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„Man sagt, es ist rot vom Blut seiner Opfer.“

      Thor betrachtete das Wasser. Es blubberte an manchen Stellen, und in der Ferne tauchten seltsame Geschöpfe kurz aus den Fluten hoch, um wieder abzutauchen. Keine von ihnen blieb lange genug sichtbar, dass er einen guten Blick auf sie werfen konnte, doch er wollte sein Glück nicht herausfordern, indem er sich weiter vorlehnte.

      Thor versuchte verwirrt, alles zu erfassen. Alles hier auf dieser Seite des Regenwalls schien so fremd, so anders. Es lag sogar ein leichter roter Nebel in der Luft, der tief über dem Wasser schwebte. Er betrachtete den Horizont und sah dutzende kleiner Inseln, die wie Trittsteine über den Horizont verteilt waren.

      Eine starke Brise kam auf und Kolk trat vor und bellte:

      „SETZT DIE SEGEL!“

      Thor sprang gemeinsam mit den anderen Jungen in Aktion, packte Taue und zog an ihnen, um die Brise einzufangen. Die Segel füllten sich und ein Windstoß trug sie vorwärts. Thor spürte, wie das Schiff sich unter ihnen schneller bewegte als je zuvor, und sie fuhren auf die Inseln zu. Das Schiff schwankte über riesige, sanfte Wellen, die aus dem Nichts aufkamen und sich sanft auf und ab bewegten.

      Thor spazierte zum Bug, lehnte sich gegen die Reling und hielt Ausschau. Reece tauchte neben ihm auf, und O’Connor auf seiner anderen Seite. Nebeneinander standen sie da, und Thor sah zu, wie die Inselkette rasch näherkam. Sie standen lange Zeit schweigend da, und Thor genoss die feuchte Brise, während sein Körper sich entspannte.

      Schließlich stellte Thor fest, dass sie auf eine bestimmte Insel zusteuerten. Sie wurde größer, und Thor fröstelte, als er erkannte, dass sie das Ziel ihrer Reise war.

      „Die Insel der Nebel“, sagte Reece ehrfürchtig.

      Thor betrachtete sie staunend. Langsam wurde ihre Gestalt erkennbar—sie war felsig und zerfurcht, karg, und erstreckte sich über mehrere Meilen in beide Richtungen, lang und schmal, geformt wie ein Hufeisen. Riesige Wellen krachten gegen ihre Küste, ihr Grollen sogar von hier zu hören, und warfen sich schäumend gegen enorme Felsbrocken. Ein winziger Streifen Festland war hinter den Felsen zu sehen, und dahinter eine Klippenwand, die sich senkrecht hoch in die Lüfte erhob. Thor konnte nichts sehen, wo ihr Schiff sicher anlegen konnte.

      Ein roter Nebel, der wie Tau über der ganzen Insel hing und in der Sonne funkelte, trug zur Merkwürdigkeit dieses Ortes bei. Er verlieh ihm eine Atmosphäre, die nicht ganz geheuer war. Thor konnte etwas Unmenschliches, Unirdisches an diesem Ort verspüren.

      „Man sagt, sie hat Millionen Jahre überstanden“, fügte O’Connor hinzu. „Sie ist älter als der Ring. Sogar älter als das Imperium.“

      „Sie gehört den Drachen“, fügte Elden hinzu, der sich neben Reece gesellt hatte.

      Thor sah zu, wie die zweite Sonne plötzlich am Himmel versank; in wenigen Momenten wandelte sich der Tag von sonnig und hell zu beinahe Sonnenuntergang, und der Himmel färbte sich rot und violett. Er konnte es nicht glauben: noch nie hatte er gesehen, dass die Sonne sich so schnell bewegte. Er fragte sich, was in diesem Teil der Welt sonst noch alles anders war.

      „Wird diese Insel von einem Drachen bewohnt?“, fragte Thor.

      Elden schüttelte den Kopf.

      „Nein. Ich habe gehört, dass er in der Nähe lebt. Man sagt, der rote Nebel entsteht aus dem Atem des Drachen. Er atmet bei Nacht auf einer benachbarten Insel, und der Wind trägt es herüber und bedeckt die Insel bei Tag.“

      Thor hörte ein plötzliches Geräusch; zuerst klang es wie ein tiefes Grollen, wie Donner, lange und laut genug, um das Schiff zum Erbeben zu bringen. Krohn, der immer noch in seinem Hemd lag, duckte den Kopf und winselte.

      Die anderen wirbelten alle herum, und auch Thor drehte sich herum und hielt Ausschau; irgendwo am Horizont glaubte er, den blassen Umriss von Flammen erkennen zu können, die in den Sonnenuntergang flackerten und dann in einer Wolke schwarzen Rauchs verschwanden, wie der Ausbruch eines kleinen Vulkans.

      „Der Drache“, sagte Reece. „Wir sind nun in seinem Revier.“

      Thor schluckte und staunte.

      „Aber wie können wir hier dann in Sicherheit sein?“, fragte O’Connor.

      „Ihr seit nirgendwo in Sicherheit“, ertönte eine dröhnende Stimme.

      Thor wirbelte herum und sah Kolk da stehen, Hände in die Hüften gestützt und über ihre Schultern hinweg den Horizont betrachtend.

      „Das ist der Zweck der Hundert: jeden Tag in Lebensgefahr zu verbringen. Dies ist keine Übung. Der Drache lebt in der Nähe, und es gibt nichts, was ihn davon abhält, anzugreifen. Es ist unwahrscheinlich, dass er es tun wird, da er habsüchtig den Schatz auf seiner eigenen Insel bewacht, und Drachen nicht gerne ihre Schätze unbewacht lassen. Doch ihr werdet ihn brüllen hören und bei Nacht seine Flammenstöße sehen. Und wenn wir ihn irgendwie erzürnen, gibt es keine Gewissheit, was alles passieren kann.“

      Thor hörte ein weiteres tiefes Grollen, sah einen weiteren Flammenstoß am Horizont und sah die Insel immer näher kommen, umspült von tosenden Wellen. Er blickte zu den steilen Klippen hoch, einer schieren Felswand, und fragte sich, wie sie jemals nach oben auf ihr flaches und trockenes Land gelangen würden.

      „Aber ich kann nirgends sehen, wo ein Schiff anlegen könnte“, sagte Thor.

      „Das wäre zu einfach“, schoss Kolk zurück.

      „Und wie kommen wir dann auf die Insel?“, fragte O’Connor.

      Kolk grinste auf sie hinunter; es war ein fieses Grinsen.

      „Ihr schwimmt“, sagte er.

      Einen Moment lang fragte sich Thor, ob er scherzte; doch dann erkannte er an seinem Gesichtsausdruck, dass es ihm ernst war. Thor schluckte.

      „Schwimmen?“, wiederholte Reece ungläubig.

      „Diese Wasser strotzen vor Ungeheuern!“, sagte Elden.

      „Oh, das ist das geringste Problem“, fuhr Kolk fort. „Diese Fluten sind tückisch; diese Wirbel können euch in die Tiefe reißen; diese Wellen werden euch gegen diese scharfen Felsen schmettern; das Wasser ist heiß; und wenn ihr es an den Felsen vorbei geschafft habt, müsst ihr einen Weg finden, diese Klippen hoch auf festen Boden zu klettern. Wenn die Meereskreaturen euch nicht vorher erwischen. Willkommen in eurem neuen Zuhause.“

      Thor stand mit den anderen an der Reling und starte auf das schäumende Meer hinunter. Das Wasser wirbelte unter ihm wie ein lebendiges Wesen, die Strömungen wurden jede Sekunde stärker, schaukelten das Boot und erschwerten es ihm, das Gleichgewicht zu halten. Unter ihm tosten die aufgewühlten Fluten, ein helles Rot, das das Blut der Hölle selbst zu enthalten schien. Schlimmer noch: wie Thor bei näherer Beobachtung feststellte, wurden diese Gewässer alle paar Fuß getrübt vom Auftauchen eines weiteren Seeungeheuers, das hervorkam, mit langen Zähnen schnappte und wieder untertauchte.

      Ihr Schiff senkte plötzlich den Anker, weitab vom Ufer, und Thor schluckte. Er blickte zu den Felsen hoch, die die Insel umringten, und fragte sich, wie sie es von hier dorthin schaffen sollten. Das Tosen der Wellen kam jede Sekunde näher, und die anderen mussten rufen, um gehört zu werden.

      Er sah zu, wie mehrere kleine Ruderboote zu Wasser gelassen und dann von den Kommandanten weit vom Schiff weggeführt wurden, gut dreißig Schritt entfernt. Sie würden es ihnen nicht einfach machen: sie würden schwimmen müssen, um sie zu erreichen.

      Beim Gedanken daran wurde Thor flau im Magen.

      „SPRINGT!“, schrie Kolk.

      Zum ersten Mal verspürte Thor Angst. Er fragte sich, ob ihn das zu einem geringeren Legionär machte, einem geringeren Krieger. Er wusste, dass Krieger zu allen Zeiten furchtlos sein sollten, doch er musste sich eingestehen, dass er gerade Furcht verspürte. Er hasste die Tatsache und wünschte, es wäre anders. Doch so war es.

      Als Thor


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