Queste der Helden . Морган Райс
Читать онлайн книгу.Ihr versteht nicht. Ich muss—“
Der Wachmann streckte die Hand aus und packte Thor am Hemd.
„Du verstehst wohl nicht, du unverschämter kleiner Junge. Wie kannst du es wagen, hier aufzutauchen und zu versuchen, dich hineinzuzwängen? Und jetzt hau ab—bevor ich dich in Ketten lege.“
Er versetzte Thor einen Stoß, der ihn mehrere Fuß weit zurückwarf.
Thor spürte ein Stechen auf der Brust, wo die Hand des Wachmanns ihn gestoßen hatte—doch umso mehr spürte er den Stich der Abweisung. Er war empört. Er war nicht bis hierher gekommen, um von einem Wachmann abgewiesen zu werden, ohne überhaupt angesehen worden zu sein. Er war entschlossen, es bis hinein zu schaffen.
Der Wachmann drehte sich wieder seinen Männern zu, und Thor zog langsam von dannen, links um das kreisförmige Gebäude herum. Er hatte einen Plan. Er ging weiter, bis er außer Sichtweite war, dann verfiel er in ein gemächliches Lauftempo, seinen Weg an der Mauer entlang ziehend. Er versicherte sich, dass die Wachen ihn nicht beobachteten, dann wurde er schneller. Als er den Bau zur Hälfte umrundet hatte, fand er eine weitere Möglichkeit, in die Arena zu gelangen: hoch oben befanden sich gewölbte Öffnungen im Stein, die von Eisengittern versperrt waren. In einer dieser Öffnungen fehlte das Gitter. Er hörte erneut Gejubel, zog sich auf die Kante hoch und blickte hinein.
Sein Herz schlug höher. Da, über den riesigen, kreisrunden Trainingsplatz verteilt, standen dutzende Rekruten—einschließlich seiner Brüder. In Reih und Glied aufgestellte standen sie einem Dutzend der Silbernen gegenüber. Des Königs Mannen gingen durch die Reihen und begutachteten sie.
Eine weitere Gruppe von Rekruten stand etwas abseits, unter den wachsamen Augen eines Soldaten, und warf Speere auf ein fernes Ziel. Einer von ihnen warf daneben.
Thors Adern brannten vor Empörung. Er hätte dieses Ziel treffen können; er war genauso gut wie jeder Beliebige von denen. Nur weil er jünger war, etwas kleiner vielleicht, war es noch lange nicht gerecht, dass er übergangen wurde.
Plötzlich spürte Thor eine Hand auf seinem Rücken, wurde nach hinten gerissen und flog durch die Luft. Er landete hart auf dem Boden unter ihm; der Aufprall nahm ihm den Atem.
Er blickte hoch und sah den Wachmann vom Tor, der höhnisch auf ihn herabblickte.
„Was habe ich dir gesagt, Junge?“
Bevor er reagieren konnte, holte der Wachmann aus und verpasste Thor einen kräftigen Tritt. Thor spürte einen scharfen Schlag gegen seine Rippen, und der Wachmann holte zu einem weiteren Tritt aus.
Diesmal fing Thor den Fuß des Wachmanns in der Luft ab; er zog an ihm, bis dieser das Gleichgewicht verlor und hinfiel.
Thor stand schnell wieder auf den Füßen. Zur gleichen Zeit stand auch der Wachmann wieder auf. Thor starrte ihn an, schockiert darüber, was er gerade getan hatte. Ihm gegenüber blickte der Wachmann zornig zurück.
„Ich werde dich nicht nur in Ketten legen“, fauchte der Wachmann, „ich werde dich für das hier auch bezahlen lassen. Niemand vergreift sich an einer königlichen Wache! Einen Beitritt zur Legion kannst du vergessen—jetzt wirst du in den Kerkern versauern! Du hättest Glück, wenn dich je wieder jemand zu Gesicht bekäme!“
Der Wachmann holte eine Kette mit Schellen an den Enden hervor. Er trat Thor mit einem rachsüchtigen Ausdruck auf dem Gesicht näher.
Thors Gedanken rasten. Er konnte nicht zulassen, dass er in Ketten gelegt wurde—aber ein Mitglied der königlichen Wache verletzen wollte er auch nicht. Er musste sich etwas einfallen lassen—und zwar schnell.
Da fiel ihm seine Schleuder ein. Seine Reflexe übernahmen die Kontrolle, als er sie packte, einen Stein auflegte, zielte, und losließ.
Der Stein flog durch die Luft und schlug dem verblüfften Wachmann die Fesseln aus der Hand; er traf aber auch die Finger des Mannes. Der Wachmann zog die Hand zurück und schüttelte sie brüllend vor Schmerz, während die Fesseln zu Boden rasselten.
Der Wachmann warf Thor einen mörderischen Blick zu. Er zog sein Schwert. Es kam mit einem unverkennbaren metallischen Klingen zum Vorschein.
„Das war dein letzter Fehler“, grollte er bedrohlich und griff an.
Thor hatte keine Wahl: dieser Mann würde ihn einfach nicht in Ruhe lassen. Er legte einen weiteren Stein in seine Schleuder und schoss. Er zielte bewusst: er wollte den Mann nicht töten, aber er musste ihn aufhalten. Anstatt also auf sein Herz, seine Nase, Augen oder seinen Kopf zu zielen, zielte Thor auf die eine Stelle, von der er wusste, es würde ihn aufhalten, aber nicht umbringen.
Zwischen seine Beine.
Er ließ den Stein fliegen—nicht mit voller Kraft, aber ausreichend, um den Mann zu Boden zu bringen.
Es war ein perfekter Treffer.
Der Wachmann kippte vornüber, ließ sein Schwert fallen, hielt sich den Schritt, brach auf den Boden zusammen und krümmte sich.
„Dafür wirst du hängen“, ächzte er unter Schmerzen. „Wache! Wache!“
Thor blickte hoch und sah in der Ferne mehrere Männer der königlichen Wache auf ihn zulaufen.
Jetzt oder nie.
Ohne einen weiteren Augenblick zu vergeuden, spurtete er auf die Kante unter dem Fenster zu. Er würde durchspringen müssen, in die Arena hinein, und auf sich aufmerksam machen müssen. Und er würde jeden bekämpfen, der sich ihm in den Weg stellte.
KAPITEL FÜNF
MacGil saß in der oberen Halle seiner Burg, in seiner Kammer für vertraulichere Besprechungen, die er für persönliche Angelegenheiten benutzte. Er saß auf seinem persönlichen Thron—dieser war aus Holz gefertigt—und blickte auf die vier seiner Kinder, die vor ihm standen. Zuerst sein ältester Sohn, Kendrick, mit seinen fünf-und-zwanzig Jahren ein feiner Krieger und ein wahrer Edelmann. Von allen Kindern sah er MacGil am meisten ähnlich—was ironisch war, da er ein Bastard war, MacGils einziger Nachkomme von einer anderen Frau; einer Frau, die er längst vergessen hatte. MacGil hatte Kendrick trotz der anfänglichen Proteste seiner Königin mit seinen ehelichen Kindern gemeinsam aufgezogen, unter der Bedingung, dass er nie den Thron besteigen würde. Darunter litt MacGil nun, da Kendrick der anständigste Mann war, den er je gekannt hatte; ein Sohn, der ihn stolz machte, sein Vater zu sein. Das Königreich könnte sich keinen feineren Nachfolger wünschen.
Im starken Kontrast dazu stand neben ihm sein zweitgeborener—jedoch der erstgeborene legitime—Sohn Gareth, drei-und-zwanzig, mager, mit hohlen Wangen und großen braunen Augen, die pausenlos in Bewegung waren. Charakterlich konnte er seinem älteren Bruder nicht unähnlicher sein. Gareths Charakter war alles, was Kendricks nicht war: wo sein Bruder offenherzig war, versteckte Gareth seine wahren Gedanken; wo sein Bruder stolz und nobel war, war Gareth durchtrieben und hinterlistig. Es schmerzte MacGil, dass er seinen eigenen Sohn nicht leiden konnte, und er hatte viele Male versucht, dessen Natur geradezubiegen; doch es kam ein Punkt in den Jugendjahren des Jungen, an dem er sich eingestehen musste, dass seine Natur festgelegt war: intrigant, machthungrig, und alle falschen Arten von ehrgeizig. Gareth, so wusste MacGil auch, hatte nichts für Frauen übrig und hatte zahlreiche Liebhaber. Andere Könige hätten einen solchen Sohn verstoßen, doch MacGil war aufgeschlossener und für ihn stellte dies keinen Grund dar, ihn nicht zu lieben. Er verurteilte ihn nicht dafür. Wofür er ihn sehr wohl verurteilte, war seine boshafte, intrigante Natur, über die er nicht einfach hinwegsehen konnte.
In der Reihe neben Gareth stand MacGils zweitgeborene Tochter Gwendolyn. Gerade erst ihr sechzehntes Lebensjahr erreicht, war sie eines der schönsten Mädchen, die seine Augen je gesehen hatten—und ihr Gemüt überstrahlte sogar ihr Aussehen: sie war gütig, großherzig, aufrichtig—die feinste junge Frau, die er je gekannt hatte. In dieser Hinsicht war sie seinem Kendrick ähnlich. Sie sah MacGil mit der Liebe einer Tochter für ihren Vater an, und er spürte stets ihre Loyalität, mit jedem Blick. Er war auf sie sogar noch