Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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für einen einzigen Reiter halten.«

      Diese List wurde befolgt, aber die Bebbeh, welche sich hinter uns befanden, konnten nicht getäuscht werden, und wir bemerkten gar bald, daß wir von einer ansehnlichen Schar verfolgt wurden.

      »Sihdi, werden sie uns einholen?« fragte Halef.

      »Wer weiß es! Es kommt darauf an, welche Art von Pferden sie reiten. Aber, Hadschi Halef Omar, was ist‘s mit deinem Auge? Ist es schlimm?«

      Sein Auge war geschwollen, trotzdem nur wenige Minuten seit dem Ueberfalle vergangen waren.

      »Es ist nichts, Sihdi,« antwortete er. »Dieser Bebbeh war fünfmal länger als ich und hat mir einen kleinen Hieb gegeben. Hamdulillah, er wird es nicht wieder tun!«

      »Du hast ihn doch nicht getötet?«

      »Nein. Ich weiß, daß du dies nicht willst, Effendi.«

      Es gewährte mir allerdings eine nicht geringe Freude, daß keiner der Feinde von uns an seinem Leben geschädigt worden war. Dies mußte uns, selbst vom Standpunkte der reinen Berechnung aus betrachtet, lieb und beruhigend sein; denn wenn wir den Bebbeh ja in die Hände fielen, so hatten sie doch wenigstens keine Blutrache an uns zu nehmen.

      Wir setzten unsern Galopp wohl über eine Viertelstunde lang fort. Der Kampfplatz war uns dabei aus den Augen geschwunden, aber die Verfolger waren hinter uns geblieben. Sie hatten sich geteilt. Diejenigen, welche gute Pferde hatten, waren uns näher gekommen, während die Anderen weit zurückblieben.

      »Emir, sie werden uns einholen, wenn wir nicht schneller reiten,« meinte Amad el Ghandur.

      »Wir dürfen unsere Tiere nicht jetzt gleich zu sehr anstrengen. Uebrigens haben sich die Verfolger getrennt, und es ist besser, einmal mit ihnen zu reden, als sich von ihnen abhetzen zu lassen.«

      »Maschallah! Du willst mit ihnen sprechen?« rief Mohammed Emin.

      »Allerdings. Ich hoffe, sie so weit zu bringen, daß sie von der Verfolgung abstehen. Reitet weiter! Ich werde hier halten bleiben.«

      Sie ritten im gleichen Tempo weiter. Ich aber stieg vom Pferde, nahm meine Waffen zu mir, setzte mich zur Erde und richtete das Gesicht gegen die Verfolger.

      Als sie noch ungefähr tausend Schritte entfernt waren, nahm ich mein Turbantuch herab und wehte damit durch die Luft. Sie fielen sofort aus dem Galopp in Schritt und hielten auf der Hälfte der soeben angegebenen Entfernung an. Nach einer kurzen Besprechung kam einer von ihnen näher herbeigeritten und fragte:

      »Warum sitzest du an der Erde? Ist es List oder Wahrheit?«

      »Ich will mit euch reden.«

      »Mit uns allen oder nur mit einem?«

      »Mit einem, den ihr euch wählen und mir dann senden werdet.«

      »Du hast deine Waffen bei dir.«

      »Er kann die seinigen auch mitbringen.«

      »Lege sie weit von dir; dann wird einer von uns kommen.«

      »Dann muß auch er die Waffen zurücklassen!«

      »Er wird sie ablegen.«

      Ich erhob mich, legte die beiden Dolche und die Revolver auf die Erde und hing die Büchse und den Stutzen an den Sattel. Dann setzte ich mich wieder nieder. Diese Leute konnten unmöglich wissen, wie viele und was für Waffen ich bei mir trug; es wäre mir also leicht gewesen, wenigstens die Revolver bei mir zu behalten; aber ich wollte ehrlich gegen sie sein, um von ihnen ebenso ehrlich behandelt zu werden.

      Ich zählte elf Mann. Der mit mir gesprochen hatte, kehrte zu ihnen zurück und sprach mit ihnen. Dann stieg er ab, legte seine Büchse, seinen Wurfspieß und sein Messer nieder und kam langsam auf mich zugeschritten. Er war ein schöner, schlank gebauter Mann von vielleicht fünfzig Jahren. Seine schwarzen Augen funkelten mich feindselig an, aber er setzte sich still und wortlos grad vor mich hin.

      Da ich schwieg und er ungeduldig war, begann er doch endlich die Unterhaltung, indem er fragte:

      »Was willst du von uns?«

      »Ich will mit dir sprechen.«

      »So sprich!«

      »Ich kann nicht.«

      »Allah! Warum?«

      Ich zeigte hinter mich.

      »Siehe, ich trug mehr Waffen bei mir, als ihr erwarten konntet, und habe sie alle von mir getan. Auch du hast mir versprochen, die deinigen abzulegen. Seit wann sind die Bebbeh Lügner geworden?«

      »Lüge ich etwa?«

      »Was tut die Keule unter deinem Gewande?«

      Ich sah an einer Erhöhung seines Brustkleides, daß er eine Keule darunter verborgen hatte. Er errötete sichtlich, griff unter das Gewand und warf die Waffe hinter sich.

      »Ich hatte sie vergessen,« entschuldigte er sich.

      Der Umstand, daß er sie fortwarf, überzeugte mich, daß es nicht auf eine Treulosigkeit gegen mich abgesehen gewesen war. Er hatte mir nicht getraut und sich also heimlich vorsehen wollen. Ich begann:

      »So! Nun sei Frieden zwischen uns, bis unsere Unterredung zu Ende ist. Versprichst du mir dies?«

      »Ich verspreche es.«

      »Reiche mir deine Hand darauf!«

      »Hier, nimm sie!«

      »Warum verfolgt ihr uns?« fragte ich nun.

      Er blickte mir ganz erstaunt in das Angesicht.

      »Bist du toll?« rief er. »Ihr beraubt uns; ihr kommt als Feinde, als Räuber über unsere Grenzen, und du fragst, warum wir euch verfolgen!«

      »Wir kamen weder als Räuber noch als eure Feinde.«

      Er machte ein noch viel überraschteres Gesicht.

      »Nicht? Allah ‚l Allah! Und nahmt uns doch unsere Herden und unsere Zelte nebst allem, was darinnen war!«

      »Du irrst! Nicht wir, sondern die Bejat haben dies getan!«

      »Aber ihr seid doch Bejat!«

      »Nein! Wir sind fünf friedliche Männer. Einer von ihnen und ich sind Krieger aus dem fernen Frankistan; der dritte ist mein Diener, ein Araber, der jenseits weit hinter Mekka geboren wurde, und die beiden letzten sind Beni Arab aus dem Westen von hier, die noch niemals eure Feinde gewesen sind.«

      »Das sagst du, um mich zu täuschen. Auf diese Weise werdet ihr uns nicht entkommen. Ihr seid Bejat!«

      Ich warf den Burnus zurück und schob den weiten Aermel meiner Jacke empor; dann entfernte ich auch das Unterkleid.

      »Hat ein Bejat, ein Kurde, oder ein Araber einen solchen Arm?« fragte ich.

      »Er ist weiß,« antwortete er. »Ist dein ganzer Körper so?«

      »Natürlich. Kannst du lesen?«

      »Ja,« antwortete er stolz.

      Ich nahm mein Notizbuch heraus und hielt es ihm hin.

      »Ist dies die Schrift eines Kurden oder Arabers?«

      »Das ist eine fremde Schrift.«

      Ich steckte das Buch wieder ein und öffnete den Paß.

      »Kennst du dieses Siegel?«

      »Katera Allah – bei Gott! Das ist das Siegel des Großherrn!«

      »Und dieses Siegel mußt du achten, denn du bist ein Krieger des Pascha von Sulimania, der dem Sultan Rechenschaft geben muß. Glaubst du nun, daß ich kein Bejat bin?«

      »Ich glaube es.«

      »Ebenso wahr ist auch das, was ich dir von den Andern sagte.«

      »Aber ihr wart ja bei den Bejat!«

      »Wir trafen sie eine Tagreise im Norden von hier. Sie nahmen uns als ihre Gäste auf und sagten, daß sie zu einem Feste der Dschiaf reiten wollten. Wir wußten nicht, daß sie Feinde der Bebbeh sind; wir ahnten also auch nicht, daß sie euch überfallen und berauben wollten. Gestern abend schliefen


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