Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern
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Dort liegt es –:
Ein dunkles Tor,
drin alle verschwinden,
langsam,
auf ewig.
– – –
Laß mich!
Aus deinen kalten,
unsterblichen Augen
kann ich nicht länger schaun;
denn unendliches Weinen
drängt mir empor, –
und es sinken erbarmungsvoll
Tränen der Schwermut
wie Schleier
zwischen den Sterblichen
und das Bild
seines grausamen Schicksals.
Ein Sklave
(Louvre)
Du bist der Schmerz,
der fremde Augen meidet,
der, übertief,
die eignen Augen schließt,
du bist der Schmerz,
der ohne Tränen leidet,
weil sich ihr Strom
nach innen stumm ergießt.
Ein ratlos Fliehn
todwilder Wehgedanken
tobt hinter deiner Lider
schlaffem Fall ...
Sie brechen aus ...
Zurück in ihre Schranken
peitscht sie Vernunft
mit spitzem Geißelknall.
Nun stehn sie eng,
wie angstgedrängte Pferde,
tiefköpfig, zitternd,
blutig, schaumbedeckt ...
und stürzen endlich
wie vom Blitz zur Erde,
von einem letzten Schlag
zu Tod erschreckt.
Und, der sie hegt, dein Leib,
er will mit ihnen
zu Boden stürzen –
Ah! ... Aufbrennt das Mal
umschnürter Brust ...
Du stöhnst ... Mit starren Mienen
erträgst du weiter
deines Loses Qual.
Frühlingsregen
Regne, regne, Frühlingsregen,
weine durch die stille Nacht!
Schlummer liegt auf allen Wegen,
nur dein treuer Dichter wacht ...
lauscht dem leisen, warmen Rinnen
aus dem dunklen Himmelsdom,
und es löst in ihm tiefinnen
selber sich ein heißer Strom,
läßt sich halten nicht und hegen,
quillt heraus in sanfter Macht ...
Ahndevoll auf stillen Wegen
geht der Frühling durch die Nacht.
Abend am See
Auf die düstern Kiefernhügel
legt sich kupfern letzte Sonne ...
Sanft wie über weichen Sammet
schmeicheln Winde drüber hin ...
Eine kurze Spanne weilt sie
goldbraun auf den stillen Wäldern,
bis ihr milder süßer Schimmer
plötzlich, wie ein Lächeln, stirbt.
So möcht ich sterben ...
So möcht ich sterben, wie ich jetzt mein Boot
aus sonnenbunten Fluten heimwärts treibe.
Noch glüht die Luft, noch liegt ein gütig Gold
auf mir und allem um mich her gebreitet.
Bereit und heiter tu ich Schlag auf Schlag
dem Schattensaum der stillen Ufer zu ...
So möcht ich sterben, Sonnengold im Haar!
Der Kiel knirscht auf – und mich umarmt die Nacht.
Schicksale der Liebe
1.
Ich stand, ein Berg,
still und einsam.
Da kamst du
und zerschmolzest
das Erz meiner Adern!
Nun bricht es vulkanisch heraus,
ein Schrecken dem Wandrer,
ein Schrecken mir selber.
Verdorrt steht
mein blühender Schmuck,
stumm
meiner Quellen Gespräch,
und langsam
verrinnt
mein Blut
um dich ...
2.
Wir sind zwei Rosen,
darüber der Sturm fuhr
und sie abriß.
Gemeinsam
wirbeln sie nun
den Weg entlang,
und ihre Blätter
wehn durcheinander.
Heimatlose,
tanzen und fliehn sie,
nur für einander
duftend und leuchtend,
den Weg der Liebe –:
Bis sie am Abend
der