Karawane. Stephen Goldin

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Karawane - Stephen Goldin


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mit Kleinigkeiten aufhalten, bis die Wasserversorgung eines Tages zusammenbricht. Peter erschauderte, als er über die Panik nachdachte, die sich unbemerkt unter der Oberfläche aufbaute, wie ein böser Flaschengeist, der nur auf den Tag wartet, an dem er mit Sicherheit freigelassen wird.

      Er fuhr unter einer Freewayüberführung durch, überquerte eine Hauptstraße und gelangte schließlich an einem Ort, welcher einst ein Park war Er war drei Blocks lang und einen Block breit. Man hatte hier ebenfalls versucht Mais anzubauen, aber der Versuch wurde von der Masse der Menschen die herzog, durchkreuzt. Der Park war übersät von alten, kaputten Autos, die die Leute in den Park geschoben hatten und jetzt als Quartiere benutzten. Zuerst wunderte sich Peter darüber, wieso sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatten — an Unterkunftsmöglichkeiten herrschte momentan am wenigsten Mangel. Dann aber sah er was sich auf der anderen Straßenseite gegenüber des Parks befand.

      Es war die San Fernando Mission, eine der Missionierungseinrichtungen, die im 18. Jahrhundert von Pater Juniperro Serria errichtet wurden und später als El Camino Real bekannt wurden. Als eine katholische Kirche stellte es heute eine der wenigen Organisationen dar, die noch funktionierten. Die Mission agierte als Essensausgabezentrum und fütterte wahrscheinlich Notleidende im Rahmen ihrer Wohltätigkeitsarbeit. Diese Wohltätigkeitsarbeit hat zu der Menge an armen Leuten geführt, die in den Park auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihre Lager aufschlugen.

      Peter hegte gemischte Gefühle gegenüber Kirchen. Da er selbst nicht religiös war, tendierte er dazu ihnen zu misstrauen. Es stimmt, sie leisteten gerade sehr gute Arbeit und boten nicht nur vorübergehende Fürsorge an— wie zum Beispiel Essensverteilung — sondern kümmerten sich auch um die spirituellen Bedürfnisse der Menschen und halfen auch dabei die Stimmung hoch zu halten. Als die Situation sich allmählich verschlechterte, wandten sich die Menschen immer mehr der Religion als Trostquelle zu. Das war alles schön und gut, aber Peter konnte nicht anders als sich daran zu erinnern, wie die mittelalterlichen Kirchen sich in einen gigantischen Monolithen verwandelte, der den Verstand betäubte und Aberglaube förderte und erbarmungslos jegliche Individualität unterdrückte. Sollte die Menschheit sich wieder erheben und zahlenmäßig wachsen, dann wäre die Freiheit der Gedanken ein absolutes Muss. Peter befürchtete, dass die Kirchen nur auf kurzer Sicht Linderung erzeugten, aber auf langer Sicht Unterdrückung lieferten.

      Er hielt vor der Mission an und stieg vom Fahrrad. Das sah nach der besten Aussicht auf einen Schlafplatz für heute Nacht aus. Er könnte in der Mission essen und sich dann an die Wand lehnen und die ganze Nacht durchschlafen. Die Nächte in Los Angeles konnten richtig kühl werden, waren aber normalerweise nicht unerträglich kalt. Einige seiner wenigen Besitztümer — abgesehen von Geld, was nur ab und zu nützlich war — war die zusammengefaltete Decke in seinem Rucksack. Das würde reichen, um ihn heute Nacht zu wärmen.

      Er schob gerade sein Fahrrad in Richtung Mission, als er bemerkte, dass an der westlichen Gebäudeseite etwas vor sich ging. Ein schwarzer Mann mit einem Motorrad wurde von einer Gruppe weißer Jugendlicher belästigt.

      “Ich glaube er ist aus Pacoima”, sagte einer der Rowdys. “Kommt her um uns auszuspionieren, um herauszufinden, wo unsere Schwachstellen sind. Wahrscheinlich wollen er und seine Freunde uns heute Nacht überfallen und unseren Treibstoff klauen. Komm schon, Neger, woher hast du das Motorrad?”

      Der Schwarze war jung, groß und hager; in besseren Zeiten hätte er ein College Basketballspieler sein können. Er hatte ein rotes Tanktop Shirt und blaue Hosen und trug ein rotes Bandana um seine Stirn. Er hatte einen tiefschwarzen Ziegenbart, einen Schnurrbart und als Frisur hatte er kurze, lockige Haare. Er strahlte große Würde aus. “Fasst das Motorrad an,”sagte er, “und ich werde die Gettysburgansprache in euren kleinen, weißen Ärsche ritzen.” Seine Stimme war so leise, dass sie kaum hörbar war, aber sie strahlte dennoch Macht aus.

      Die Bande war für einen Moment überrascht, aber dann lachten sie nervös. Sie waren 9 zu 1 in der Überzahl. “Wer glaubst du, bist du, Nigger, dass du hier vorbeikommen und Befehle erteilen kannst?” fragte der Anführer und kam einen Schritt näher. Der Rest der Bande tat das Gleiche.

      Mit einer schnellen Geste langte der Fremde in seine Hosentasche und zog ein Klappmesser heraus und öffnete die Klinge. Seine Hand bewegte sich vor ihn in einem Kreis und erzeugte die Wahrnehmung, als ob die Klinge von selbst schweben würde. “Keine Befehle”, sagt er. “Nur guten Rat.”

      Die Rowdies hielten wieder an. Der Einsatz erhöhte sich und sie waren sich unsicher was sie tun sollten. Der Anführer war in der schlechtesten Position— er konnte sein Gesicht nicht vor seinen Leuten verlieren. Also langte er, nachdem er das Klappmesser für einen Moment beäugte, ruhig in seinen Gürtel und zog seine eigene Waffer raus, ein großes Armee-Bayonet mit Holzgriff. “Wenn du Spielchen spielen willst, dann können wir das auch— habe ich Recht, Leute?” Inspiriert von seinem Verhalten, zogen die anderen ihre Messer.

      Peter schaute sich um. Niemand im Park konnte sehen was vor sich ging — oder wenn doch, dann taten sie gute Arbeit es zu ignorieren. Er fühlte ein unangenehmes Gefühl im Magenn und sein Speichel im Mund schmeckte säuerlich. Er überprüfte ob sein eigenes Messer griffbereit in der Scheide war, nur für den Fall, dass er es brauchen würde.

      Die Bande kreiste um ihr Opfer, tat das aber mit weniger Vertrauen, als sie sonst spüren würden. Das mögliche Opfer war nicht irgendein hilfloser und durch ihre Einschüchterung verängstigter Fremder, sondern ein stark aussehender Mann mit einem scharfen Messer, das er anscheinend auch zu benutzen wusste. Die Gang rückte vorsichtig vor.

      Der Schwarze stand seinen Mann und dreht sich langsam und behielt die Leute vor und auch hinter sich stets im Auge. Seine Hand mit dem Messer blieb steif und zeigte direkt auf den Hals des Anführers.

      Mit einem lauten, bullenähnlichen Schrei, griff der Anführer an. Der Schwarze wich ihm mit Leichtigkeit zur Seite aus und bewegte sein Handgelenk in einer einfach anmutenden Bewegung— aber als der Anführer sich wieder aufrichtete, konnte Peter sehen, dass der tiefe Schnitt über seinem linken Ohr stark blutete. “Nächster”, sagte der Schwarze und lachte.

      Drei andere griffen ihn von verschiedenen Seiten an. Einer von ihnen kassierte einen schnellen Tritt in den Schritt, der ihn sofort einknicken ließ; der Zweite stocherte in die Luft, da sich das vermeintliche Opfer bereits weggedreht hat und dem Dritten mit einer Stichattacke auf dessen Hand bedachte. “Kommt schon,” schreite der Anführer der Gang von der Seite. “Was sind wir, eine Bande Feiglinge? Schnappen wir ihn uns!”

      Sie taten sich alle zur gleichen Zeit zusammen, zeigten aber jedoch großen Respekt vor den Fähigkeiten ihres Opfers. Der Schwarze hatte eine höhere Reichweite als die meisten von ihnen und konnte sie deshalb momentan mit seinen Stichen auf Abstand halten, aber er konnte sich nicht für Immer gegen ihre Überzahl wehren.

      Peter war kein sehr guter Kämpfer, obwohl er seit dem letzten Jahr bereits einige Kämpfe hinter sich hat. Normalerweise ging er Kämpfen aus dem Weg wo er nur konnte, aber dieser hier war einer, den er nicht ignorieren konnte, wenn er mit seinem Gewissen leben wollte. Er zog sein Messer, stieß einen lauten Schrei aus und griff an.

      Die Gang war durch diesen Angriff aus einer neuen Richtung überrascht und reagierte für einen Moment nicht, was Peter den Vorteil gab, den er so dringend benötigte. Er machte einen Gegner mit einem schnellen Messerstich unterhalb der Rippen unschädlich. Er drehte sich zum nächsten Mann und griff dessen Gesicht an und verletzte ihn oberhalb der Augenbraue. Blut strömte aus der Verletzung und in die Augen. Der Gegner konnte dadurch nichts mehr sehen und glaubte dadurch sein Auge verloren zu haben. Er fiel zu Boden und schrie.

      Im Gegensatz zu ihnen, zögerte der Schwarze nicht. Sein Messer war damit beschäftigt seine Gegner anzugreifen, was sie dazu brachte in Verteidigung zu gehen. Sie hatten sich jetzt aber von der Peters Überraschungsangriff erholt und führten einen Gegenangriff aus. Peter sah sich selbst zwei übel aussehenden Kerle gegenüber, denen die Mordlust in ihren Augen stand. Ohne das Element der Überraschung auf seiner Seite, waren die anderen beiden die eindeutig besseren Kämpfer. Peter wich langsam von ihnen zurück und fand sich mit seinem Rücken an der Mauer der Mission. Die anderen beiden kamen ihm langsam mit einem fiesen Grinsen näher.

      Der


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