Marsch der Könige. Морган Райс

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Marsch der Könige - Морган Райс


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da waren. Er blinzelte verwirrt. Seine Bediensteten ließen ihn niemals alleine. Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal in diesem Zimmer allein gewesen war, nur er selbst. Er konnte sich nicht entsinnen, sie fortgeschickt zu haben. Was noch seltsamer war: seine Tür stand weit offen.

      In dem Moment hörte MacGil ein Geräusch aus der anderen Ecke des Zimmers und drehte sich dorthin um. Dort an der Wand, aus den Schatten in das Kerzenlicht tretend, war ein Mann, groß und schlank, in einen schwarzen Umhang gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. MacGil blinzelte mehrmals und fragte sich, ob er schon Trugbilder sah. Zuerst war er sich noch sicher, dass es nur Schatten waren, und das Flackern der Fackeln seinen Augen einen Streich spielte.

      Doch einen Augenblick später war die Gestalt einige Schritte nähergetreten und kam flink auf sein Bett zu. MacGil versuchte, bei dem schwachen Licht zu erkennen, wer es war; instinktiv richtete er sich auf und, alter Krieger, der er war, griff nach seinem Gürtel, für ein Schwert oder zumindest einen Dolch. Doch er hatte sich entkleidet und es waren keine Waffen zur Hand. Unbewaffnet saß er auf seinem Bett.

      Die Gestalt bewegte sich nun sehr schnell, wie eine Schlange in der Nacht, immer näher kommend. Als MacGil sich aufsetzte, konnte er ihr Gesicht sehen. Das Zimmer drehte sich nach wie vor und seine Trunkenheit verhinderte, dass er klar mitbekam, was passierte, doch einen Moment lang hätte er schwören können, dass es das Gesicht seines Sohnes war.

      Gareth?

      MacGils Herz wurde von einer plötzlichen Panik gepackt, als er sich wunderte, was er hier bloß suchen konnte, unangekündigt, so spät in der Nacht.

      „Mein Sohn?“, rief er aus.

      MacGil sah die mörderische Absicht in seinen Augen, und mehr brauchte er nicht zu sehen—er setzte an, aus dem Bett zu springen.

      Doch die Gestalt bewegte sich zu schnell. Sie sprang in Aktion, und bevor MacGil noch schützend den Arm heben konnte, blitzte Metall im Licht der Fackeln auf und flink, zu flink, schnitt eine Klinge durch die Luft—und versenkte sich in seinem Herzen.

      MacGil schrie auf, ein tiefer, dunkler Schmerzensschrei, und der Klang seines eigenen Schreis überraschte ihn. Es war ein Schrei, den er im Kampf zu oft gehört hatte. Es war der Schrei eines Kriegers, der tödlich verwundet war.

      MacGil fühlte, wie das kalte Metall durch seine Rippen brach, sich durch Muskel bohrte, mit seinem Blut vermengte, dann tiefer, immer tiefer vordrang, der Schmerz intensiver, als er je für möglich gehalten hatte, während es scheinbar ohne Ende weiter vordrang. Mit einem scharfen Atemzug spürte er, wie sein Mund sich mit heißem, salzigem Blut füllte. Das Atmen fiel ihm schwer. Er zwang sich dazu, hochzublicken, auf das Gesicht hinter der Kapuze. Er war überrascht: er hatte sich geirrt. Es war nicht das Gesicht seines Sohnes. Es war jemand anderes. Jemand, den er erkannte. Er konnte sich nicht erinnern, wer er war, doch es war jemand, der ihm nahestand. Jemand, der aussah wie sein Sohn.

      Verwirrung zermarterte seinen Geist, als er sich abmühte, dem Gesicht einen Namen zuzuordnen.

      Während sich die Gestalt mit dem Messer in der Hand über ihn beugte, brachte es MacGil irgendwie zustande, eine Hand zu heben und dem Mann gegen die Schulter zu stoßen, im Versuch, ihn aufzuhalten. Er spürte ein Aufwallen der alten Krieger-Kraft in sich, spürte die Kraft seiner Ahnen, spürte den Teil von ihm tief in seinem Inneren, der ihn zum König machte, der ihn nicht aufgeben ließ. Mit einem gewaltigen Stoß schaffte er es, den Attentäter mit ganzer Kraft zurückzustoßen.

      Der Mann war dünner, schmächtiger als MacGil gedacht hatte; er stolperte mit einem Aufschrei rückwärts und taumelte durch das Zimmer. MacGil schaffte es, aufzustehen und mit enormer Anstrengung das Messer zu fassen und aus seiner Brust zu ziehen. Er warf es quer durch den Raum und es pralle klirrend gegen den Steinboden, schlitterte daran entlang und krachte in die gegenüberliegende Wand.

      Der Mann, dessen Kapuze ihm auf die Schultern heruntergefallen war, rappelte sich auf und starrte MacGil mit weit aufgerissenen Augen entsetzt entgegen, als dieser auf ihn losstürmte. Er rannte quer durchs Zimmer davon, gerade lange genug pausierend, um auf dem Weg hinaus den Dolch aufzuheben.

      MacGil versuchte, ihm nachzujagen, doch der Mann war zu schnell, und plötzlich wallte der Schmerz auf und fuhr ihm durch die Brust. Er spürte, wie er schwächer wurde.

      MacGil stand alleine in seinem Zimmer und blickte hinunter auf das Blut, das von seiner Brust in seine offenen Handflächen quoll. Er sank auf die Knie.

      Er spürte, wie sein Körper kälter wurde, lehnte sich zurück und versuchte, Hilfe zu rufen.

      „Wachen“, rief er schwächlich.

      Er holte tief Luft, und unter unsäglichen Qualen brachte er seine tiefe Stimme hervor. Die Stimme eines einstigen Königs.

      „WACHEN!“, ertönte sein gellender Schrei.

      In einem fernen Korridor hörte er Schritte, die langsam näher kamen. Er hörte, wie eine entfernte Tür geöffnet wurde, spürte, wie Körper sich ihm näherten. Doch das Zimmer drehte sich erneut, und diesmal kam es nicht vom Wein.

      Das letzte, was er sah, war der kalte Steinboden, der seinem Gesicht entgegenkam.

      KAPITEL ZWEI

      Thor packte den eisernen Griff der enormen Holztüre vor ihm und zerrte mit aller Kraft. Sie öffnete sich langsam, knarrend, und vor ihm tat sich die Schlafkammer des Königs auf. Er machte einen Schritt hindurch, und als er über die Schwelle, trat spürte er, wie sich die Haare auf seinen Armen aufrichteten. Er konnte eine tiefe Dunkelheit hier spüren, die wie ein Nebel in der Luft lag.

      Thor trat ein paar Schritte in die Kammer hinein, hörte das Knistern der Fackeln an den Wänden, als er sich dem Körper näherte, der als Haufen auf dem Boden lag. Er konnte bereits spüren, dass es sich um den König handelte, und dass er ermordet worden war—dass er, Thor, zu spät gekommen war. Thor musste sich wundern, wo die Wachen waren; warum niemand hier war, um ihn zu retten.

      Thors Knie wurden schwach, während er die letzten Schritte zum Körper zurücklegte; er kniete sich auf den Steinboden, packte die schon kalten Schultern und drehte den König herum.

      Da lag MacGil, sein einstiger König, mit weit offenen Augen, tot...

      Thor blickte hoch und sah plötzlich den Tischdiener des Königs über ihnen stehen. Er hielt einen großen, juwelenbesetzten Kelch aus massivem Gold mit Reihen von Rubinen und Sapphiren, den Thor vom Festmahl her erkannte. Den Blick starr auf Thor gerichtet, goss der Diener ihn langsam auf die Brust des Königs. Der Wein spritzte Thor ins Gesicht.

      Thor hörte ein Kreischen und erblickte seinen Falken, Estopheles, auf der Schulter des Königs sitzen; sie leckte den Wein von seinen Wangen.

      Thor hörte ein Geräusch und sah Argon, der über ihn gebeugt war und streng auf ihn hinab blickte. In einer Hand hielt er die glänzende Krone. In der anderen seinen Stab.

      Argon kam auf Thor zu und setzte ihm die Krone fest aufs Haupt. Thor konnte sie spüren, ihr Gewicht, das sich gegen seinen Kopf drückte; sie passte wie angegossen, und das Metall schmiegte sich an seine Schläfen. Er blickte staunend zu Argon hoch.

      „Du bist nun König“, verkündete Argon.

      Thor blinzelte, und als er die Augen öffnete, standen vor ihm sämtliche Mitglieder der Legion, der Silbernen; hunderte Männer und Jungen waren in die Kammer gepfercht, ihre Gesichter ihm zugewandt. Wie eine Einheit knieten sie nieder und verbeugten sich vor ihm, ihre Köpfe tief zu Boden geneigt.

      „Unser König“, ertönte ein Chor an Stimmen.

      Thor schreckte aus dem Schlaf hoch. Er saß aufrecht da, keuchend, und blickte sich in alle Richtungen um. Hier drin war es dunkel und feucht, und er erkannte, dass er auf einem Steinboden saß, mit dem Rücken gegen die Wand. Er kniff die Augen zusammen und blickte in die Dunkelheit, sah eiserne Gitterstäbe in der Ferne, dahinter eine flackernde Fackel. Dann erinnerte er sich: der Kerker. Sie hatten ihn nach dem Festmahl hier heruntergeschleppt.


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