Jane Eyre. Шарлотта Бронте

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Jane Eyre - Шарлотта Бронте


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aber zu mei­nem größ­ten Er­stau­nen wein­te sie we­der noch er­rö­te­te sie; ge­fasst, wenn auch ernst, stand sie da, al­ler Bli­cke wa­ren auf sie ge­rich­tet. »Wie kann sie das so ru­hig – so ge­fasst tra­gen?« frag­te ich mich. »Wenn ich an ih­rer Stel­le wäre, so wür­de ich doch ge­wiss wün­schen, dass die Erde sich öff­nen möch­te, um mich zu ver­schlin­gen. Sie sieht aus, als däch­te sie an et­was, das über ihre Stra­fe hin­aus liegt – – über ihre gan­ze Lage, an et­was, das nicht um sie, nicht vor ihr ist. Ich habe von wa­chen Träu­men ge­hört – träumt sie jetzt einen sol­chen Traum? Ihre Au­gen sind auf den Bo­den ge­hef­tet, aber ich bin über­zeugt, dass sie ihn nicht se­hen – ihr Auge scheint nach in­nen ge­wen­det, in ihr Herz ge­senkt, sie sieht nur die Din­ge, die in ih­rer Erin­ne­rung le­ben, nichts, was die Ge­gen­wart ihr bringt. Ich möch­te doch wis­sen, was für ein Mäd­chen sie ist – ob gut oder un­ar­tig.«

      Bald nach fünf Uhr Nach­mit­tags hat­ten wir wie­der eine Mahl­zeit, die aus ei­nem klei­nen Be­cher Kaf­fee und ei­ner hal­b­en Schnit­te Schwarz­brot be­stand. Ich ver­schlang mein Brot und trank mei­nen Kaf­fee mit wah­rem Er­göt­zen. Aber ich wäre froh ge­we­sen, wenn ich dop­pelt so viel ge­habt hät­te – ich war noch hung­rig. Da­rauf folg­te eine halb­stün­di­ge Er­ho­lung, und dann be­gan­nen die Stu­di­en von neu­em. Schließ­lich kam das Glas Was­ser mit dem Stück­chen Ha­fer­ku­chen, das Ge­bet und das Schla­fen­ge­hen. – Das war mein ers­ter Tag in Lo­wood.

      Der nächs­te Tag be­gann wie der vo­ri­ge. Wir stan­den beim Lam­pen­licht auf und klei­de­ten uns an, aber an die­sem Mor­gen muss­ten wir von der Ze­re­mo­nie des Wa­schens dis­pen­siert wer­den – das Was­ser in den Was­ser­krü­gen war ge­fro­ren. Am Abend vor­her war eine Ver­än­de­rung im Wet­ter ein­ge­tre­ten, und ein schar­fer Nord­ost­wind, der die gan­ze Nacht durch die Rit­zen in un­se­ren Schlaf­zim­mer­fens­tern ge­pfif­fen, hat­te uns in un­se­ren Bet­ten vor Käl­te be­ben und den In­halt der Wasch­krü­ge zu Eis ge­frie­ren ge­macht.

      Be­vor die lan­gen an­dert­halb Stun­den des Ge­bets und des Bi­bel­le­sens zu Ende wa­ren, war ich nahe dar­an, vor Käl­te ohn­mäch­tig zu wer­den. End­lich kam die Früh­stücks­zeit, und an die­sem Mor­gen war der Ha­fer­brei nicht an­ge­brannt, die Qua­li­tät war ess­bar, die Quan­ti­tät ließ viel zu wün­schen üb­rig. Wie klein er­schi­en mir doch mei­ne Por­ti­on! Ich wünsch­te, sie wäre dop­pelt so groß ge­we­sen.

      Im Lau­fe des Ta­ges wur­de ich der vier­ten Klas­se als Schü­le­rin ein­ge­reiht, und re­gel­mä­ßi­ge Auf­ga­ben und Be­schäf­ti­gun­gen wur­den mir an­ge­wie­sen; bis jetzt war ich nur Zuschaue­rin bei den Vor­gän­gen in Lo­wood ge­we­sen, jetzt soll­te ich eine der Mit­spie­len­den wer­den. Da ich we­nig dar­an ge­wöhnt ge­we­sen, aus­wen­dig zu ler­nen, schie­nen die Auf­ga­ben mir un­end­lich lang und schwer, auch der häu­fi­ge Wech­sel des Ge­gen­stan­des der Lek­tio­nen ver­wirr­te mich; ich war da­her froh, als Miss Smith mir ge­gen 3 Uhr Nach­mit­tags einen zwei El­len lan­gen Strei­fen wei­ßen Muß­lins samt Fin­ger­hut und Sche­re gab und mir ge­bot, mich in einen stil­len Win­kel des Schul­zim­mers zu set­zen, wo sie mir An­wei­sun­gen gab, wie ich säu­men soll­te. Um die­se Zeit näh­te auch die Mehr­zahl der an­de­ren Mäd­chen, nur eine Klas­se war noch um Miss Scat­cherds Stuhl grup­piert und mit Le­sen be­schäf­tigt. Da tie­fe Stil­le herrsch­te, konn­te man den Ge­gen­stand des Un­ter­richts deut­lich ver­neh­men und eben­so die Art und Wei­se, wie je­des Mäd­chen sich ih­rer Auf­ga­be ent­le­dig­te, oder Miss Scat­cherd ihre Miss­bil­li­gung oder Aner­ken­nung zu ver­ste­hen gab. Es war die eng­li­sche Welt­ge­schich­te. Un­ter den Le­se­r­in­nen be­merk­te ich mei­ne Be­kann­te von der Ve­ran­da; beim Be­ginn der Lek­ti­on hat­te sie ih­ren Platz als Ers­te der Klas­se ge­habt, aber we­gen ir­gend ei­nes Irr­tums in der Auss­pra­che oder ei­ner Unauf­merk­sam­keit in Be­zug auf In­ter­punk­ti­on wur­de sie plötz­lich an das Ende der Schü­le­rin­nen­rei­he ge­schickt. Und selbst noch in die­ser ob­sku­ren Stel­lung blieb sie un­aus­ge­setzt ein Ge­gen­stand für Miss Scat­cherds be­stän­di­ge Auf­merk­sam­keit; fort­wäh­rend rich­te­te sie Wor­te wie die fol­gen­den an sie:

      »Burns«, (dies schi­en ihr Name zu sein; die Mäd­chen wur­den hier, wie an­ders­wo die Kna­ben, mit ih­ren Fa­mi­li­enna­men an­ge­re­det). »Burns, du stehst schon wie­der ein­wärts, au­gen­blick­lich die Fuß­spit­zen nach au­ßen.« – »Burns, wes­halb steckst du das Kinn in so häss­li­cher, un­an­ge­neh­mer Wei­se vor? Hal­te den Kopf ge­ra­de!« – »Burns, ich be­ste­he dar­auf, dass du dich ge­ra­de hältst, ich will dich in sol­cher Stel­lung nicht vor mir se­hen«, u.s.w., u.s.w.

      Als ein Ka­pi­tel zwei­mal durch­ge­le­sen war, wur­den die Bü­cher ge­schlos­sen und die Mäd­chen ge­prüft. Die Lek­ti­on hat­te einen Teil der Re­gie­rung Karls I. um­fasst, und es wa­ren un­ter­schied­li­che Fra­gen über Ton­nen­geld und Pfund- und Schiffs­zoll ge­stellt wor­den, wel­che die meis­ten der Mäd­chen zu be­ant­wor­ten au­ßer stan­de ge­we­sen. Jede klei­ne Schwie­rig­keit je­doch wur­de ge­löst, wenn sie zu Burns kam; ihr Ge­dächt­nis schi­en die Sub­stanz der gan­zen Lek­ti­on ge­fasst zu ha­ben, und sie hat­te für je­den Punkt eine Ant­wort be­reit. Ich saß da und war­te­te freu­dig er­regt, dass Miss Scat­cherd ihre Auf­merk­sam­keit rüh­men wür­de, statt des­sen rief sie plötz­lich aus:

      »Du schmut­zi­ges, wi­der­wär­ti­ges Mäd­chen! Heu­te Mor­gen hast du dei­ne Nä­gel wie­der nicht ge­rei­nigt!«

      Burns ant­wor­te­te nicht, ich wun­der­te mich über ihr Schwei­gen.

      »Wes­halb«, dach­te ich, »er­klärt sie denn nicht, dass sie we­der ihr Ge­sicht wa­schen noch ihre Nä­gel rei­ni­gen konn­te, da das Was­ser ge­fro­ren war?«

      Hier wur­de mei­ne Auf­merk­sam­keit durch Miss Smith ab­ge­lenkt, wel­che mich bat, ihr beim Ab­win­den des Zwirns be­hilf­lich zu sein. Wäh­rend sie ihn ab­wi­ckel­te, sprach sie von Zeit zu Zeit mit mir, frag­te, ob ich schon frü­her eine Schu­le be­sucht habe, ob ich zeich­nen, sti­cken, stri­cken kön­ne u.s.w.; als sie mich end­lich entließ, konn­te ich mei­ne Beo­b­ach­tun­gen über Miss Scat­cherds Ver­hal­ten nicht fort­set­zen. Als ich auf mei­nen Sitz zu­rück­kehr­te, er­teil­te die­se Dame ge­ra­de einen Be­fehl, des­sen In­halt ich nicht ver­ste­hen konn­te. Burns ver­ließ je­doch au­gen­blick­lich die Klas­se und trat in ein klei­nes, in­ne­res Zim­mer, wo die Bü­cher auf­be­wahrt wur­den. Nach kaum ei­ner hal­b­en Mi­nu­te kehr­te sie zu­rück und trug in ih­rer Hand ein klei­nes Rei­sig­bün­del, das an ei­nem Ende zu­sam­men ge­bun­den war. Die­ses omi­nöse Werk­zeug über­reich­te sie Miss Scat­cherd mit ei­nem re­spekt­vol­len Knix, dann lös­te sie schwei­gend, ohne dass es ihr be­foh­len wur­de, ihre Schür­ze – und au­gen­blick­lich ver­setz­te die Leh­re­rin ihr min­des­tens ein Dut­zend schar­fer Strei­che mit der Rute auf Arme und Na­cken. Nicht eine ein­zi­ge Trä­ne trat in Burns Au­gen und wäh­rend ich mit mei­ner Ar­beit in­ne­hielt, weil ein Ge­fühl ohn­mäch­ti­gen, hilflo­sen Zorns mei­ne Fin­ger er­be­ben mach­te, ver­än­der­te nicht ein ein­zi­ger Zug in ih­rem nach­denk­li­chen, erns­ten Ge­sicht sei­nen Aus­druck.

      »Ver­här­te­tes Mäd­chen!« rief Miss Scat­cherd aus, »nichts kann dich von dei­nen un­or­dent­li­chen Ge­wohn­hei­ten hei­len! – Tra­ge die Rute wie­der fort.«

      Burns


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