Von Bagdad nach Stambul. Karl May

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Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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sie zu umgehen; doch schien diese List keinen Erfolg zu haben. Er war so angegriffen und ermüdet, daß die kleinen, struppigen Pferde der Bebbeh eine größere Schnelligkeit entwickelten, als er. Ich bemerkte, daß er sich in der größten Gefahr befand, erschossen zu werden. Ich sprang zu meinem Pferde.

      »Scheik Gasahl Gaboya, jetzt kannst du sehen, was ein Emir aus dem Abendlande für Waffen hat. Aber hüte dich, den Eingang zu überschreiten. Du bist mein Gefangener, bis ich wiederkehre!«

      Ich bestieg das Pferd.

      »Wohin, Sihdi?« fragte Halef.

      »Den Hund beschützen.«

      »Ich reite mit!«

      »Du bleibst. Sorge dafür, daß die beiden Bebbeh nicht entkommen!«

      Ich ritt hinaus auf das Blachfeld und gab mit dem ausgestreckten Arme den Kurden ein Zeichen, von dem Hunde abzulassen. Sie sahen es wohl, befolgten es aber nicht. Auch der Hund erblickte mich und kam, anstatt den eingeschlagenen Bogen weiter zu verfolgen, auf mich zugerannt. Diese Richtung führte ihn ganz nahe an seinen Verfolgern vorüber. Es kam mir gar nicht in den Sinn, mir das brave Tier, welches ich bereits verloren geglaubt hatte, erschießen zu lassen. Darum hielt ich, in Schußweite angekommen, mein Pferd an und zeigte ihm den Lauf meiner Büchse. Auf dieses Zeichen stand es vollständig bewegungslos. Ich legte an und warf mit zwei Schüssen die Pferde der beiden Kurden, die dem Hunde am nächsten waren, in das Gras. Dojan kam unbeschädigt vorüber, aber die Bebbeh erhoben ein Geschrei des Zornes und kamen auf mich losgesprengt.

      Vor Freuden, mich wiedergefunden zu haben, war der Hund mit einem einzigen Satze bei mir auf dem Pferde; ich aber stieß ihn sofort hinab, da er verderblich werden konnte.

      »Buraja, buraja – herbei, hierher!« hörte ich es am Eingange des Tales rufen. Es war der Scheik, der diese Gelegenheit benutzen wollte, aus seiner nichts weniger als angenehmen Lage zu entkommen. Die Kurden vernahmen diesen Ruf, spornten ihre Pferde an und schwangen die Waffen. Ich kam ihnen natürlich zuvor und sah, als ich den Eingang erreichte, den Scheik am Boden liegen, während Halef und der Engländer beschäftigt waren, ihn zu binden. Sein Bruder stand frei daneben, und seine ganze Haltung zeigte, daß er neutral bleiben wolle.

      »Emir, schone meine Brüder!« bat er.

      »Wenn du den Scheik bewachest!« antwortete ich.

      »Ich werde es tun, Herr!«

      Ich sprang vom Pferde und gebot den Gefährten, sich hinter die Felsen des Einganges zu legen.

      »Schießt nur auf die Pferde!« bat ich.

      »Hältst du so dein Wort, Emir?« zürnte Mohammed Emin.

      »Der Bruder des Scheik meint es ehrlich. Die erste Salve also nur auf die Pferde; dann werden wir weiter sehen!«

      Dies alles war so schnell gegangen, daß die Bebbeh sich nun grad in Schußweite befanden. Ich hatte die beiden Läufe der Büchse abgeschossen und nahm den Stutzen zur Hand. Unsere Schüsse krachten – einmal und noch einmal.

      »Bounce – bardauz, da stürzen sie!« rief der Engländer. »Fünf, acht, neun Pferde! Yes!«

      Er erhob sich aus seiner knieenden Stellung, um, wie die andern, während ich fort schoß, sein Gewehr wieder zu laden. Auch Allo, der Köhler, hatte mit der Flinte des Scheiks einen Schuß abgegeben. Er war schuld, daß einer der Bebbeh verwundet wurde; die andern waren ihrer Kugel sicher.

      Die erste Salve hielt den Anprall der Kurden so lange auf, bis wieder geladen war; die zweite aber brachte ihn vollends zum Stehen.

      »Come on – vorwärts!« schrie Lindsay. »Hinaus! Totschlagen diese Houndcatchers, diese Hundejäger!«

      Er nahm die Büchse bei dem Laufe und wollte sich wirklich auf die Kurden werfen. Ich faßte ihn aber und hielt ihn zurück.

      »Seid Ihr des Teufels, Sir?« rief ich. »Wollt Ihr um Eure schöne Patent-Nase kommen? Bleibt doch, wo Ihr seid!«

      »Warum? Der Augenblick ist gut. Drauf, Master, drauf!«

      »Unsinn! Hier sind wir sicher, draußen aber nicht.«

      »Sicher? Hm! So legt Euch auf das Kanapee und haltet Mittagsruhe, Master! Dummheit, die Kerle laufen zu lassen! Well!«

      »Nur ruhiges Blut! Seht Ihr, daß sie sich zurückziehen? Sie haben eine gute Lehre erhalten, an die sie denken werden.«

      »Schöne Lehre! Kostet sie nur ein paar Pferde!«

      Da legte mir der Bruder des Scheiks die Hand auf den Arm.

      »Emir,« sagte er, »ich danke dir! Du konntest so viele und noch mehr von ihnen töten, als Pferde draußen liegen, und du hast es nicht getan. Du bist ein Christ, aber Allah wird dich schützen!«

      »Siehst du ein, daß unsere Waffen den euren überlegen sind?«

      »Ich sehe es.«

      »So geh hinaus zu den Bebbeh und erzähle es ihnen!«

      »Ich werde es tun. Was wird aber mit dem Scheik?«

      »Er bleibt hier. Ich gebe dir eine ganze Viertelstunde Zeit. Bist du dann noch nicht mit der Botschaft des Friedens zurückgekehrt, so wird der Scheik an dieser Wurzel da oben aufgehängt. Zweifle nicht daran! Ich bin es müde, mit einem unverständigen Feinde zu kämpfen.«

      »Und wenn ich Frieden bringe?«

      »So gebe ich den Scheik frei.«

      »Und was er von dir verlangte?«

      »Gebe ich nicht.«

      »Auch nicht seine Flinte und seine Pistolen?«

      »Nein. Er trägt die Schuld des Angriffes, den wir soeben abgeschlagen haben; er hat nicht die geringste Nachsicht mehr zu erwarten. Wir sind die Sieger. Tue, was du willst!«

      Er ging, und ich hatte nur zunächst darauf Bedacht, meine Gewehre wieder zu laden. Dabei lag mir der Hund zu Füßen und winselte vor Freude, obgleich ihm vor Erschöpfung die Zunge aus dem Maule hing.

      »Was denkst du, Emir,« fragte Amad el Ghandur; »hat er den Wächter der Pferde erbissen, bei dem er zurückgeblieben ist?«

      »Ich hoffe es nicht. Ich will annehmen, daß er den Mann verlassen hat, weil ihm die Zeit zu lang geworden ist. Er hat den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht bei ihm gewacht; das arme Tier ist fürchterlich ermattet. Halef, gib ihm zu fressen! Erst später wird er Wasser lecken dürfen.«

      Der Scheik lag gebunden am Boden und sprach kein Wort; aber seine Augen folgten jeder unserer Bewegungen. Man sah es ihm an, daß er niemals unser Freund sein könne.

      Wir harrten mit Spannung auf den Bescheid, den wir von den Bebbeh erhalten würden. Sie hielten eng beieinander, und wir sahen aus der Lebhaftigkeit ihrer Gestikulationen, daß ihre Beratung eine stürmische sei. Endlich kehrte unser Bote zurück.

      »Ich bringe den Frieden, Herr,« sagte er.

      »Unter welcher Bedingung?«

      »Unter keiner.«

      »Das hatte ich nicht erwartet. Du scheinst sehr eifrig für uns gesprochen zu haben. Ich danke dir!«

      »Verstehe mich wohl, ehe du mir dankest, Herr! Ich bringe dir zwar den Frieden, aber auch die Bebbeh gehen auf keine Bedingung ein.«

      »Ah! Und das nennen sie einen Frieden? Gut, so werde ich mich sicher stellen. Sage ihnen, daß ich den Scheik, deinen Bruder, als Geisel mit mir nehmen werde.«

      »Wie lange wirst du ihn behalten?«

      »So lange als es mir gefällt; so lange, bis ich sicher bin, daß ich nicht verfolgt werde. Dann wird er unbeschädigt entlassen.«

      »Ich glaube dir. Erlaube, daß ich es meinen Brüdern sage!«

      »Gehe hin und gebiete ihnen, sich bis an die Berge zurückzuziehen, welche die Ebene dort begrenzen. Sobald ich merke, daß sie uns folgen, stirbt der Scheik.«

      Er ging, und bald sahen wir, daß alle Bebbeh, beritten und unberitten, langsam nach Norden zogen. Er selbst aber kam wieder, um sein Pferd zu holen.

      »Emir,«


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