedenkt, daß ich und mein Kamerad nur zu zweien die ganze Rotte in die Flucht getrieben haben, so könnt Ihr ungefähr vermuten, wie es gegangen wäre, wenn Ihr mir statt Euch selbst gefolgt wäret.«

      Er schien große Lust zu haben, mir zu widersprechen; es waren aber Andere hinzugetreten, welche mir Recht gaben, und so meinte er ziemlich kleinlaut:

      »Bleibt Ihr noch hier, bis wir fort sind?«

      »Das versteht sich! Ein rechter Westmann tut niemals halbe Arbeit. Macht euch ans Werk; zündet einige Feuer an, die euch dazu leuchten – Buschwerk ist ja genug dazu hier – und stellt einige Wachen aus für den unwahrscheinlichen Fall, daß die Redmen sich ja noch einmal zurückwenden sollten.«

      »Wollt Ihr das nicht übernehmen, Sir?«

      »Was?«

      »Die Wache.«

      »Denke nicht. Ich habe genug für Euch getan und noch genug Anstrengungen zu erwarten, während ihr dahin geht, wo Ihr Euch pflegen könnt. Eure Strategie wird Euch schon sagen, wie Ihr den Postendienst am besten einzurichten habt.«

      »Aber wir haben keine so scharfen und geübten Augen und Ohren wie Ihr!«

      »Strengt sie an, Sir, strengt sie ein wenig an; dann seht und hört Ihr ebenso scharf wie ich! Den Beweis will ich Euch sogleich geben. Seid still, ihr Leute, und horcht einmal nach links da hinaus! Hört ihr etwas?«

      »Ja. Es kommt ein Pferd. Das ist sicher ein Wilder!«

      »Pshaw! Glaubt ihr wirklich, daß ein Indsman so laut herbeigeritten kommt, um euch zu überfallen? Es ist mein Maate, und ich rate euch sehr, ihn höflich zu empfangen. Es ist Sans-ear, der keinen Spaß versteht!«

      Allerdings war es Sam, der herbeigeritten kam und mit einer Miene von seiner Tony stieg, als ob er die ganze Welt erwürgen wolle.

      »Habt Ihr mein Zeichen gehört?« fragte ich ihn.

      Er nickte bloß und wandte sich an den Conductor:

      »Seid Ihr der Mann, der so schöne Feldzugspläne aussinnen kann?«

      »Ja,« antwortete der Gefragte so naiv, so daß ich Mühe hatte, das Lachen zu unterdrücken.

      »Well, Sir, dann mache ich Euch mein Kompliment, denn da hier meine alte Stute, die Tony, hat mehr Grütze im Kopfe, als Ihr jemals gesehen habt. Aus Euch kann noch etwas werden. Nehmt Euch nur in acht, daß sie Euch nicht einmal gar zum Präsidenten wählen! Bleib, Tony; ich komme gleich wieder!«

      Der brave Bahnbeamte stand ganz verblüfft da und wußte sichtlich gar nicht, was er sagen sollte. Selbst wenn er Worte gefunden hätte, so wäre es unmöglich gewesen, sie an den Mann zu bringen, denn Sans-ear war im Dunkel der Nacht verschwunden. Ich fragte mich natürlich, was meinen guten Sam in so ganz außerordentlich schlechte Laune versetzt haben könne, und konnte nichts anderes denken, als daß der Grund in jenem Fred Morgan liegen müsse. Jedenfalls war dies kein Anderer als der weiße Bushheader, den ich von der Lokomotive gestoßen hatte. Wohin Sam jetzt gegangen war, konnte ich mir wohl denken; ich hätte baldigst ganz dasselbe getan, hatte aber bisher noch keine Zeit dazu gehabt. Nach einigen Minuten kehrte er zurück. Ich hatte mich niedergesetzt und sah den Vorbereitungen zu, welche man beim Scheine der aufflammenden Feuer zur Reparatur des Bahngeleises traf. Er nahm neben mir Platz; seine Miene war nicht freundlicher, sondern womöglich noch grimmbartiger geworden.

      »Nun?« fragte ich ihn.

      »Was nun?« herrschte er mich an.

      »Sind sie tot?«

      »Tot? Lächerlich! Wie können ein paar Indianerhäuptlinge tot sein, wenn Ihr ihnen auf den Kopf krabbelt, wie einer Fliege, die gejuckt sein will! Wißt Ihr, was ich vorhin dem Conductor sagte?«

      »Was?«

      »Daß die Tony mehr Grütze im Kopf hat, als er.«

      »Weiter!«

      »Denkt es Euch selbst! Die Tony hätte Ka-wo-mien und Ma-ti-ru zum Beispiel ganz tot geschlagen, statt nur halb. Sie sind fort!«

      »Ist mir lieb!«

      »Lieb? Das ist ja ganz pitiful, ganz und gar jammervoll, zwei solche Kerls laufen zu lassen, wenn man ihre Skalpe bereits in den Händen hat!«

      »Ich habe Euch meine Gründe gesagt, Sam; drum laßt das Räsonnieren! Sagt lieber, was Euch die Laune so verdorben hat!«

      »Well, ist auch danach. Wißt Ihr, wen ich getroffen habe?«

      »Fred Morgan.«

      »Egad! Wer hat es Euch gesagt?«

      »Ihr habt den Namen ja laut genug gerufen, als Ihr den Mann erkanntet.«

      »So! Weiß nichts davon. Ratet, wer der Kerl ist!«

      Bei dieser Frage und dem wut-erhitzten Benehmen des alten Jägers kam mir ein Gedanke.

      »Doch nicht etwa gar der Mörder Eures Weibes und Kindes!«

      »Natürlich! – Wer sonst?«

      Ich fuhr empor.

      »Das ist stark! Das ist viel! Habt Ihr ihn erwischt?«

      »Entkommen ist mir der Halunke; fort ist der Schuft, weg über alle Berge! O, ich könnte mir die Ohren herausreißen vor Grimm, wenn ich noch welche hätte!«

      »Ich sah doch, wie Ihr ihm zu Pferde nachschnelltet, mitten unter die Indianer


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