Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

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Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) - Christian  Morgenstern


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      und kurze Frist nur gäbe

      man meinem Leben noch ...

      Sie trügen in dein Haus mich,

      du pflegtest mich voll Mitleid,

      voll frauenhafter Güte,

      voll leiser Traurigkeit ...

      Und deine Hände lägen

      auf meiner Fieberstirn,

      und unter deinen Händen

      schliefe mein Herzblut ein.

      Als ich einen Lampenschirm mit künstlichen Rosen zum Geschenk erhielt

       Inhaltsverzeichnis

      O laß mich diese stummen Rosen küssen,

      die auf durchhelltem Grund sich dunkel ranken –

      sie werden oft in freundlichen Gedanken,

      doch öfter noch mich traurig sehen müssen.

      O laß mich diese stummen Rosen küssen,

      und also jede Mitternacht dir danken,

      daß du bewahrt mein Auge, zu erkranken,

      und meine Stirn, in Fieber stehn zu müssen.

      O laß mich diese stummen Rosen küssen –

      sie bluten mir von Zeiten, die versanken,

      von düstrer Qual, von sonnigen Genüssen ...

      von jungen Blicken, die sich suchend tranken,

      von eitler Sehnsucht stammelnden Ergüssen,

      von kurzer Träume klagendem Verschwanken.

      Entwickelungs-Schmerzen

       Inhaltsverzeichnis

      Ich werde an mir selbst zu Grunde gehn.

      Ich, das sind zwei, ein Möchte sein und Bin, –

      und jenes wird zum Schlusse dies erwürgen.

      Das Möchte sein ist wie ein rasend Roß,

      an dessen Schweif das Bin gefesselt ward,

      ist wie ein Rad, darauf das Bin geflochten,

      ist wie ein Mönch, der sich den Leib zerdornt,

      wie eine Furie, deren Finger sich

      in ihres Opfers Haar verstricken, wie

      ein Vampyr, der am Herzen sitz und saugt

      und saugt ...

      Wohl wie ein Gott auch, der emporziehn will,

      oder ein Weib, aus dessen Augen es

      dem Wanderer entgegenlockt, und das

      der atemlose Narr doch nie erreicht.

      So sieht mein Ich von innen aus, von außen

      ein Haus wie andre, hell die Fenster manchmal,

      doch öfter dunkel. Stoß die Tür auf! schau

      die schöne Eh' von Bin und Möchte sein!

      Schaut nur hinein und ruft bedauernd ach!

      und weh! und, wenns euch leichter macht, auch pfui!

      Bin ich nicht Dichter? Hab ich nicht das Vorrecht –

      oh welch ein Vorrecht! – jedem frechen Auge

      die Räume meiner Häuslichkeit zu zeigen?

      Hört doch mein Pathos, das euch jeden Winkel

      beschreibt und tut, als hätt es just zum Zweck,

      ihn euch als Sehenswürdigkeit zu preisen.

      Ists Eitelkeit, die mich zum Cicerone

      der eignen Seele macht? ists Geiz nach Ehre?

      Mangel an Scham, an Stolz, an Wert, an Tiefe?

      Das alles ists wohl auch, doch ists noch mehr.

      So etwas noch wie Rachsucht, Grausamkeit,

      Blutgierde, Haß, Verachtung wider mich selbst,

      so etwas, das nicht hat, was es erlechzt,

      ein Durst nach Macht, der, ungestillt, verzehrt,

      das Wär' ich! vor der kalten Sphinx Ich bin.

      Ja, darum führ ich euch herum in mir,

      weil ich mir selbst damit das Herz zerreiße,

      mich selbst erniedre und zum Schwätzer mache;

      es tut so wohl, wenn man den stumpfen Schmerz

      laut bluten läßt aus aufgerissnen Wunden.

      Und dann: Ihr seht ja nur das Blut und nicht

      das Herz, daraus es stammt! Es lacht vielleicht,

      wenn ihr des Blutes Färbung düster findet,

      und weint gewiß, indes ihr wähnt, es lacht.

      Wohl lud ich oft euch in mein Haus, – allein

      die Dielen haben Doppelböden, Spiegel,

      dreht man sie um, sind Türen insgeheim,

      und im Getäfel schlafen weite Truhen.

      Ihr wißt gar nichts. Und ob ich mich verlöre

      in einem Strom von Worten! Werft euch lüstern

      in diesen Strom! Da fließt er. Er gehört euch. –

      Ich werde an mir selbst zu Grunde gehn.

      Schicksals-Spruch

       Inhaltsverzeichnis

      Unhemmbar rinnt und reißt der Strom der Zeit,

      in dem wir gleich verstreuten Blumen schwimmen,

      unhemmbar braust und fegt der Sturm der Zeit,

      wir riefen kaum, verweht sind unsre Stimmen.

      Ein kurzer Augenaufschlag ist der Mensch,

      den ewige Kraft auf ihre Werke tut,

      ein Blinzeln – der Geschlechter lange Reihn,

      ein Blick – des Erdballs Werdnis und Verglut.

      Frage ohne Antwort

       Inhaltsverzeichnis

      Was bist du, Unbegriffnes,

      Mensch genannt, –

      Antlitz in Antlitz

      eingwendet Janushaupt, –

      Urwerden

      Aug in Aug mit Wissenheit, –

      Urzwiegesicht

      und doch ureine Form – –?

      Wohin?

       Inhaltsverzeichnis

      Wohin noch

      wirst du mich reißen,


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