Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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gefangen, um dir zu zeigen, daß wir mehr Klugheit, Mut und Geschick besitzen, als ihr denkt. Wer hat heute zuerst bemerkt, daß die Gefangenen fort waren?«

      »Der Scheik.«

      »Wie bemerkte er es?«

      »Er trat in sein Zelt, da fehlten die Waffen der Gefangenen und auch die seinigen.«

      »Ich habe sie genommen.«

      »Ich denke, ein Christ nimmt nie etwas!«

      »Das ist richtig. Ein Christ nimmt nie unrechtes Gut, aber er läßt sich auch von keinem Kurden berauben. Ihr habt uns unsere Pferde erschossen, die uns lieb waren, und ich habe dafür sechs andere genommen, die uns nicht lieb sind. Wir hatten in unsern Satteltaschen viele Dinge, die wir notwendig brauchen; ihr habt sie genommen, und dafür habe ich mir die Flinte und die Pistolen des Scheik angeeignet. Wir haben getauscht; ihr habt diesen Tausch mit Gewalt begonnen, und ich habe ihn mit Gewalt beendet.«

      »Unsere Pferde sind besser, als die eurigen waren!«

      »Das geht mich nichts an, denn ehe ihr die unserigen getötet habt, fragtet ihr auch nicht danach, ob sie schlechter waren, als diejenigen, die ich euch dafür nehmen würde. Warum wurde mein Pferd nicht erschossen?«

      »Der Scheik wollte es haben.«

      »Glaubte er wirklich, daß er es bekommen werde? Und wenn dies der Fall gewesen wäre, so hätte ich es mir sicher wieder geholt. Wer entdeckte heute die Abwesenheit der Pferde?«

      »Auch der Scheik. Er lief in das Zelt der Gefangenen, und als dieses leer war, rannte er zu den Pferden; sie waren fort.«

      »Fand er gar nichts?«

      »Den Wächter, der unter einem Hunde lag.«

      »Was geschah mit ihm?«

      »Er wurde unter dem Hunde liegen gelassen zur Strafe dafür, daß er nicht aufgepaßt hatte.«

      »Fürchterlich! Seid ihr Menschen?«

      »Der Scheik hat es so geboten.«

      »Was wird da mit dir geschehen, der du auch nicht aufgepaßt hast? Ich habe hinter dem Kirschlorbeer gelegen, einen einzigen Schritt von dir entfernt; ich bin dann hinter dir zu den Pferden gegangen, von denen ich nicht wußte, wo sie waren, und dann bin ich dir nach dem Lager gefolgt.«

      »Herr, laß das den Scheik nicht wissen!«

      »Sei ohne Sorge! Ich habe es nur allein mit dir zu tun. Ich werde jetzt meinen Gefährten deine Antworten sagen, und dann mögen sie dein Urteil sprechen. Du sollst nicht von uns zwei Christen, sondern von diesen vier Muselmännern gerichtet werden!«

      Ich verdolmetschte meine Unterredung mit dem Bebbeh in das Arabische.

      »Was willst du mit ihm tun?« fragte mich Mohammed.

      »Nichts,« erwiderte ich ruhig.

      »Emir, er hat uns belogen, betrogen und dem Feinde in die Hand geliefert. Er hat den Tod verdient.«

      »Und was noch mehr ist,« fügte Amad el Ghandur hinzu, »er hat bei dem Barte des Propheten falsch geschworen. Er hat den dreifachen Tod verdient.«

      »Was sagst du dazu, Sihdi?« fragte Halef.

      »Jetzt nichts. Bestimmt ihr, was mit ihm werden soll!«

      Während die vier Mohammedaner beratschlagten, erkundigte sich auch der Engländer bei mir:

      »Nun? Was wird mit ihm?«

      »Ich weiß es nicht. Was würdet Ihr mit ihm tun?«

      »Hm! Niederschießen!«

      »Haben wir das Recht dazu?«

      »Yes! Sehr!«

      »Der Weg des Rechtes ist folgender: Wir beschweren uns bei unsern Konsulaten; von da geht die Beschwerde nach Konstantinopel, und dann erhält der Pascha von Sulimania den Befehl, den Uebeltäter zu bestrafen – wenn er ihn nicht belohnen soll.«

      »Schöner Weg des Rechtes!«

      »Aber der allein erlaubte für uns als Bürger unserer Staaten. Und ferner: Was werdet Ihr als Christ mit diesem Feinde tun?«

      »Geht mir mit Euren Fragen, Master! Ich bin Englishman. Macht, was Ihr wollt!«

      »Und wenn ich ihn nun laufen lasse?«

      »So mag er laufen! Ich fürchte mich nicht vor ihm; er braucht also meinetwegen nicht ganz totgeschlagen zu werden. Macht es lieber möglich, daß ich ihm meine Nase aufhängen kann; das wäre die beste Strafe für diesen Menschen, der uns gestern eine Nase gedreht hat, welche zwanzigmal imposanter war, als die meinige! Yes!«

      Der Bebbeh schien mittlerweile die Geduld zu verlieren. Er wandte sich in der jetzt eintretenden Pause wieder an mich:

      »Herr, was wird mit mir geschehen?«

      »Das wird ganz auf dich ankommen. Von wem willst du gerichtet sein? Von den vier Männern, die ihr Gläubige nennt, oder von den zwei Männern, denen ihr den Schimpfnamen »Giaur« zu geben pflegt?«

      »Chodih, ich bete zu Allah und dem Propheten; es mögen nur solche Männer über mich bestimmen, welche wahre Gläubige sind!«

      »Du sollst deinen Willen haben! Wir beide hätten dir verziehen und dich morgen früh zu den Deinigen zurückkehren lassen. Ich sage mich los. Mag dir werden, was du gewünscht hast, und mögest du nicht bereuen, das Wort eines Christen bezweifelt und seine Nachsicht von dir gewiesen zu haben!«

      Endlich waren die anderen zu einem Entschluß gekommen.

      »Emir, wir erschießen ihn!« sagte Mohammed.

      »Das leide ich auf keinen Fall!« antwortete ich.

      »Er hat den Propheten geschändet!«

      »Seid ihr die Richter darüber? Er mag dies mit dem Imam, mit dem Propheten oder mit seinem Gewissen abmachen!«

      »Er hat den Spion gemacht und uns verraten!«

      »Hat einer von uns sein Leben dadurch verloren?«

      »Nein; aber wir haben anderes verloren.«

      »Wir haben Besseres dafür genommen. Hadschi Halef Omar, du kennst meine Meinung; es betrübt mich, dich so blutgierig zu sehen.«

      »Sihdi, ich wollte es nicht!« entschuldigte er sich eifrig. »Nur die Haddedihn und der Bannah wollten es.«

      »So ist meine Meinung, daß der Bannah hierbei nichts zu sagen hat. Er ist unser Führer und wird dafür bezahlt. Aendert euer Urteil!«

      Sie flüsterten von neuem zusammen; dann teilte mir Mohammed Emin das Resultat mit:

      »Emir, wir wollen sein Leben nicht, aber er soll entehrt werden. Wir nehmen ihm die Locke und schlagen ihn mit Ruten in das Gesicht. Wer solche Schwielen trägt, hat keine Ehre mehr.«

      »Das ist noch fürchterlicher als der Tod und hat doch keinen Erfolg. Ich habe einem Bebbeh Ohrfeigen gegeben, weil er meinen Glauben beleidigte, und gestern kämpfte er doch an der Seite des Scheiks gegen mich. Haben ihn also diese Schläge geschändet?«

      »Die abgeschnittene Locke wird ihn sicher schänden!«

      »Er wird den Turban aufbehalten, so daß man es nicht sieht.«

      »Du selbst wolltest sie ihm doch vorhin abschneiden lassen!«

      »Nein; ich hätte es nicht getan. Es war nur eine Drohung, um ihn zum Sprechen zu zwingen. Ueberhaupt – warum wollt ihr diese Bebbeh noch mehr gegen uns erbittern? Sie fühlen sich im Rechte gegen uns, weil sie glauben, daß wir Verbündete der Bejat gewesen sind. Sie können es nicht wissen, daß wir einen solchen Raubzug nie gebilligt hätten; sie können es nicht wissen, daß ich dem Khan Heider Mirlam offen in das Gesicht gesagt habe, ich hätte die Bebbeh gewarnt, wenn es mir möglich gewesen wäre; sie haben uns bei Räubern getroffen und behandeln uns als Räuber. Jetzt sind wir ihnen glücklich entkommen, und vielleicht lassen sie von uns ab; wollt ihr sie durch eure Grausamkeit zwingen, uns weiter zu verfolgen?«

      »Emir, wir waren ihre Gefangenen; wir müssen uns rächen!«

      »Auch


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