Fadette. Жорж Санд

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Fadette - Жорж Санд


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und ihr kleines Häuschen. Trotzdem ging sie nicht darauf aus sich ihr Brot bei anderen zu suchen, denn sie besaß große Kenntnisse, was die Schäden und Gebrechen der Menschen betrifft, und von allen Seiten kam man herbei, um sich ihren Rat zu holen. Sie war im Besitz geheimnisvoller Mittel, mit denen sie Wunden, Verrenkungen und andere Verstümmelungen zu heilen verstand. Sie that wohl etwas zu groß damit, denn manchmal geschah es, daß sie jemanden von den seltsamsten Krankheiten befreit haben wollte, die er nie gehabt hatte. Ich, für meinen Teil, habe an alle diese Zauberkünste nicht recht geglaubt; ebensowenig an das, was man sich alles von ihr erzählte. Daß sie z. B. bewirken könne, daß die Milch von einer guten Kuh in den Körper einer schlechten übergehe, mochte diese auch noch so alt und ungenügend ernährt sein.

      Aber sie verstand sich auch auf gute und wirksame Heilmittel, die sie gegen Erkältungen anwandte. Dann hatte sie unfehlbare Pflaster für Schnitt- und Brandwunden und selbstbereitete Tränke gegen das Fieber. So konnte es gar nicht zweifelhaft sein, daß sie sich ein schönes Stück Geld verdiente und auch eine Menge von Kranken wieder herstellte, welche durch die Ärzte umgebracht sein würden, wenn sie sich deren Heilmethode unterzogen hätten. Wenigstens sagte sie dies, und Personen, denen sie einmal geholfen hatte, zogen es auch für die Zukunft vor, lieber ihr zu glauben, als daß sie es mit den Ärzten gewagt hätten.

      Da man auf dem Lande nie in den Ruf der Weisheit kommen kann, wenn man sich nicht auch etwas auf Zauberei versteht, waren viele der Meinung, die Mutter Fadet verstehe noch mehr davon, als sie es Wort haben wolle. So schrieb man ihr auch die Macht zu, verlorene Sachen, ja sogar verlorene Personen wieder auffinden zu können. Kurz, da sie vielen Verstand und ein tüchtiges Urteil besaß, um in manchen Fällen, wo es nicht gegen die Möglichkeit stritt, jemanden aus einer Verlegenheit herauszuhelfen, folgerte man des Weiteren daraus, daß sie auch das Unmögliche bewirken könne.

      Wie die Kinder gern allerlei Arten von Erzählungen anhören, so hatte Landry in la Priche, wo die Leute bekanntlich leichtgläubiger und einfältiger sind, als in la Cosse, davon reden hören, daß die Mutter Fadet, vermittelst eines gewissen Samenkornes, welches sie, einige Worte dabei murmelnd, ins Wasser werfe, den Leichnam eines Ertrunkenen wieder auffinden könne. Das Samenkorn schwamm dann obenauf und glitt mit dem Wasser fort, und an der Stelle, wo man es endlich liegen bleiben sah, konnte man sicher sein, den Körper des Verunglückten zu finden. Es giebt viele, die da glauben, daß geweihtes Brot dieselbe Eigenschaft habe, und es wird kaum eine Mühle geben, wo man nicht stets ein solches zu diesem Zwecke aufbewahrte. Landry indessen hatte keins, aber die Mutter Fadet wohnte ja ganz nahe bei der Wiese, und die Macht des Kummers schließt lange Überlegungen aus.

      Wir sehen also Landry auf die Behausung der Mutter Fadet zu eilen. Er klagte ihr seine Not und bat sie mit ihm zu gehen, bis zu dem verhängnisvollen Einschnitt am Ufer des Flusses, um zu versuchen, ob sie ihm durch ihr Geheimmittel nicht dazu verhelfen könne, seinen Bruder wieder aufzufinden, sei es nun tot oder lebendig.

      Mutter Fadet, der es durchaus nicht angenehm war, wenn ihr Ruhm übertrieben wurde, und die ihre Künste auch nicht gern umsonst benutzen ließ, lachte ihn aus und hieß ihn mit ziemlich barschen Worten weiter gehen. Es war ihr nicht recht gewesen, daß man auf dem Zwillingshofe, wenn die Frau der Entbindung nahe war, nicht sie, sondern die Sagette hatte kommen lassen.

      Landry, der eine etwas stolze Natur war, würde zu jeder anderen Zeit vielleicht eine entsprechende Antwort gegeben haben, oder böse geworden sein. Jetzt aber war er so gebeugt, daß er ohne ein Wort der Erwiderung sich umwandte und nach dem Einschnitt zurückkehrte. Er war fest entschlossen auf dem Grunde des Flusses nachzusehen, obgleich er weder schwimmen noch untertauchen konnte. Wie er so mit gesenktem Kopfe und zu Boden gerichteten Blicken dahinschritt, fühlte er plötzlich, daß ihn jemand auf die Schultern schlug; als er sich umwandte, erblickte er die Enkelin der Mutter Fadet, welche in der Gegend die kleine Fadette genannt wurde, teils weil dies ihr Familienname war, und teils, weil man meinte, daß sie auch etwas von der Zauberei verstehe. Es wird allen bekannt sein, daß Fadet oder der Farfadetto, an anderen Orten auch Poltergeist genannt, ein sehr niedlicher, aber etwas boshafter Kobold ist. Man nennt auch die Feen so, an die man aber bei uns zu Lande nicht recht mehr glauben will. Aber, was eine Fee, oder ein weiblicher Kobold sei, würde jeder beim Anblick der kleinen Fadette leicht begriffen haben. Sie war so klein, so mager, war so keck und hatte ein so zerzaustes Haar, daß jeder, der sie sah, einen Poltergeist vor sich zu haben glaubte. Sie war ein redseliges Kind von spöttischem Wesen, leicht beweglich wie ein Schmetterling, neugierig wie ein Rotkehlchen und sonnenverbrannt wie eine Grille.

      Wenn ich die kleine Fadette mit einer Grille vergleiche, so will ich damit sagen, daß sie nichts weniger als schön war, denn diese arme kleine zirpende Sängerin der Felder ist noch häßlicher als die Heimchen an unserem Herde. Und doch, wer sich noch aus seiner Kinderzeit daran erinnert, mit einer Grille gespielt zu haben, sie in seinem Holzpantoffel herum rasen und schreien ließ, der wird es wissen, daß ihr Gesichtchen nicht eben dumm aussieht, und daß sie eher Lachlust als Zorn erregt. So kam es, daß die Kinder von la Cosse, die nicht einfältiger sind als andere, und auch eben so rasch damit bei der Hand sind, Ähnlichkeiten aufzufinden und Vergleiche anzustellen, die kleine Fadette, wenn sie diese in Zorn bringen wollten, die Grille nannten. Sie thaten dies sogar manchmal aus Zuneigung; denn, obgleich sie dieselbe wegen ihrer Schelmerei ein wenig fürchteten, so waren sie ihr doch durchaus nicht abgeneigt, weil sie ihnen allerlei hübsche Geschichten zu erzählen, und immer wieder neue Spiele zu zeigen wußte, denn sie hatte einen erfinderischen Geist.

      Aber über allen diesen Namen und Spitznamen, hätte ich beinah vergessen ihren wirklichen Namen zu nennen, den sie in der Taufe erhalten hatte, und den meine verehrten Leser später vielleicht doch gern wissen möchten. Sie hieß also Franziska, und ihre Großmutter, die es nicht leiden konnte, die Namen zu verdrehen, nannte sie deshalb immer Fränzchen.

      Da schon seit langer Zeit zwischen den Leuten auf dem Zwillingshofe und der Mutter Fadet eine gewisse Spannung herrschte, redeten die Zwillinge nicht viel mit der kleinen Fadette, ja, sie legten sogar ihr gegenüber eine gewisse Entfremdung an den Tag. Sie hatten nie sehr gern mit ihr gespielt; ebensowenig mit ihrem Bruder, dem Grashüpfer, der noch magerer und boshafter war als sie, und der ihr überall am Rocke hing; wenn sie fortlief, ohne auf ihn zu warten, wurde er böse, und wenn sie sich über ihn lustig machte, geriet er in einen solchen Zorn, wie man ihn einem so kleinen Bengel nicht hätte zutrauen sollen, und versuchte es, mit Steinen nach ihr zu werfen. Sie ärgerte sich oft mehr über ihn, als sie selbst es wollte, denn sie war von heiterer Gemütsart und mochte gern über alles hinweglachen. In Bezug auf die Mutter Fadet machte man sich in der Gegend solche Vorstellungen, daß es gewisse Leute gab, und ganz besonders im Hause des Vaters Barbeau, die sich einbildeten, daß es ihnen Unglück bringen würde, wenn sie mit der Grille und dem Grashüpfer, oder wenn man es lieber hört, mit dem Heimchen und dem Heupferd, zu vielen Verkehr hielten. Dies verhinderte jedoch die Zwillinge nicht mit den beiden zu reden, denn sie ließen sich nicht so leicht in Schrecken jagen. Auch verfehlte die kleine Fadette nicht, sobald sie die beiden Brüder vom Zwillingshofe herankommen sah, sich ihnen schon von weitem mit allerlei Possen und Neckereien zu nähern.

      Neuntes Kapitel

      Als der arme Landry sich etwas verdrossen über den Schlag, den man ihm eben auf die Schulter versetzt hatte, umwandte, erblickte er die kleine Fadette, und gleich hinterdrein ihren Jeannet, den Grashüpfer, der ihr hinkend folgte, denn er war von Geburt an krüppelhaft und krummbeinig gewesen.

      Anfangs wollte Landry, ohne auf die beiden zu achten, seines Weges gehen, denn er war gewiß nicht in der Stimmung auf andere Dinge einzugehen. Die Fadette aber rief, indem sie ihm noch einen zweiten Schlag auf die andere Schulter versetzte: »Seht! Seht! den garstigen Zwilling, diese Hälfte von einem Burschen, der seine andere Hälfte verloren hat!«

      Landry, der ebensowenig in der Stimmung war sich beleidigen, wie sich necken zu lassen, drehte sich abermals um und versetzte der kleinen Fadette einen Schlag mit der Faust, den sie sicherlich gefühlt haben würde, wäre sie nicht rechtzeitig auf die Seite gesprungen, denn der Zwilling zählte seine fünfzehn Jahre, war kein Schwächling und wußte seine Hände zu gebrauchen. Die Fadette stand im vierzehnten Jahre und war so klein und zierlich gebaut, daß man sie für nicht älter als zwölf hätte halten können. Ihrem ganzen Aussehen nach hätte man denken sollen, sie müsse schon vom bloßen Anrühren


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