Teverino. Жорж Санд

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Teverino - Жорж Санд


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sie uns langweilen.«

      Wenige Augenblicke nachher hatte der Jockey die Befehle seines Herrn erhalten, ohne daß Sabina sie hörte. An seiner Seite auf dem breiten, niedern Sitz des Charabancs lächelte ihm die mit einem großen, weißen Sonnenschirm bewaffnete Negerin zu. Lady G*** lag, nachlässig ausgestreckt im Hintergrunde, und ihr gegenüber saß ehrerbietig Leonce, der die Landschaft betrachtete und schwieg; seine Pferde eilten wie der Wind dahin.

      Es war das erste Mal, daß Sabina mit Leonce ein Zusammensein unter vier Augen wagte, das länger und traulicher sein konnte, als sie sich’s Anfangs vorgestellt hatte. Ungeachtet eine einfache Spazierfahrt im Plan lag und die beiden jungen Diener zugegen waren, die ihnen den Rücken wandten und viel zu lustig mit einander plauderten, um sich einfallen zu lassen, die Unterhaltung ihrer Gebieter zu behorchen, fühlte Sabina, daß sie doch zu jung sei, als daß diese Lage nicht einer Unbesonnenheit gliche; sie dachte daran, als sie das letzte Gitter des Parks hinter sich hatten.

      Leonce schien indeß so wenig geneigt, aus seiner Rolle Vortheil zu ziehen, er war so ernst und so ganz in das Schauspiel des Sonnenaufgangs vertieft, der ein Lichtmeer über die Landschaft auszuströmen begann, daß sie ihre Verlegenheit nicht an den Tag zu legen wagte, und im Gegentheil sie überwinden zu müssen glaubte, um so ruhig, wie er, zu scheinen.

      Sie fuhren einen steilen Weg hinan, von welchem aus man den ganzen Umkreis des grünenden Thales, den Lauf der Waldströme und die mit ewigem Schnee bedeckten Berge übersah, welche die ersten Sonnenstralen in Purpur und Gold tauchten.

      »Das ist herrlich!« sagte endlich Sabina, einen Ausruf Leonce’s beantwortend; »aber wissen Sie, daß bei Gelegenheit dieses Sonnenaufgangs ich wider Willen an meinen Mann denke?«

      »Wirklich, bei dieser Gelegenheit!« sagte Leonce, »wo ist er?«

      »Ach, er ist ja auf der Villa; er schläft.«

      »Und erwacht er zeitig?«

      »Je nachdem Lord G*** ist, je nach dem Quantum Wein, das er beim Nachtessen getrunken, mehr oder weniger früh. Und wie kann ich es wissen, weil ich mich jener englischen Regel unterworfen habe, die eine so prächtige Erfindung ist, um die Frauen zu hindern, die Unmäßigkeit der Männer in Schranken zu halten?«

      »Aber im Mittelpunkt des Tages?«

      »Zu Mittag. Da werden wir wieder bei Hause sein?«

      »Ich weiß nicht, Madame, das hängt nicht von Ihrem Willen, ab.«

      »Ist’s wahr? Ich höre Sie gern so scherzen; das schmeichelt meinem Verlangen nach dem Unbekannten, Neuen. Doch im Ernste, Leonce? . . .«

      »Im vollen Ernste, Sabina, ich weiß nicht, um wie viel Uhr Sie heimkommen. Sie haben mich ermächtigt, die Anwendung Ihres Tages zu bestimmen.«

      »Nicht doch! Nur die meines Morgens.«

      »Um Verzeihung! Sie haben die Dauer Ihrer Spazierfahrt nicht beschränkt, und bei meinen Plänen bin ich nicht von dem Recht abgestanden, nach Maßgabe meiner Phantasie zu erfinden. Wenn Sie meinem Genie Zügel anlegen, so stehe ich für Nichts mehr.«

      »Was soll das heißen?«

      »Daß ich Sie Ihrem Todfeinde, der Langeweile überlassen werde.«

      »Welche Tyrannei! Wenn aber am Ende durch einen seltsamen Zufall Lord G*** gestern Abend nüchtern geblieben wäre? . . .«

      »Mit wem hat er zu Nacht gegessen?«

      »Mit Lord H***, mit Herrn D***, mit Sir I***, kurz mit einem Halbdutzend seiner lieben Landsleute.«

      »In diesem Fall seien Sie ruhig, er wird vorerst die Sonnenuhr ihre Runde machen lassen.«

      »Wenn Sie sich aber täuschen?«

      »Ach, Madame, wenn Sie schon an der Vorsehung, das heißt, an mir zweifeln, der ich heute an Gottes Stelle über ihr Schicksal wache, wenn der Glaube Ihnen mangelt, wenn Sie vor- und rückwärts schauen, so entwischt uns der gegenwärtige Augenblick und mit ihm meine Allmacht.«

      »Sie haben Recht, Leonce, ich lasse durch diese Erinnerungen an das wirkliche Leben meine Einbildungskraft erlöschen. Meinethalben! erwache Lord G*** wenn er wolle; frage er mir nach, erfahre er, daß ich mit Ihnen im Land umherkutschire, was thuts?«

      »Erstens ist er ja nicht eifersüchtig auf mich.«

      »Er ist auf Niemand eifersüchtig, aber der Anstand, aber die britische Prüderie!«

      »Was wird er im schlimmsten Falle thun?«

      »Er wird den Tag verwünschen, wo er sich’s in den Kopf gesetzt, eine Französin zu heiraten, und während wenigstens drei Stunden jede Gelegenheit ergreifen, die Reize von Albions großen Puppen herauszustreichen. Er wird zwischen den Zähnen murmeln, daß England die erste Nation des Weltalls sei, daß die unsere ein Narrenhospital sei, daß Lord Wellington Napoleon übertreffe und daß die Docks von London besser gebaut seien, als Venedigs Paläste.«

      »Ist das Alles?«

      »Ist es nicht genug? Solche Dinge anhören zu müssen, ohne ihn auszulachen und ihm widersprechen zu dürfen?«

      »Und was begegnet dann, wenn Sie Ihr verächtliches Schweigen brechen?«

      »Dann speist er mit Lord H***, mit Sir I***, mit Herrn D*** und schläft nachher vierundzwanzig Stunden lang.«

      »Haben Sie ihn gestern erzürnt?«

      »Sehr. Ich habe ihm gesagt, sein englisches Pferd mache eine dumme Miene.«

      »In diesem Fall seien Sie doch ruhig, er wird bis Abends schlafen.«

      »Stehen Sie dafür?«

      »Ich befehle es.«

      »Wohlan denn, Vivat! mögen seine Lebensgeister in Frieden ruhen und seine Ehe eine leichte sein! Wissen Sie Leonce, daß das ein abscheuliches Joch ist?«

      »Ja, es gibt Männer, die ihre Frauen schlagen.«

      »Das ist noch Nichts; es gibt Andere, die sie vor Langeweile zu Grunde gehen lassen.«

      »Ist also das die ganze Ursache Ihres Spleens? Ich glaube es nicht, Mylady.«

      »O! nennen Sie mich nicht Mylady, sonst ist mir, ich sei eine Engländerin. Es ist genug, daß, wenn ich in England bin, man mich überzeugen will, mein Mann habe mich denationalisirt.«

      »Sie beantworten aber ja meine Frage nicht, Sabine?«

      »Ei! was kann ich antworten? Weiß ich die Ursache meines Uebels?«

      »Soll ich sie Ihnen sagen?«

      »Sie haben mir’s schon hundertmal gesagt, kommen wir nicht unnützerweise darauf zurück.«

      »Verzeihung, Verzeihung, Madame. Sie haben mich einen spitzfindigen, bewundrungswürdigen Doktor geheißen, Sie haben mich mit dem Rechte bekleidet, Sie zu heilen, und wär’ es auch nur für einen Tag . . .«

      »Mich zu heilen, indem Sie mir Vergnügen schaffen, und was Sie mir sagen wollen, wird mich langweilen, ich weiß es.«

      »Leere Ausflucht einer Schamhaftigkeit, die ein zärtlicher Liebhaber reizend fände, Ihr gestrenger Arzt aber höchst kindisch findet.«

      »Wohlan, ich ziehe vor, wenn Sie spröde und grob sind. So reden Sie denn.«

      »Der Mangel an Liebe verbittert Sie, Ihre Langeweile ist Sehnsucht nach dem Leben und nicht Lebensüberdruß, Ihr übertriebener Stolz verräth eine unglaubliche Schwäche. Sie müssen lieben, Sabina.«

      »Sie sprechen vom Lieben, als ob es so leicht wäre, wie ein Glas Wasser zu trinken. Ist es mein Fehler, wenn Niemand mir gefällt?«

      »Allerdings ist es Ihr Fehler! Ihr Geist hat eine üble Richtung genommen, Ihr Charakter sich verbittert, Sie haben Ihrer Eigenliebe geschmeichelt und achten sich fortan so hoch, daß Ihnen Niemand Ihrer würdig erscheint. Sie finden, ich sage Ihnen tüchtige Derbheiten, nicht wahr? Würden Sie etwa Fadheiten vorziehen?«

      »O! ich finde Sie heute im Gegentheil allerliebst!« rief Lady G . . ., über deren Gesicht dennoch etwas Unmuth geflogen, lachend. »Wohlan denn,


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