Jane Eyre. Шарлотта Бронте

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Jane Eyre - Шарлотта Бронте


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las­sen oder mich ei­nem scheu ge­wor­de­nen Pfer­de in den Weg wer­fen und mei­ne Brust von sei­nen Hu­fen zer­tre­ten las­sen – –«

      »Still Jane, still! Du denkst zu viel an die Lie­be der Men­schen; du bist zu stür­misch, zu hef­tig, du lässt dich zu sehr von dei­nen Emp­fin­dun­gen be­herr­schen. Die all­mäch­ti­ge Hand, die dei­nen Leib er­schaf­fen und ihm Le­ben ein­ge­haucht hat, gab dir an­de­re Stüt­zen als dein schwa­ches Selbst oder We­sen; die­se sind eben­so schwach wie du. Au­ßer die­ser Welt, au­ßer dem Men­schen­ge­schlecht gibt es eine un­sicht­ba­re Welt und ein Reich der Geis­ter; die­se Welt um­gibt uns, denn sie ist über­all, die­se Geis­ter be­wa­chen uns, denn sie sind da, um uns zu be­hü­ten; und wenn wir in Kum­mer und Schan­de stür­ben, wenn Ver­ach­tung von al­len Sei­ten auf uns ein­drän­ge, wenn Hass uns zer­malm­te – so sä­hen En­gel un­se­re Qua­len, er­kenn­ten un­se­re Un­schuld, wenn wir un­schul­dig sind – und ich weiß, du bist schuld­los; die­se An­kla­ge, wel­che Mr. Brock­le­hurst aus zwei­ter Hand von Mrs. Reed hat und so jäm­mer­lich und schwach und pa­the­tisch ge­gen dich wie­der­hol­te, – sie trifft dich nicht; denn auf dei­ner rei­nen Stirn, in dei­nen le­bens­vol­len Au­gen steht es ge­schrie­ben, dass du eine wah­re of­fen­her­zi­ge Na­tur bist – und Gott er­war­tet nur die Tren­nung der See­le vom Flei­sche, um uns mit dem höchs­ten Lohn zu krö­nen. Nun denn, wes­halb von Leid über­wäl­tigt zu Bo­den sin­ken, wenn das Le­ben so bald zu Ende ist, und der Tod uns den Ein­tritt zu Se­lig­keit und Herr­lich­keit be­deu­tet?«

      Ich schwieg. He­len hat­te mich be­ru­higt; aber die Ruhe, wel­che sie mir ge­ge­ben, hat­te einen Zu­satz von un­säg­li­cher Trau­rig­keit. Ich fühl­te den Ein­druck von Weh als sie sprach, aber ich konn­te nicht sa­gen, wo­her er kam; und als sie mit ih­rer Rede zu Ende, ein we­nig schnel­ler at­me­te und tro­cken und kurz hus­te­te, ver­gaß ich für einen Au­gen­blick mei­nen ei­ge­nen Kum­mer und gab mich ei­ner un­be­stimm­ten Furcht und Un­ru­he in Be­zug auf sie hin.

      Mei­nen Kopf an He­lens Schul­ter leh­nend, schlang ich mei­nen Arm um ihre Tail­le; sie zog mich an sich, und so ruh­ten wir lan­ge schwei­gend. Nach Ver­lauf von un­ge­fähr ei­ner Vier­tel­stun­de trat eine drit­te Per­son ins Zim­mer. Ein fri­scher Wind hat­te ei­ni­ge schwe­re Wol­ken vom Ho­ri­zont fort­ge­trie­ben, und der Mond ging klar auf; durch ein na­hes Fens­ter warf er sei­ne hel­len Strah­len auf uns und die na­hen­de Ge­stalt, in wel­cher wir so­fort Miss Tem­ple er­kann­ten.

      »Ich kam, um dich zu su­chen, Jane Eyre«, sag­te sie, »du sollst in mein Zim­mer kom­men, und da He­len Burns bei dir ist, mag sie uns be­glei­ten.«

      Wir gin­gen. Un­ter Füh­rung der Vor­ste­he­rin hat­ten wir un­se­ren Weg durch ein La­by­rinth von Kor­ri­do­ren zu su­chen und eine Trep­pe em­por­zu­stei­gen, be­vor wir ihr Zim­mer er­reich­ten. Ein hel­les Feu­er brann­te in dem­sel­ben; es sah freund­lich und be­hag­lich aus. Miss Tem­ple be­deu­te­te He­len Burns, sich in einen nied­ri­gen Lehn­ses­sel an ei­ner Sei­te des Ka­mins zu set­zen; sie selbst nahm einen zwei­ten und rief mich an ihre Sei­te.

      »Ist es jetzt vor­über?« frag­te sie und blick­te mir ins Ge­sicht. »Hast du dei­nen Kum­mer fort­ge­weint?«

      »Ich fürch­te, das wer­de ich nicht kön­nen.«

      »Wes­halb?«

      »Weil ich un­ge­recht und fälsch­lich be­schul­digt wor­den bin; und jetzt wer­den Sie, Ma­da­me, und alle an­de­ren Men­schen mich für böse und gott­los hal­ten.«

      »Wir wer­den dich für das hal­ten, mein Kind, als was du dich er­weist. Fah­re fort, dich wie ein gu­tes Mäd­chen zu be­tra­gen und du wirst mich zu­frie­den stel­len.«

      »Ge­wiss, Miss Tem­ple?«

      »Ge­wiss, Jane«, sag­te sie und schlang ih­ren Arm um mich. »Und jetzt er­zäh­le mir, wer die Dame ist, die Mr. Brock­le­hurst dei­ne Wohl­tä­te­rin nann­te.«

      »Mrs. Reed, die Gat­tin mei­nes On­kels. Mein On­kel ist tot, und er ließ mich in ih­rer Ob­hut zu­rück.«

      »Sie nahm dich also nicht aus ei­ge­nem An­trieb an Kin­des­statt an?«

      »Nein, Ma­da­me; sie hat es sehr un­gern ge­tan; aber wie ich die Dienst­bo­ten oft er­zäh­len hör­te, nahm er ihr kurz vor sei­nem Tode das Ver­spre­chen ab, stets für mich sor­gen zu wol­len.«

      »Nun also, Jane, du weißt ja, oder ich will es dir sa­gen, dass wenn ein Ver­bre­cher an­ge­klagt wird, man ihm stets ge­stat­tet, sei­ne ei­ge­ne Ver­tei­di­gung zu füh­ren. Man hat dich der Falsch­heit, der Lü­gen­haf­tig­keit an­ge­klagt; ver­tei­di­ge dich vor mir so gut du kannst. Sag al­les, was dein Ge­dächt­nis als wahr recht­fer­ti­gen kann; aber füge nichts hin­zu, ver­schwei­ge nichts, über­trei­be nichts.«

      In der Tie­fe mei­nes Her­zens be­schloss ich, mich zu mä­ßi­gen, so kor­rekt wie mög­lich zu sein; und nach­dem ich ei­ni­ge Au­gen­bli­cke nach­ge­dacht hat­te, um das, was ich zu sa­gen hat­te, zu­sam­men­hän­gend zu ord­nen, er­zähl­te ich ihr die gan­ze Ge­schich­te mei­ner trau­ri­gen Kind­heit. Durch die Er­re­gung sehr er­schöpft, sprach ich in ge­mä­ßig­te­ren Aus­drücken, als ich es sonst zu tun pfleg­te, wenn ich auf die­ses qual­vol­le The­ma kam; und He­lens War­nung ge­den­kend, mich dem Ra­che­ge­fühl nicht rück­halts­los hin­zu­ge­ben, ließ ich viel we­ni­ger Gal­le und Wer­mut in die Er­zäh­lung ein­flie­ßen, als es sonst wohl ge­sch­ah. So ver­ein­facht und be­schränkt, klang sie sehr glaub­wür­dig: wäh­rend ich sprach, emp­fand ich, dass Miss Tem­ple mir vol­len Glau­ben schenk­te.

      Im Lau­fe der Er­zäh­lung hat­te ich er­wähnt, dass Mr. Lloyd ge­kom­men sei, um mich nach je­nem Krampf­an­fal­le zu be­su­chen; denn nie­mals ver­gaß ich die für mich so ent­setz­li­che Epi­so­de in dem ro­ten Zim­mer; wenn ich die­se De­tails er­zähl­te, konn­te ich ge­wiss sein, dass mei­ne Er­re­gung in ei­nem ge­wis­sen Gra­de die Gren­zen über­schritt; denn selbst in mei­ner Erin­ne­rung noch hat­te die To­des­angst sich frisch er­hal­ten, wel­che sich mei­ner be­mäch­tig­te, als Mrs. Reed mein wil­des Fle­hen um Ver­zei­hung ver­lach­te und mich zum zwei­ten Mal in das düs­te­re, ge­spens­ti­sche Zim­mer sperr­te.

      Ich war zu Ende. Schwei­gend be­trach­te­te Miss Tem­ple mich ei­ni­ge Mi­nu­ten; dann sag­te sie:

      »Ich habe von Mr. Lloyd ge­hört; ich wer­de an ihn schrei­ben; wenn sei­ne Ant­wort mit dei­nen An­ga­ben über­ein­stimmt, so sollst du öf­fent­lich von je­der An­kla­ge frei­ge­spro­chen wer­den. Für mich, Jane, stehst du schon jetzt un­schul­dig da.«

      Sie küss­te mich und be­hielt mich noch an ih­rer Sei­te. Mir ge­währ­te das Be­trach­ten ih­res An­ge­sichts, ih­res Klei­des, ih­rer we­ni­gen prunklo­sen Schmuck­ge­gen­stän­de, ih­rer wei­ßen Stirn, ih­rer di­cken, glän­zen­den Lo­cken und strah­len­den schwar­zen Au­gen ein kind­li­ches Ver­gnü­gen. Zu He­len Burns ge­wandt, fuhr sie fort:

      »Wie geht es dir heu­te Abend, He­len? Hast du wäh­rend des gan­zen Ta­ges viel ge­hus­tet?«

      »Nicht ganz so viel wie sonst, glau­be ich.«

      »Und der Schmerz in dei­ner Brust?«

      »Er ist nicht mehr so hef­tig.«

      Miss Tem­ple er­hob sich, nahm ihre Hand und prüf­te den Puls. Dann kehr­te sie auf ih­ren Sitz zu­rück; ich hör­te, wie sie lei­se seufz­te. In Nach­den­ken ver­sun­ken,


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