Winnetou 3. Karl May

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Winnetou 3 - Karl May


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hatte in vollständiger Apathie am Boden gelegen; jetzt aber richtete er sich auf.

      »Trinken? Oh!«

      Hastig ergriff er den Becher und leerte ihn mit einem Zuge. Ich nahm ihm denselben aus der Hand und füllte ihn nochmals; Sam trank ihn zum zweitenmale aus.

      »Blut,fie —! Ah, brrr, ooooh, das ist besser, als man denken sollte!«

      Ich schlürfte die wenigen Tropfen, welche es noch gab, und sprang dann auf. Der entflohene dritte Coyote war zurückgekehrt und machte sich trotz der Anwesenheit des Negers mit seinem toten Genossen zu schaffen. Ich lud meine Büchse wieder, pirschte mich näher und schoß ihn nieder. Mit Hilfe seines Blutes brachte ich den Schwarzen so weit, daß er zur völligen Besinnung und zum Gebrauche seiner Glieder kam.

      Der Reisende hat sehr oft Begegnungen zu verzeichnen, welche geradezu wunderbar erscheinen müssen; eine solche war mein jetziges Zusammentreffen mit dem Neger, den ich sehr gut kannte. Ich hatte in dem Hause seines Herrn, des Juweliers Marshall in Louisville, eine mehrtägige Gastfreundschaft genossen und damals den treuen, stets lustigen Schwarzen liebgewonnen. Die zwei Söhne des Juweliers hatten mit mir einen Jagdausflug in die Cumberlandsberge gemacht und mich dann an den Mississippi begleitet. Beide waren prächtige Jungens gewesen, deren Gesellschaft mir behagte. Wie nun kam Bob, der alte, weißhaarige Schwarze, hierher in den Llano estaccado?

      »Geht es jetzt besser, Bob?« fragte ich ihn.

      »Besser, sehr besser, oh, ganz besser.« Er stand auf und schien mich erst jetzt zu erkennen. »Massa, sein es möglich? Massa Charley, der ganz‘ viel‘ groß‘ Jäger! Oh, Nigger Bob sein froh, daß treffen Massa, denn Massa Charley retten Massa Bern‘, der sonst sein tot, ganz viel tot.«

      »Bernard? Wo ist er?«

      »O, wo sein Massa Bern‘?« Er blickte sich um und zeigte nach Süden. »Massa Bern‘ sein dort! Oh nein, sein dort -oder dort – oder dort!« Er drehte sich dabei um seine eigene Achse und zeigte nach West, Nord und Ost. Der gute Bob konnte selbst nicht sagen, wo sein junger Massa sei.

      »Was tut Bernard hier in dem Llano estaccado?«

      »Was tun? Bob nicht wissen das, denn Bob doch nicht sehen Massa Bern‘, der sein fort mit all ander Massa.«

      »Wer sind die Leute, mit denen er reist?«

      »Leute sein Jäger, sein Kaufmann, sein – — oh Bob nicht alles wissen!«

      »Wo wollte er hin?«

      »Nach Californ‘, nach Francisco zu jung Massa Allan.«

      »So ist Allan in Francisco?«

      »Massa Allan dort sein, kaufen groß viel Gold für Massa Marshal. Aber Massa Marshal nicht mehr brauchen Gold, weil Massa Marshall sein tot.«

      »Master Marshal ist gestorben?« fragte ich erstaunt, denn der Juwelier war damals noch außerordentlich rüstig gewesen.

      »Ja, aber nicht tot von Krankheit, sondern tot von Mord.«

      »Ermordet ist er worden?« rief ich entsetzt. »Von wem?«

      »Bob nicht wissen Mörder, auch niemand wissen Mörder. Mörder kommen in Nacht, stoßen Messer in Brust von Massa Marshal und nehmen mit all Stein‘, Juwel‘ und Gold, was gehören Massa Marshal. Wer Mörder sein und wohin Mörder gehen, das nicht wissen Sheriff, auch nicht Jury, auch nicht Massa Bern‘ und auch nicht Bob.«

      »Wann ist dies geschehen?«

      »Das war sein vor viel‘ Woch‘, vor viel‘ Monat‘, fünf Monat‘ nun vorbei. Massa Bern‘ sein werden ganz viel arm; Massa Bern‘ schreiben an Massa Allan in Californ‘, aber nicht erhalten Antwort und darum selbst gehen nach Californ‘, um zu suchen Massa Allan.«

      Das war nun allerdings eine fürchterliche Nachricht, welche ich hier erhielt. Ein Raubmord hatte das Glück dieser so außerordentlich braven Familie zerstört, dem Vater das Leben gekostet und seine beiden Söhne in Armut gestürzt. Alle Steine und Juwelen waren verschwunden? Ich mußte unwillkürlich an die Diamanten denken, welche ich Fred Morgan abgenommen hatte und noch immer bei mir trug. Aber was konnte den Täter von Louisville weg in die Prairie treiben?

      »Wie seid Ihr gereist?« fragte ich weiter.

      »Von Memphis nach Fort Smith und dann über das Gebirge nach Preston, Massa. Bob sein ‚fahren, ‚reiten, ‚laufen bis in groß‘, furchtbar‘ Wüste Estaccad‘, wo niemand mehr haben find‘ Wasser. Da werden müd Pferd und Bob; da haben Durst groß wie Mississippi Pferd und Bob; da fallen Bob vom Pferd, Pferd laufen fort und Bob bleiben liegen. Nun ganz groß sehr Not haben Bob und sterben vor Durst immer mehr, bis kommen Massa Charley und geben Bob Blut in Mund. O, Massa, retten Massa Marshal, und Bob haben lieb Massa Charley so groß, so viel wie ganze Welt in ganze Erde!«

      Das war nun allerdings ein Verlangen, für dessen Erfüllung ich auch nicht die mindeste Hoffnung haben konnte. Woher das Vertrauen des Negers kam, konnte ich nicht sagen, und zu entsprechen vermochte ich demselben vielleicht ebensowenig. Dennoch fragte ich weiter:

      »Wie stark war eure Gesellschaft?«

      »Sehr groß stark, Massa; neun Männer und Bob.«

      »Wohin wolltet ihr zunächst?«

      »Das Bob nicht wissen. Bob immer reiten hinterher und nicht hören, was viel‘ Massa sagen.«

      »Du hast ein Messer und einen Säbel. Hattet ihr alle Waffen?«

      »Nicht groß‘ Kanone und Haubitz, aber viel Flint und Büchs und Messer und Pistol und Revolver.«

      »Wer war euer Führer?«

      »Ein Mann, heißen Williams.«

      »Erinnere dich noch einmal genau, wohin sie geritten sind, als du vom Pferde fielst!«

      »Weiß nicht mehr. Dahin, hierhin, dorthin.«

      »Wann war es? Zu welcher Tageszeit?«

      »Es sein Abend bald und – ah, oh, jetzt wissen Bob: Massa Bern‘ reiten grad in Sonne hinein, als Bob fallen vom Pferd.«

      »Gut! Kannst du wieder gehen?«

      »Bob laufen wieder wie Hirsch; Blut sein gut‘ Arznei für durstig.«

      Wirklich hatte auch mich der seltsame Trunk so erquickt, daß alles Fieber aus meinen Gliedern gewichen war, und neben mir stand jetzt der kleine Sam, der dieselbe glückliche Änderung verspürte. Er war herbeigekommen, um uns zuzuhören, und sah um mehrere Hunderte von Prozenten besser aus als vor noch kaum fünf Minuten.

      Die Gesellschaft, in welcher sich Bernard Marshall befunden hatte, mußte ebenso erschöpft gewesen sein wie wir, sonst hätte der wackere junge Mann seinen treuen Diener sicherlich nicht im Stiche gelassen. Vielleicht hatten Durst und Fieber so in seinen Eingeweiden gewühlt, daß er gar nicht mehr Herr seiner Gedanken und Sinne gewesen war. Die letzte Angabe Bobs ließ mich vermuten, daß er seine Richtung, ebenso wie wir, nach Westen hatte; aber, wie ihn erreichen, wie ihm Hilfe bringen, da wir dieser Hilfe selbst so sehr bedurften und nicht im stande waren, unsere Pferde zu gebrauchen?

      Ich sann und sann, konnte aber zu keinem rettenden Gedanken kommen, obgleich ich annehmen mußte, daß die Gesellschaft nicht weit gelangt sein könne. Wie aber kam es, daß keine Spur von ihr zu bemerken war?

      Ich wandte mich zu Sam:

      »Bleibe hier bei den Pferden, die sich vielleicht so weit erholen, daß sie später noch eine Meile laufen können. Bin ich in zwei Stunden noch nicht zurück, so folgst du meiner Spur.«

      »Well, Charley; wirst nicht allzuweit kommen, denn dieser kleine Schluck Coyotensaft kann zum Beispiel unmöglich lange anhalten.«

      Es versteht sich von selbst, daß wir uns jetzt nicht mehr, wie am ersten Tage unserer Bekanntschaft, ›lhr‹ sondern ›Du‹ nannten. Ich meine das ›Du‹ der Westläufersprache.

      Ich untersuchte den Boden und fand, daß die Spuren Bobs von dem Orte, an welchem er gelegen hatte, nach Norden gingen. Ihnen folgend, gelangte ich nach ungefähr zehn Minuten an eine Stelle, wo die Fährte von zehn Pferden von Ost nach


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