Teverino. Жорж Санд

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Teverino - Жорж Санд


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kniete nun auf das Fußbänkchen zu ihr hin und sagte leise:

      »Ich wette, daß dieser einfältige Pfarrer und die guten Leute da, welche Sie anschauen, von Ihrer Frömmigkeit erbaut sind, Sabina! Ich aber sage mir, daß Sie nur die Außenseite einer Religion achten, an welche Sie nicht mehr glauben.«

      Sie antwortete ihm blos durch Hinweisung auf das Wort Pedant, welches sich in Betreff einer der Personen der umherziehenden Truppe im Wilhelm Meister an mehreren, Stellen vorfindet.

      »Sie wissen wohl, daß ich keine Betschwester bin,« sagte sie nach der Messe zu ihm, während sie mit einander durch das mit kleinen Kapellen umgebene Schiff der Kirche schritten, »ich habe die Religion meiner Zeit.«

      »Das heißt, Sie haben keine Religion?«

      »Ich glaube im Gegentheil, es sei kein Zeitalter religiöser gewesen, in dem Sinne nämlich, daß die großen Geister gegen die Vergangenheit ankämpfen und nach der Zukunft streben. Allein die Gegenwart kann in keinem Tempel Schutz suchen. Warum führten Sie mich in diesen hier?«

      »Gehen Sie nicht sonntäglich in die Messe?«

      »Es ist dies Sache des Anstandes und um nicht die Rolle des Freigeistes zu spielen. Der Sonntag hat religiöse Verpflichtungen und demzufolge einen Weltbrauch aufgestellt.«

      »Ach! Sie sind Heuchlerin.«

      »In der Religion? Nicht doch. Ich verberge Niemanden, daß ich einer Gewohnheit gehorche.«

      »Sie haben sich aus dieser profanen Welt einen Gott geschaffen, und finden es leicht, diesem zu dienen.«

      »Leonce, sollten Sie ein Betbruder sein?« sagte sie, ihn anschauend.

      »Ich bin Künstler,« antwortete er; »ich fühle überall die Gegenwart Gottes, selbst vor diesen rohen Bildern des Mittelalters, die den Ort, in welchem wir uns befinden, irgend einem barbarischen Götzentempel ähnlich machen.«

      »Sie sind gottloser, als ich; diese schrecklichen Fetische, diese cynischen Votivtafeln machen mir Furcht.«

      »Ich sehe, die Vergangenheit ist Ihnen ein Schrecken; sie verderbt Ihnen die Gegenwart. Daß Sie doch die Zukunft nicht verstehen können! Sie lebten im Ideal.«

      »Da, Künstler, schauen Sie hin!« sagte Sabina, seine Aufmerksamkeit auf eine im schaurigen Hintergrund einer Todtenkapelle auf dem Pflaster knieende Figur lenkend.

      Es war ein junges Mädchen, beinahe noch ein Kind, ärmlich; obwohl reinlich gekleidet. Sie war nicht hübsch, allein ihr Gesicht hatte einen ergreifenden Ausdruck und ihre Haltung einen seltsamen Adel. Ein in das feuchte Gewölbe, worin sie betete, verirrter Sonnenstral fiel auf ihren rosigen Nacken und eine prächtige Flechte hellblonder, fast weißlicher Haare, die festanliegend um ein kleines, von rothem, mit verblichenem Golde gestickten Sammt und nach Landessitte mit schwarzen Spitzen verziertes Häubchen geschlungen waren. Sie war trotz des matten Tons ihrer Haare von blühender Gesichtsfarbe. Das helle Blau ihrer Augen erschien unter ihren mattgoldenen, in’s Silber spielenden Wimpern noch glänzender. Ihr allzu kurzes Profil hatte Linien von außerordentlicher Feinheit und Energie.

      »Ei, ei, Leonce, vergessen Sie sich nicht allzusehr in dieser Beschauung,« sagte Sabina zu ihrem Begleiter, welcher wie versteinert vor dem Landmädchen stand, »nur mit mir allein müssen Sie heute beschäftigt sein; wenn Sie zerstreut werden, so bin ich verloren, so langweile ich mich.«

      »Ich denke nur an Sie, während ich diese anschaue. Schauen Sie sie auch an. Sie müssen das verstehen.«

      »Das? Das ist der blinde und dumme Glaube, es ist die noch lebende Vergangenheit, es ist das Volk. Das ist merkwürdig für den Künstler, ich aber bin Poet und bedarf mehr, als des Seltsamen, ich bedarf des Schönen . . . Diese Kleine ist häßlich.«

      »Sie verstehen eben Nichts davon. Sie ist in Bezug auf den seltenen Typus, welchem sie angehört, schön.«

      »Albions Typus.«

      »Nein! Es ist Rubens Farbe mit dem strengen Ausdruck der niederländischen Jungfrauen. Und die Haltung?«

      »Ist steif wie die Zeichnung der ältern Meister. Sie lieben das?«

      »Es liegt Anmuth darin, weil es naiv und überraschend ist. Die Magdalena von Canova ruht, die Jungfrauen der Renaissance wissen, daß sie schön sind; die ältern Modelle sind ganz von einem Wurf, ganz von einem Stücke, man könnte sagen, ganz von einem Ursprung, wie der Gedanke, der sie erblühen ließ.«

      »Und der sie versteinerte . . . Sehen Sie, sie hat ihr Gebet beendigt; reden Sie mit ihr, Sie werden sehen, daß sie ungeachtet des Ausdrucks ihrer Züge dumm ist.«

      »Mein Kind,« sagte Leonce zu dem jungen Mädchen, »Sie scheinen sehr fromm. Wird dieser Kapelle eine besondere Verehrung geweiht?«

      »Nein, mein Herr,« antwortete das junge Mädchen mit einer Verneigung; »wenn ich beten will, so verberge ich mich nur hier, damit mich der Herr Pfarrer nicht sieht.«

      »Und warum fürchtet Ihr die Blicke des Herrn Pfarrers?« fragte Lady G ***.

      »Ich fürchte, er möchte mich fortjagen,« entgegnete die Bergbewohnerin, »unter dem Vormunde, ich hätte eine Todsünde auf mir, duldet er nicht, daß ich die Kirche mehr betrete.«

      Sie gab diese Antwort mit solcher Festigkeit und einem so ungekünstelten und so entschlossenen Wesen zugleich, daß Sabina sich des Lachens nicht enthalten konnte.

      »Ist das wahr?« fragte sie das Mädchen.

      »Ich glaube, der Herr Pfarrer irre sich,« antwortete das Landkind, »und Gott sehe klarer in mein Herz.«

      Hierauf machte sie eine zweite Verneigung und entfernte sich schleunig, denn der Pfarrer, welcher unterdeß sein Priestergewand abgelegt hatte, erschien im Hintergründe des Schiffes.

      Von unsern beiden Reisenden um Aufschluß gebeten, warf der Pfarrer einen Blick auf die entfliehende Sünderin, zuckte die Achseln und sagte in zornigem Tone:

      »Kümmern Sie sich nicht um diese Landstreicherin, sie ist eine verlorene Seele.«

      »Das ist höchst seltsam,« sagte Sabina, »ihr Gesicht drückt nichts dergleichen aus.«

      »Jetzt,« sagte der Pfarrer, »stehe ich Ihrer Gnaden zu Befehl.«

      Man bestieg den Wagen wieder und nach einigen Worten allgemeiner Unterhaltung bat der Pfarrer um Erlaubniß, sein Brevier zu lesen, und bald war er so ganz in diese Andacht versunken, daß Leonce und Sabina sich neuerdings wie unter vier Augen befanden. Aus Rücksicht für den guten Mann, der das Englische nicht zu verstehen schien, schwatzten sie in dieser Sprache, um ihm keine Zerstreuung zu verursachen.

      »Dieser unduldsame Priester, Sklave seiner Paternoster, verspricht uns nicht großes Vergnügen,« sagte Sabina. »Ich glaube, Sie haben ihn angeworben, um mich zu strafen, daß ich wegen des Zusammentreffens mit der Marquise etwas verdrießlich war.«

      »Ich habe vielleicht einen ernstern Beweggrund gehabt,« antwortete Leonce. »Errathen Sie ihn nicht?«

      »Durchaus nicht.«

      »Ich will Ihnen denselben sagen, allein unter der Bedingung, daß sie ihn ganz ernsthaft anhören.«

      »Sie beunruhigen mich!«

      »Das ist schon Etwas. Wissen Sie denn, daß ich diesen Dritten zwischen uns gesetzt habe, um mich selbst zu bewahren.«

      »Und vor Was, wenn’s gefällig ist?«

      »Vor der Gefahr, welche in jeder Unterhaltung junger Leute über die Liebe verborgen liegt.«

      »Reden Sie für sich, Leonce; ich habe diese Gefahr nicht bemerkt. Sie hatten mir versprochen, die Langeweile von mir fern zu halten; ich zählte auf Ihr Wort; ich war ruhig.«

      »Sie spotten? So leicht dürfen Sie’s nicht aufnehmen. Sie hatten mir mehr Ernst versprochen.«

      »Gehn Sie, ich bin sehr ernst, ernst wie dieser Pfaffe. Was wollten Sie sagen?«

      »Daß allein mit Ihnen ich mich hätte aufgeregt fühlen und jene Ruhe verlieren können, von welcher heute meine Macht über Sie abhängt. Ich verrichte hier


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